Warum die Zinsen im Keller sind

Die Grenzen des Wachstums zeigen sich auch in der Finanzwirtschaft: Es gibt zu viel Kapital und zu wenige Anlagemöglichkeiten.

(Bild: Keystone/Montage TaWo)

Die Grenzen des Wachstums zeigen sich auch in der Finanzwirtschaft: Es gibt zu viel Kapital und zu wenige Anlagemöglichkeiten.

Haben Sie sich auch schon gewundert, warum Sie auf Ihrem Privatkonto –wenn überhaupt – nur noch 0,1 Prozent Zins bekommen, auf Ihrem Sparkonto noch 0,25 Prozent und selbst für acht Jahre laufende Kassenobligationen kaum mehr ein Prozent?

Umgekehrt zahlt man für eine Fünf-Jahres-Festhypothek aufs Eigenheim bei der Basler Kantonalbank noch 1,4 Prozent. Für ein zu 60 Prozent belehntes Eigenheim im Wert von einer Million ergibt sich daraus eine monatliche Zinsbelastung von gerade mal 700 Franken. Trotz aller zusätzlich anfallenden Nebenkosten ist das immer noch deutlich weniger, als man für ein vergleichbares Objekt an Miete zahlen müsste.

Weil viele Menschen so rechnen, steigt die Nachfrage nach Wohneigentum und damit auch dessen Preis. Und zwar in Höhen, die man nur noch als absurd bezeichnen kann. In Riehen etwa gelangen derzeit 80-Quadratmeter-Wohnungen für über 700 000 Franken auf den Markt – und finden Käufer.

Zu wenige Anlagemöglichkeiten

Was ist los? Ganz einfach: Die Grenzen des Wachstums werden auch in der Finanzwirtschaft sichtbar, nicht nur in der Endlichkeit natürlicher und räumlicher Ressourcen. Auch die Anlagemöglichkeiten für immer grösser werdende Kapitalbestände sind begrenzt, zumindest dann, wenn auch die Sicherheit der Anlage eine Rolle spielt.

Die Finanzverwalter von Pensions­kassen können davon ein Trauerlied singen. Die zur Sicherung gegenwärtiger und zukünftiger Altersrenten notwendigen Renditen von 4,5 bis 5 Prozent sind seit einigen Jahren mit sicheren Anlagen schlichtweg nicht mehr zu erzielen. Deshalb die Diskussion um die Senkung des technischen Zinssatzes und des Umwandlungssatzes: Das heute und in Zukunft angesparte Kapital reicht einfach nicht, um die Renten in der versprochenen Höhe auf Lebenszeit zu zahlen, weil die Wirtschaft, welche die dazu nötigen Renditen erwirtschaften sollte, dies nicht bewerkstelligen kann: Sie wächst nicht mehr schnell genug.

Was schon Marx wusste

Das Phänomen ist nicht neu. Schon die Väter der Volkswirtschaftslehre beschrieben es, und Karl Marx fand die treffende Bezeichnung dafür: «Tendenz der sinkenden Profitrate». Auch wenn man das heute moderater als «abnehmenden Grenz­ertrag» bezeichnet, bleibt es das gleiche Problem. Gelöst wird es im Anlagemarkt durch regelmässig auftretende Phasen der Kapitalvernichtung.

Im Immobiliensektor haben wir das in der Schweiz Anfang der 1990er-Jahre erlebt, global 2007 und 2008 mit dem Platzen der amerikanischen Immobilienblase. Und die nächste Immobilienblase wird derzeit gerade kräftig aufgepustet.

Kapitalvernichtung kann die unterschiedlichsten Formen annehmen – von der Firmenpleite und dem Privatkonkurs über den Börsencrash bis hin zum Krieg. Im Unterschied zu den natürlichen Ressourcen lässt sich zerstörtes Kapital allerdings meistens wieder aufbauen – das macht es umso schwieriger, den verantwortlichen Akteuren in diesem fatalen Spiel das Handwerk zu legen.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 11.01.13

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