Wieviel «Swissness» muss in einem Produkt drin sein, damit «Swiss made» drauf stehen darf? Um diese Frage streiten sich Fabrikanten und Verbände – und am 15. März auch die Abgeordneten der Räte in Bern.
Bei den Kartoffeln ist es einfach: Sie kommen entweder aus der Schweiz – oder aus dem Ausland, aus Italien, aus Ägypten oder gar aus China. Und wo auf dem Kartoffelsack «Swiss made» drauf steht, kann der Konsument sicher sein, dass zu 100 Prozent Schweizer Kartoffeln drin sind.
Doch schon beim «verarbeiteten Produkt» namens «Stocki» wird es komplizierter. Und bei den Uhren erst recht.
«Swiss Made» ist Gold wert
Fest steht jedoch: Wenn auf einem Produkt «Swiss Made» drauf steht, dann sind die Konsumenten hierzulande und weltweit sofort bereit mehr dafür zu zahlen. Bei den Uhren mache das bis zu 25 Prozent aus, betonten Vertreter der Gewerkschaft Unia und des Verbandes der Schweizerischen Uhrenindustrie FH gestern in Bern. Darum pochen sie auf «wirksamen gesetzlichen Schutz der Marke Schweiz».
Denn heute würden «legal Swiss-made-Uhren verkauft, die einen Schweizer Wertanteil von nicht einmal 20 Prozent enthalten». Solche «Täuschung der Konsumenten» und «Missbräuche» kämen vorab aus China, das inzwischen 600 Millionen Uhren pro Jahr exportiere.
60 oder nur 50 Prozent?
Die Schweiz exportiert nur 30 Millionen Uhren jährlich. Doch die Branche ist mit 50 000 Beschäftigten der wichtigste Exportsektor des Landes. Sie nahm letztes Jahr fast 20 Milliarden Franken ein. Das Siegel «Swiss made» schlug so nur schon im Uhrenmarkt mit mehreren Milliarden zu Buche. Die FH fordert darum jetzt, dass eine Uhr «mehrheitlich» aus der Schweiz kommen muss, wenn sie sich mit dem Prädikat «Swiss made» schmücken will.
Konkret fordert der Verband: «60 Prozent Schweizer Wertanteil» als Limite. Das will auch der Bundesrat: Am 15. März kommt seine «Swissness-Vorlage» in den Nationalrat. Sie besteht aus dem «Markenschutzgesetz» und dem «Bundesgesetz über den Schutz des Schweizerwappens». Ziel der Übung sei, «dass der Wert der ‘Marke Schweiz’ auch für die Zukunft erhalten» bleibt, schreiben die Landesregierung und die nationalrätliche Rechtskommission (RK), welche die Vorlage vorbereitet. In «verarbeiteten Naturprodukten» (wie Stocki) sollen «mindestens 80 Prozent des Gewichts der Rohstoffe aus der Schweiz stammen». Und die Limite für Industrieprodukte wollen sie nun eben bei 60 Prozent ansetzen.
Zahlenstreit quer durch die Parteien
Diese Zahl ist jedoch stark umstritten: Eine Minderheit, der RK, die vorwiegend aus SVP-Leuten aber auch aus dem Zürcher Rechtsprofessor und SP-Nationalrat Daniel Jositsch besteht, hält 50 % für ausreichend. Für diesen auch international üblichen, tieferen Wert engagiert sich ausserhalb des Parlaments eine «IG Swiss made», der auch Uhrenfabrikanten, wie etwa Ronnie Bernheim von Mondaine-Watch angehören. Sie befürchten, mit den strengeren 60% würden «Tausende von Arbeitsplätzen in der Schweizer Uhrenindustrie gefährdet und die Qualität von Uhren des tieferen und mittleren Preissegments schlechter».
Schützenhilfe erhalten die Gegner der 60-Prozent-Limite vom Gewerbeverband. Nicht aber von Economiesuisse. Nicht mehr: Der Dachverband der Wirtschaft hatte noch bis am 4. November 2011 vor den 60 Prozent gewarnt – und 50 gefordert. Am 30. November aber teil er plötzlich mit, 60 Prozent Swissness-Anteil seien in Industrieprodukten ein Minimum. Nur eine Minderheit sei für 50.
Die Macht der Liebe
Kenner der Verhältnisse vermuten, ein Grund für diesen Schwenker sei die Liebe: Präsident bei Economiesuisse ist der ehemalige FDP-Nationalrat Gerold Bührer. Seine Verlobte, die frühere Berner SVP-Regierungsrätin Elisabeth Zölch präsidiert die Arbeitgeberorganisation der Uhrenindustrie «Convention Patronal (CP)» – eine Filiale der FH sozusagen. Bald schon werden die Hochzeitsglocken läuten. Und nur wegen 10 Prozent mehr oder weniger Swisseness in der Turmuhr soll der Haussegen in dieser Ehe nicht von Anfang an schon schief hängen.