Die Schweiz rätselt, wie die USA auf die vom Bundesrat genehmigte Datenlieferung aus der Schweiz reagieren. US-Anwalt Jeff Neiman sagt: «Das wird gar nichts aufhalten.» Neiman muss es wissen: Er war Teil der Untersuchung gegen die UBS und Banker Renzo Gadola, der die BKB in die Bredouille gebracht hat.
Heute steht Jeff Neiman auf der anderen Seite. Wie so viele Berufskollegen hat er die Fronten gewechselt und verteidigt nun jene, die er früher vor sich hergetrieben hat. Neiman ist als Anwalt spezialisiert auf Fälle von Steuerhinterziehung. Als stellvertretender US-Staatsanwalt hatte er sich zuvor das nötige Know-how angeeignet: Neiman war Teil des Teams um Staatsanwalt Kevin Dowing, das gegen die UBS ermittelt und sie dazu gezwungen hat, rund 5000 Kundendossiers von US-Klienten abzuliefern. Neiman war auch in das Verfahren gegen den ehemaligen UBS-Banker Renzo Gadola involviert, der flüchtigen UBS-Kunden gemeinsam mit einem Partner Konten bei der Basler Kantonalbank beschafft hat.
Neiman, der eine führende Rolle im UBS-Verfahren hatte, glaubt nicht, dass sich die zurzeit im Fokus der US-Justiz befindenden 11 Schweizer Institute mit der jüngsten Datenlieferung der Schweiz aus der Affäre ziehen können. Der Bundesrat hatte zuvor ein Ultimatum der USA an die Banken, umfassendes Material über die US-Geschäfte zu liefern, verstreichen lassen. Stattdessen hat er ein erstes Paket mit 20’000 verschlüsselten Daten einer Bank zur Lieferung bereit gestellt. Erst nach einer politischen Lösung, die sämtliche Banken aus der Schusslinie nimmt, ist die Decodierung vorgesehen. Einzelne Banken haben zuvor schon Informationen geliefert, so die Basler Kantonalbank (BKB).
BKB hat anonymiserte Daten verschickt
In der Sprachregelung der BKB liest sich das so: «Tatsache ist, dass die BKB im Rahmen der von den Banken zugesicherten Kooperation Ende letzten Jahres den amerikanischen Behörden einzelne allgemeine Informationen und Unterlagen übermittelt hat. Dabei wurden zum Schutze der Betroffenen identifizierende Angaben hinsichtlich Kunden, Mitarbeitende und andere Beteiligte anonymisiert. Das Bankkundengeheimnis bleibt also gewahrt.»
Neiman bezweifelt, dass codiertes Material die US-Ermittler besänftigt: «Ich glaube nicht, dass die Lieferung verschlüsselter Daten die USA davon abhalten, Schweizer Banken zu belangen. Das wird diese Bemühungen noch nicht mal verlangsamen. Es wird allenfalls als positives Zeichen aufgefasst. Allerdings denke ich nicht, dass verschlüsselte Informationen auch nur annähernd die Forderungen der US-Regierung nach Kundendaten erfüllen.»
Unklar ist in der Schweiz, welche Informationen genau die US-Strafverfolger von den Schweizer Banken verlangen. Medien nannten eine ganze Palette an Info-Material. «Sie wollen Geld und Namen», sagt Neiman. «Sie wollen mehr als die Briten und die Deutschen, nämlich Kundendaten, Schriftverkehr und Kontoauszüge. Sie wollen auch einzelne Banken finanziell direkt verantwortlich machen. Auf weniger als beim UBS-Deal werden sich die USA nicht einlassen.»
Wieviel muss die Schweiz zahlen?
Diskutiert wird auch die mögliche Entschädigung, die die Schweizer Finanzbranche an die USA im Rahmen einer möglichen Beilegung des Steuerstreits leisten muss. In der Schweiz kursiert die Summe von 10 Milliarden Dollar. Martin Naville, Chef der schweizerisch-amerikanischen Handelskammer und mangels Alternativen Experte für die US-Innensicht, hält diese Summe für zu hoch gegriffen. Neiman hält eine so hohe Forderung für möglich: «Der Kongress schätzt die jährlichen Verluste durch Offshore-Steuerhinterziehung auf 100 Milliarden Dollar im Jahr. 10 Milliarden sind nur 10 Prozent davon.
Auf das Risiko der BKB als nächstes mögliches Ziel angesprochen, sagt Neiman ausweichend, er halte es für schwierig, eine Schweizer Bank anzuklagen. Einen Tag nach dem Interview war es dann allerdings so weit: Die USA erhoben Anklage gegen die St. Galler Privatbank Wegelin. Im Gadola-Fall hatte sich der Anwalt vertieft mit der BKB auseinandergesetzt. «Ich glaube, die USA werden eine Klage gegen eine Schweizer Bank nur dann anstrengen, wenn sie der Bank eindeutiges, vorsätzliches Fehlverhalten nachweisen können und die Bank weder Einsicht noch Bereitschaft zur Kooperation zeigt.» Die BKB bestreitet aktives Vorgehen.
«Ich kam mir vor wie in einem James Bond Film»
Wie Jeff Neiman als US-Ermittler die Jagd auf die UBS erlebt hat, beschreibt er eindrücklich auf dem Blog Federal Tax Crimes, einer Plattform für Steuerrechtsexperten: «Zeitweise kam ich mir vor wie in einem James Bond Film. Wir hatten so viel Spass die ganze Zeit. Einer der besten Momente war, als wir uns die Festplatte mit den UBS-Kundendaten nach dem Staatsvertrag mit der Schweiz beschafft haben. Der Verbindungsmann empfing uns vor dem Aussenministerium, er war gerade aus der Schweiz zurückgekommen. Er drückte uns die Festplatte und ein paar Schweizer Zeitungen in die Hand. Ich spreche kein Wort Deutsch, aber die Schlagzeilen machten klar, dass der Fall ein Gefühl von Panik in den Strassen der Schweiz verbreitet hat. Es war kein Fall von Terrorismus-Finanzierung, der das Bankgeheimnis geritzt hat. Es war ein reines Steuervergehen.»