Der Flughafen Basel-Mulhouse setzt seit einigen Jahren verstärkt auf die Luftfracht. Das Wachstum zeigt sich allerdings schwächer als erwartet. Dennoch hat die neue Cargohalle gerade der Pharmabranche bedürfnisgerechtere Transportmöglichkeiten eröffnet.
Anfang November äusserte sich Matthias Suhr, der Direktor des EuroAirports (EAP), enttäuscht über die Entwicklungen im Cargobereich. Die Flughafenleitung hatte sich ein grösseres Wachstum im Geschäft mit den grossen Frachtern erhofft, nachdem im Januar dieses Jahres eine moderne Lagerhalle in Betrieb genommen wurde – eine 21’000 Quadratmeter grosse Halle, in der Exportgüter vor dem Weitertransport per Flugzeug zwischengelagert werden.
Angepeilt werden 10 bis 15 Frachtflüge pro Woche – ein Ziel, das bis in fünf Jahren erreicht sein soll. Dass der Flughafendirektor nach nicht mal einem Jahr seine Enttäuschung über die Entwicklung äussert, erstaunt etwas. Denn das Interesse der Frachtunternehmen hat bereits angezogen: Vier Unternehmen meldeten sich auf den Ausbau am Flughafen hin – AirBridgeCargo Airlines, Emirates Sky Cargo, LAN Cargo und Qatar Airways Cargo.
So rosig sah es am EuroAiport nicht immer aus: Bis 2014 war der Transport mit grossen Frachtflugzeugen, genannt Vollfrachttransport, beinahe vollständig eingebrochen. Erst die neue Halle brachte den Umschwung. Davor flog während einigen Jahren lediglich noch der stadtbekannte Riesenfrachter der Korean Air Cargo pro Woche einmal von Basel weg.
Wachstum im Vollfrachtbereich
Die Inbetriebnahme der neuen Halle brachte indes ein schnelles Wachstum: Seit September 2014 stieg die Zahl der Vollfrachtflüge von einem auf sechs regelmässige Flüge pro Woche. Sie steuern Flughäfen in Seoul, Doha, Dubai, Moskau, Sao Paulo, Buenos Aires und Santiago de Chile an. Transportiert werden Güter für Maschinenhersteller oder Pharmafirmen in grossem Umfang.
Der Hauptgrund für den sprunghaften Anstieg des Frachtflugverkehrs sei zweifellos der Bau des neuen Cargo-Terminals mit seiner hochmodernen, temperaturkontrollierten Infrastruktur, bestätigt die Medienstelle des Flughafens. Richtig zufrieden ist die Flughafenleitung dennoch nicht, auch wenn das Vollfrachtgeschäft gerettet werden konnte.
Letztes Jahr prognostizierte der Geschäftsbericht des EAP ein steiles Wachstum im gesamten Transportvolumen, konkret sprach man von einem Ziel von 19 Prozent Steigerung im Jahr 2015. Diese Zahl wurde an der letzten Medienkonferenz massiv nach unten korrigiert: Direktor Suhr spricht nur noch von zwei Prozent Wachstum im laufenden Jahr. Während sich die Vollfracht zwar massiv steigerte, ging das Wachstum in den beiden Bereichen Expressfracht und Luftfrachtersatzverkehr zurück. Gründe dafür seien der starke Franken und die in der Folge schwache Exportsituation. Ausserdem spüre man in diesem Jahr die Konkurrenz der günstigeren Seefracht.
Konkurrenz von LKW
Neben dem maritimen Verkehr steht auch der Strassentransport in Konkurrenz zum Flughafen. Exportgüter aus dem Raum Basel werden heute zu einem grossen Teil mit dem Lastwagen an Destinationen in ganz Europa gebracht. Oft steuern diese Lastwagen auch Konkurrenzflughäfen im Ausland an, darunter Paris oder Frankfurt, und auch Zürich ist je nach Destination der Ware eine Alternative zu Basel.
Gemäss Vivienne Gaskell, Mediensprecherin des EAP, soll die Luftfracht in der Region Basel in den nächsten fünf Jahren deutlich aufholen. Bis ins Jahr 2020 sollen 50 Prozent des Exportvolumens über die Luftfracht abgewickelt werden. Heute sind es 20 Prozent. Diese Zahlen umschliessen wie oben erwähnt alle drei Frachtbereiche Vollfracht, Expressfracht und den Luftfrachtersatzverkehr.
Dabei hat der Luftfrachtersatzverkehr eigentlich gar nichts mit dem Luftverkehr zu tun: Der Begriff meint den Transport per Lastwagen – der aus praktischen Gründen über die Zollstelle am Flughafen abgewickelt wird. Laut Mediensprecherin Gaskell zieht der Flughafen keinen direkten Nutzen daraus. Dennoch wird er in der offiziellen Statistik aufgeführt und macht erst noch einen grossen Teil der sogenannten «Luftfracht» aus. 55’765 Tonnen an Gütern wurden 2014 via Lastwagen über den Flughafen geführt, im Gegensatz zu den den 42’350 Tonnen effektiv geflogener Luftfracht.
Potenzial im Pharmabereich vorhanden
Abschliessend kann gesagt werden, dass der Bereich Luftfracht noch Wachstumspotenzial hat. Von den regelmässigen Frachtflügen und den neuen Lagerkapazitäten am Flughafen profitieren besonders die Life-Science-Unternehmen wie Novartis und Roche. Die hochmodernen Lagerflächen entsprechen deren Bedürfnissen, denn Medikamente reagieren sensibel auf Temperaturschwankungen: Auf allen Transportabschnitten muss ein konstantes Klima gewährleistet werden. Auch während der Zwischenlagerung auf dem Flughafenareal darf die Kühlkette nicht unterbrochen werden. Dies war bisher nicht möglich.
«Die neue Frachthalle und die zusätzlichen Frachtkapazitäten in den Mittleren Osten, nach Russland und nach Lateinamerika bieten gute Voraussetzungen, den Anteil der Exporte über den EuroAirport zu erhöhen», bestätigt Satoshi Sugimoto, Mediensprecher der Novartis. «Ein Grossteil unserer Endprodukte wird aus der Schweiz verschickt. Und etwa ein Drittel unseres gesamten Frachtaufkommens aus der Region Basel transportieren wir per Luftfracht.» Mit knapp 15 Prozent Anteil an den gesamten Schweizer Exporten im letzten Jahr ist Novartis einer der grössten Exporteure des Landes. Vier Milliarden Behandlungseinheiten werden jährlich alleine vom Standort Stein in mehr als 150 Länder versandt.
Für die regionalen Unternehmen ist die Nähe zum EuroAirport ein Standortvorteil. Nicht nur grosse Boeing-Flugzeuge der Typen 747 oder 777 fliegen Basel-Mulhouse an. Auch die kleineren Expressflieger von DHL oder TNT nutzen den Standort. Sie landen jeden Morgen in Basel und fliegen spät am Abend mit ihrer Ladung weiter. Die Expressfracht habe sich immer stabil entwickelt, auch in Krisenjahren, bestätigt Vivienne Gaskell, Mediensprecherin des Flughafens. Allerdings transportieren die Expressflieger eher kleine Pakete und sprechen somit ein anderes, heterogeneres Kundensegment an als die Cargounternehmen.