Schafe ohne Wolle? Gibt es – denn die Zeit der Wolle ist vorbei

Schafe werden hierzulande längst nicht mehr um der Wolle willen gezüchtet – man will ihnen ans Fleisch. Das Problem der Wolle als Verlustgeschäft bleibt. Die Lösung: Nolana, das «wolllose» Schaf. Diese Woche wird ein Zuchtverein in Wittinsburg gegründet.

Katharina Bitterli inmitten ihrer Nolana-Schafe.

(Bild: Lucas Huber)

Schafe werden hierzulande längst nicht mehr um der Wolle willen gezüchtet – man will ihnen ans Fleisch. Das Problem der Wolle als Verlustgeschäft bleibt. Die Lösung: Nolana, das «wolllose» Schaf. Diese Woche wird ein Zuchtverein in Wittinsburg gegründet.

Auf den Äusseren Hebriden, den Inseln Lewis, Harris, Uilst und Barra, an der rauen schottischen Atlantikküste, werden Schafe noch geschätzt. Im Gegensatz zu hiesigen Gefilden aber nicht wegen ihres Fleisches; hier entsteht der Harris Tweed. Der weltbekannte Wollstoff stammt ausschliesslich von Schafen der Äusseren Hebriden und wird nur hier handgewoben. Wolle, darum, hat hier einen Wert. Einen immensen. 

In der Schweiz, ja in ganz Kontinentaleuropa, ist Wolle zum Abfallprodukt verkommen. Kostet das Scheren eines Schafes sechs bis sieben Franken, bringt die gewonnene Wolle nur einen Bruchteil davon. Baumwolle und andere Fasern haben Schafwolle in der Bekleidungsindustrie längst auf die hinteren Plätze verdrängt. Doch die hiesigen Schafrassen wurden in den vergangenen Jahrhunderten derart hochgezüchtet, dass ihre Wolle immerfort weiterwächst. Ein Schaf, das sieht sogar die Tierschutzverordnung vor, muss jährlich geschoren werden.

Nolana: das Schaf, das sich selbst entwollt

Hier kommt Katharina Bitterli ins Spiel. Die Landwirtin aus Häfelfingen hat sich schweizweit an die Spitze einer Bewegung gesetzt, die nicht den Absatz von Schafwolle fördern will. Das hat etwa die Fiwo im thurgauischen Amriswil bereits versucht. Sie bietet 36 Langzeitarbeitslosen Beschäftigung, in dem sie aus Schafwolle Duvets und Kissen, aber auch Dünger und Dämmmaterial für den Hausbau produziert. Dass die Schäfer ihre Wolle mit Gewinn verkaufen könnten, bleibt trotzdem ein Wunschgedanke.

Bitterli treibt stattdessen die Züchtung von Schafen voran, die sich selbst entwollen. Nolana nennt sich die Rasse. Das ist eine Neuzüchtung aus deutschen Merino-Schafen und dem englischen Wiltshere Hornbock, entstanden am Landwirtschaftlichen Zentrum Baden-Württemberg und der Landwirtschaftlichen Fachhochschule Niedersachsens. Ihr Name stammt aus dem Lateinischen und bedeutet schlicht «keine Wolle».

Natürlich produzieren die Nolanas trotzdem Wolle, denn nackte Schafe frieren bisweilen im Winter. Nur wächst ihr Kleid nicht immerfort weiter, sondern fällt im Frühling flockenweise aus. Das hat nicht nur den Vorteil, dass sich die Produzenten die Ausgaben für den Scherer sparen können; die Tiere treten die verlorene Wolle in die Weide ein und diese dient dort als natürlicher Dünger.




Nolana-Schafe verlieren ihr Fell – zumindest den Teil, den sie nicht brauchen. (Bild: Lucas Huber)

Bereits vor einem Jahr hat Bitterli die IG Nolana Schweiz gegründet, bereits damals im Bestreben, möglichst bald die professionelle Zucht im Land zu etablieren. Bisher lassen sich die Nolanazüchter allerdings noch an einer Hand abzählen, Bitterli hat mit 120 Tieren die grösste Zucht, ein Bauer züchtet im Wallis, einer im Fribourgischen, einer im Thurgau. Hinzu kommen knapp 20 Landwirte mit Kleinstzuchten, insgesamt gibt es in der Schweiz rund 350 Nolana-Schafe.

Sie alle tun sich nun zusammen, um am 31. Oktober 2015 in Wittinsburg den Zuchtverein Nolana Schweiz zu gründen. «Jetzt starten wir so richtig durch», sagt die designierte Vereinspräsidentin Katharina Bitterli. Sie betont, dass die Zucht von Nolanas alles andere als ein Herumfuhrwerken in Mutter Natur oder gar eine konspirative Genmanipulation sei, sondern vielmehr ein «back to the roots». Schliesslich sei die selbständige Enthaarung absolut natürlich, auch Rehe, Büffel, Kamele und ursprüngliche Schafrassen legen ihr Winterfell ab, ohne geschoren zu werden.

Eine dieser selbstentwollenden Schafrassen ist das Soay-Schaf, eine schottische Züchtung, die allerdings für den hiesigen Fleischmarkt zu kleine Tiere hervorbringt.

Rasse mit Potenzial

«Eigentlich tut es mir ja im Herzen weh», sagt Katharina Bitterli, die Wollsocken und einen Wollpullover trägt, «denn ich liebe Wolle. Doch ich kann es mir einfach nicht leisten, für die Wolle, die mir niemand abnimmt, derart viel draufzuzahlen.» Das geht auch anderen Schafhaltern so, davon ist Bitterli überzeugt. Darin sieht sie das grosse Potenzial für die künftige Entwicklung der Rasse.

In Deutschland ist die Rasse seit 15 Jahren anerkannt, Bitterli importierte die ersten Auen 2009 von dort. In der Schweiz soll zwei Wochen nach der Vereinsgründung über die Anerkennung der Nolana befunden werden, wenn sich der Schweizerische Schafzuchtverband trifft. Es sollte eine Formsache sein. Bitterli ist zuversichtlich.

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