Die vier Wirtschaftsminister der deutschsprachigen Länder Europas beschworen in Basel den gemeinsamen Kampf gegen die Entindustrialisierung.
Seit 1976 treffen sich die drei Wirtschaftsminister von Deutschland, Österreich und der Schweiz jährlich zu einem Gedankenaustausch. Dieses Jahr in Basel wurde erstmals das Fürstentum Liechtenstein mit eingeladen, aus dem Dreier- wurde ein Vierertreffen. Darüber freute sich an der Medienkonferenz im Anschluss an das Treffen in erster Linie der Wirtschaftsminister des kleinen Fürstentums, Thomas Zwiefelhofer. Er gab zu, keinen grossen Player im gemeinsamen Wirtschaftsraum zu vertreten. Dennoch habe sein Land auf gewissen Gebieten eine Vorbildrolle, zum Beispiel bei der geringen Jugendarbeitslosigkeit.
Dem erfreuten Juniorpartner standen drei entspannte Kollegen aus den grösseren Wirtschaftsräumen zur Seite. Bundesrat Johann Schneider-Ammann betonte unisono mit dem deutschen Wirtschaftsminister Philipp Rösler die freundschaftliche Beziehung zwischen den deutschsprachigen Ländern Europas. Mit den Worten Röslers ausgedrückt: «Wir sind nicht nur als Nachbarn, sondern als gelebte Freunde zusammen gekommen.» Diese Freundschaft leide auch nicht, wenn für einmal heiklere Themen zu Sprache kommen: etwa die Schweizer Ventilklausel im Freizügigkeitsabkommen mit der EU, über die Schneider-Ammann seine Kollegen nach eigenen Angaben informiert hat.
Vertrauen auf die Balance
Rösler gab sich auf die Frage, wie Deutschland mit diesem Anruf der Verntilklausel umgehe, diplomatisch. Er vertraue darauf, dass die Schweiz die Balance zwischen der Offenheit der Märkte und der Bewahrung der Akzeptanz in der Bevölkerung wahren könne. Zumal er davon ausgehe, dass es sich um eine einmalige Aktion handle. Er vertraue darauf, dass die Schweiz wie auch Deutschland und Österreich zu pragmatischen Lösungen tendierten. Schneider-Ammann gab zu Protokoll, dass der Bundesrat angesichts der aktuellen Volksinitiative gegen Masseneinwanderung und der Ecopop-Initiative gegenüber dem Schweizervolk ein Zeichen setzen müsse, dass man die Migrationssituation im Griff habe.
Hauptthema des Vierertreffens scheint aber die Frage der drohenden Entindustrialisierung in Europa allgemein und speziell im deutschsprachigen Raum gewesen zu sein. Rösler bezeichnete die Industrie, die im Kern noch auf mehr oder weniger gesunden Füssen stehe, als «Basis für den Wohlstand und das Wachstum». Sein österreichischer Kollege Reinhold Mitterlehner beschwor, dass eine neue «Industriewelle» nötig sei. Und Schneider-Ammann sagte gut schweizerisch zurückhaltend, dass die Schweiz, auch wenn sie nicht Mitglied der EU oder des EWR sei, bei wichtigen Fragen über die wirtschaftliche Entwicklung Europas nicht abseits stehen könne – eine Aussage, die Rösler nach eigenen Angaben mit Wohlwollen aufgenommen hat.
Problempunkt Energiepreise
Für eine neue Industriewelle müssten aber Hemmnisse abgebaut werden. Das grösste sehen die vier Wirtschaftsminister in den hohen Energiepreisen. Rösler sieht in der aktuellen Diskussion um den Ausstieg aus der Atomenergie und dem Ruf nach erneuerbaren Energiequellen weitere Herausforderungen in diesem Bereich. Das sei als Aufforderung zu verstehen, im Energiesektor noch stärker als bisher zusammenzuarbeiten.
Schliesslich wurde auch das anvisierte Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU am Vierertreffen thematisiert. Bundesrat Schneider-Ammann sagte, dass die Schweiz sich dafür einsetzen müsse, dass für das Nicht-EU-Land dadurch bei den bilateralen Handelsbeziehungen die Spiesse nicht kürzer würden.
Steuerstreit kein Thema
Kein Thema am Vierertreffen der Wirtschaftsminister waren die aktuell hochkochenden Steuerstreitigkeiten zwischen der Schweiz und der EU bzw. den USA, wie der österreichische Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend auf Anfrage der TagesWoche sagte. Dieses Dossier sei und bleibe in den Händen der jeweiligen Finanzminister.