Die US-Notenbank leitet mit einem kleinen Schritt die lange erwartete Zinswende ein. Bakbasel-Chefökonom Martin Eichler erklärt, warum das die ganze Welt in Aufregung versetzt und was es für uns zu bedeuten hat.
Wie am 16. Dezember bekannt wurde, hebt die US-Notenbank Fed den Leitzins an. Der Entscheid von Fed-Chefin Janet Yellen findet international grosse Beachtung, auch in der Schweiz. Doch was steckt eigentlich dahinter? Warum bewegt ein kleiner Zinsschritt die Welt? Nicht nur absolute Notenbank-Laien stellen sich solche Fragen. Martin Eichler, Chefökonom des Forschungsinstituts Bakbasel gibt Antworten.
Warum ist der Zinsschritt der US-Notenbank eine so grosse Sache?
Alle zehn Jahre tritt eine neue Generation in den Arbeitsmarkt ein. Weil das Fed den amerikanischen Leitzins fast ein Jahrzehnt lang immer wieder gesenkt hat, erlebt jetzt eine ganze Generation zum ersten Mal einen leichten Anstieg des Leitzinses. Daher ist der Zinsschritt ein starker Umbruch in eine neue Welt.
Zwar wurde schon länger mit dem Entscheid des Fed gerechnet, weshalb er keine Unruhe an den Geldmärkten ausgelöst hat. Trotzdem stellt er einen Wendepunkt in der amerikanischen Zinsentwicklung dar.
Bakbasel rechnet aber nicht damit, dass das jetzt zu einer völlig neuen Wirtschaftswelt führt. Die Prognose lautet eher, dass es keine grossen Veränderungen gibt.
Müssen wir jetzt nachziehen? Bestimmen die Amerikaner, was wir machen?
Nein, wir müssen nicht mitziehen. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihre Anleihenkäufe verlängert. In nächster Zeit wird es also in Europa keine Zinserhöhung geben. Das heisst, die EU zieht gerade nicht mit. Die Schweiz orientiert sich aufgrund der geschäftlichen Verflechtungen viel stärker an der EU als an den USA, daher kann man nicht davon ausgehen, dass in der Schweiz eine Zinserhöhung erfolgt.
Man sollte aber das grössere Bild auch nicht aus den Augen verlieren: Der US-Dollar ist für die Weltwirtschaft weiterhin ein wichtiger Parameter. Es besteht sicher kein Zwang, den Leitzins in Europa jetzt zu erhöhen, aber der Dollar bleibt natürlich ein wichtiger Orientierungswert.
Was bedeutet die Zinserhöhung konkret für die Schweiz?
Für die Schweiz bedeutet es, dass Anlagen in den USA attraktiver werden. Auch für die Schweizerische Nationalbank (SNB), der sich so mittelfristig interessante Perspektiven für ihre Anlagestrategie bieten.
Hat also auch der Negativzins der SNB damit ein Ende?
Nein, davon ist nicht auszugehen. Der Entscheid bezüglich der Negativzinsen hängt stärker von der EZB als vom Fed ab. Zudem war die jetzt erfolgte Zinserhöhung des Fed lediglich ein kleiner Schritt um 0,25 Prozentpunkte.
Bekommt da der mittelständische Sparer wieder mal eins aufs Dach, während die Grossanleger weiterhin Börsengewinne und Dividenden einkassieren können?
Aus Sicht einer Amerikanerin oder eines Amerikaners lautet die Antwort: Nein. In den USA werden durch die Erhöhung erstmals die Zinsen für Sparer steigen. Es passiert also genau das Gegenteil.
In der Schweiz hingegen profitieren mittelständische Sparer nicht direkt von diesem Entscheid, Unternehmensanleger, die ihre Geschäfte in den USA abwickeln, hingegen schon.
Ich habe 5000 Franken auf meinem Sparkonto: Wäre es aufgrund steigender Kontokosten (und mangels Zinsen) schlauer, das Geld in den Sparstrumpf zu stecken?
Das lohnt sich nicht. Zurzeit ist es tatsächlich so, dass man kaum Zinsen auf dem Sparkonto erhält. Die Gebühren, die man für das Konto zahlt, beziehen sich aber auf die Abwicklung des Zahlungsverkehrs, und Negativzinsen zahlt man ja bei den meisten Banken nicht.
Zu empfehlen ist bei einem geringen Vermögen sicherlich die Konzentration auf ein einziges Konto. Und der Sparstrumpf birgt natürlich die bekannten Risiken: Die Wohnung kann abbrennen oder der Strumpf wird gestohlen.
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Warum gibt es überhaupt Zinsen? Antwort in der «Spiegel»-Serie «Endlich verständlich – Wie Zinsen die Welt verändern»