Warum die Schweizer Steuerreform Entwicklungsländern schadet

Die Unternehmenssteurreform III wirkt sich nicht nur auf die Schweiz aus. Sie bietet neue Steuerschlupflöcher, die für Entwicklungsländer fatale Folgen haben.

In Sachen Steuerpolitik rücken die Schweiz und manche Entwicklungsländer gefährlich nahe zusammen.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Die Unternehmenssteurreform III wirkt sich nicht nur auf die Schweiz aus. Sie bietet neue Steuerschlupflöcher, die für Entwicklungsländer fatale Folgen haben.

Wenn die Stimmbevölkerung am 12. Februar über die Unternehmenssteuerreform (USR) III abstimmt, dann geht es nicht nur um Steuerausfälle in der Schweiz. Es geht auch um Milliarden-Verluste in Entwicklungsländern.

Bisher konnten international tätige Firmen ihre Gewinne in die Schweiz verschieben und sie zu Dumping-Sätzen versteuern. Manche Unternehmen kamen so auf eine effektive Steuerbelastung von unter 6 Prozent. Die Schweiz kursiert bis heute regelmässig auf den oberen Plätzen der weltweit übelsten Steueroasen.

Damit soll nach der Reform Schluss sein. Die OECD, der Club der Industriestaaten, will seit Jahren Steuerschlupflöcher stopfen. Ein hehres Ziel – eigentlich. Das Problem ist, dass nur die reichen Länder mitmachen. 

Patentbox als Mittel für Gewinnverschiebungen

Das Projekt der OECD legt einheitliche Regeln für die internationale Steuerpolitik fest, um grenzüberschreitende Steuerflucht zu unterbinden. Davon profitieren aber fast nur die OECD-Mitglied-Länder selbst.

Denn für Firmen ist es weiterhin möglich, ihre Gewinne aus Entwicklungsländern nach Holland, Irland oder in die Schweiz zu verschieben. Exakt für dieses Vorgehen bietet die Schweiz mit der USR III neue Steuerschlupflöcher an, die der OECD Stand heute noch erlaubt.

Zum Beispiel mit der Patentbox, die mit der Steuerreform eingeführt werden soll. Ein Beispiel, das die NGO ActionAid 2011 recherchierte, zeigt, wie der Mechanismus funktioniert:

Der Bier-Riese SAB Miller, der unter anderem die Marke Grolsch produziert, betreibt die Accra Brewery in Ghana. Die Unternehmenssteuern in Ghana sind hoch. Also zweigte die Firma ihre Gewinne nach Holland ab, wo eine Patentbox existierte. Weil das Bier-Rezept als geistiges Eigentum galt, konnte die Accra Brewery ihre Gewinne aus dem Bierverkauf nach Holland verschieben und dort günstig versteuern. Den ghanaischen Steuerbehörden entgingen so umgerechnet 90’000 Schweizer Franken. Nach demselben Muster schleuste SAB Miller etwa 180 Millionen Franken Gewinne der South African Breweries Ltd. am südafrikanischen Fiskus vorbei. Dem Staat fehlten so etwa 8 Millionen Franken.

Zwar will die OECD in ihrem Konzept zur Patentbox – genannt modifizierter Nexus-Ansatz – Gewinnverschiebungen unterbinden. Laut OECD dürfen Gewinne aus Patenten in einem Land nur dann abgezogen werden, wenn sie massgeblich dort entwickelt wurden. Wie der Bundesrat die Verordnung zur Schweizer Patentbox formuliert, ist jedoch noch offen.

Ein weiteres Instrument, um in Entwicklungsländern Steuern zu sparen, bietet die zinsbereinigte Gewinnsteuer. Diese funktioniert so:

Ein Unternehmen, zum Beispiel ein global tätiger Kleider-Hersteller, kann Steuern sparen, wenn er viel Eigenkapital in der Schweiz hält. Auf überschüssigem Eigenkapital – also zum Beispiel auf dem Eigenkapital, das über einem Anteil von 50 Prozent liegt – kann die Firma einen fiktiven Zins abziehen. Dieser Zins orientiert sich im Normalfall an der Rendite einer zehnjährigen Bundesobligation. Die Bundesanleihe befindet sich momentan in den Negativzinsen. Also können keine Steuerabzüge gemacht werden. Ein Passus im neuen Gesetz erlaubt jedoch einen Drittvergleich, bei dem marktübliche Zinssätze verrechnet werden. Zum Beispiel, wenn die Firma sich selbst ein Darlehen über ein anderes Land vergibt. So kann der Kleider-Hersteller zum Beispiel vom Schweizer Hauptsitz aus ein konzerninternes Darlehen an die Tochterfirma in Äthiopien vergeben. Die Firma legt dafür einen derart hohen Zinssatz fest, dass der Gewinn der äthiopischen Tochterfirma massiv schrumpft. So sinkt der steuerbare Gewinn in Äthiopien, in der Schweiz steigt er, wo das Unternehmen zu tieferen Sätzen als in Äthiopien besteuert wird.

Entwicklungsländern entgehen schon heute rund 114 Milliarden Dollar Steuereinnahmen wegen Gewinntransfers. Das schätzt das Hilfswerk Oxfam. Andere NGOs gehen bei ihren Schätzungen von bis zu 160 Milliarden Dollar aus.

Der Finanzexperte Dominik Gross vom Think-Tank Alliance Sud warnt deshalb vor den neuen Steuerschlupflöchern. Er sagt: «Mit den neuen Instrumenten, die die USR III bereithält, kommen die Entwicklungsländer vom Regen in die Traufe.»

Denn die zinsbereinigte Gewinnsteuer sei quasi auf Steuerflucht ausgelegt: «Sie hat bei diesem Zinsniveau keinen anderen Zweck, als Konzernen, die einen Sitz in der Schweiz haben, weiterhin Gewinnverschiebungen aus dem Ausland zu ermöglichen.»

Schweiz bleibt bei unfairen Steuerpraktiken

Gross sieht ein globales Problem darin, wenn «die OECD, als Club der reichsten Länder, das Steuerrecht harmonisiert». Es bräuchte eine internationale Organisation, die alle Länder bei der Entwicklung des internationalen Steuerrechts miteinschliesst und für faire globale Finanzbeziehungen sorgt. Etwa so wie die WTO, die sich um den Welthandel kümmert – «nur etwas demokratischer».

Mit der USR III bleibe die Schweiz eine jener prominenten Steueroasen, die bei Gewinntransfers und unfairen Steuerpraktiken mitmache, so Gross.

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Die Beispiele sind in Teilen von Alliance Sud übernommen. Das Positionspapier der NGOs finden Sie hier.

Artikelgeschichte

– Änderung 19.1.2017, 11 Uhr: Aufgrund von Hinweisen wurde dieser Absatz eingefügt, der einen fehlenden Aspekt der Patentbox thematisiert:
«Zwar will die OECD in ihrem Konzept zur Patentbox – genannt modifizierter Nexus-Ansatz – Gewinnverschiebungen unterbinden. Laut OECD dürfen Gewinne aus Patenten in einem Land nur dann abgezogen werden, wenn sie massgeblich dort entwickelt wurden. Wie der Bundesrat die Verordnung zur Schweizer Patentbox formuliert, ist jedoch noch offen.»

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