Der Abschluss eines ganz speziellen Blicks auf Basel

Ein halbes Jahr lang streiften Studierende der Universität Basel durch die Stadt. Sie nahmen Hot Spots und vergessene Quartiere unter die Lupe, haben die Ränder der Stadt erforscht, um dann wieder in den geschäftigen Kern zurückzukehren. Entstanden ist ein facettenreiches Mosaik. Ein paar abschliessende Bemerkungen aus Sicht der Projektleiterin. «Mit dem Herumlaufen allein ist es […]

Die Stadt am Wasser: Blick auf Basel, rheinaufwärts von der Dreirosenbrücke aus.

Ein halbes Jahr lang streiften Studierende der Universität Basel durch die Stadt. Sie nahmen Hot Spots und vergessene Quartiere unter die Lupe, haben die Ränder der Stadt erforscht, um dann wieder in den geschäftigen Kern zurückzukehren. Entstanden ist ein facettenreiches Mosaik. Ein paar abschliessende Bemerkungen aus Sicht der Projektleiterin.

«Mit dem Herumlaufen allein ist es nicht getan. Ich muss eine Art Heimatkunde betreiben, mich um die Vergangenheit und Zukunft dieser Stadt kümmern, dieser Stadt, die immer unterwegs, immer im Begriff, anders zu werden, ist. Deshalb ist sie wohl auch so schwer zu entdecken, besonders für einen, der hier zu Hause ist… Ich will mit der Zukunft anfangen.» Das Zitat betrifft weder das Jahr 2014 noch Basel. Es stammt von Franz Hessel, ist 1929 notiert worden und bezieht sich auf die pulsierende Grossstadt Berlin, diese auf Sand gebaute Metropole, die nie zur Ruhe kommt.

Hessels Programm, das er, der berühmte Flaneur, in wenigen Zeilen entwirft, trifft aber ziemlich genau das, was wir in den letzten Monaten gemacht haben: Basel genau unter die Lupe nehmen, in die Peripherie(n) vordringen, uns vorstellen und darüber diskutieren, wie die Zukunft dieser Stadt am Rhein aussehen könnte. Wo liegen die «Hot Spots», wo die vergessenen Quartiere?

Wir haben uns sowohl zu den Brennpunkten der Entwicklung vorgewagt (Erlenmatt, Dreispitz, Hafenareal) wie auch Erstaunliches beobachtet in den Aussenquartieren (Gotthelf, Breite, der Wiese und der Birsig folgend, in den Schorenmatten, entlang der Grenze zu Frankreich und viele mehr). Entstanden ist so ein facettenreiches Mosaik aus Bildern, Texten, Vorschlägen und Kritikpunkten – zur gegenwärtigen Lage und künftigen Entwicklung unserer Stadt.

Enthusiasmus, Kompetenz, Engagement: Danke!

Ein ganz herzliches Dankeschön von meiner Seite geht an die beteiligten Studierenden, die sich mit viel Engagement und Enthusiasmus in dieses Projekt gestürzt und weit mehr geleistet haben, als es im Rahmen eines Seminars üblich ist. Sie sind nicht vor weiten Wegen zurückgeschreckt, haben zuweilen in Eiseskälte durchgehalten und noch über das Semesterende hinaus recherchiert und geschrieben. Die Lebendigkeit des Blogs ist ihnen zu verdanken.

Im Gegenzug haben sie viel über Basel gelernt und viel über das Funktionieren von Online-Journalismus. Manche mussten Kritik einstecken, andere sind gelobt worden. Manche der Kommentare aus der TagesWoche-Community waren, nun, ja, etwas harsch im Ton, andere schienen ernsthaft darum bemüht, die Studierenden zu unterstützen, um ein besseres Rechercheresultat zu erzielen. Wichtig war in beiden Fällen: Da wird tatsächliche gelesen, was man schreibt, es gibt Reaktionen, ein Echo, es lässt sich eine Diskussion anschieben. Das sind Erfahrungen, die sonst wenig Platz im Uni-Alltag haben.

Ein grosser Dank geht auch an unsere Experten und Expertinnen, die uns spannende Vorträge geboten, uns mit viel Zeitaufwand durch die Stadt geführt und die Berichte vor der Veröffentlichung konstruktiv kommentiert haben: Martin Jann, Geschäftsführer der IBA2020 bis Ende 2013, Thomas Waltert vom Bau- und Verkehrsdepartement Basel-Stadt, Raphael Schicker von der Stiftung Habitat, Monika Wirth und Jonathan Koellreuter von der Christoph Merian Stiftung, Christian Stauffenegger und Mathis Müller von der Stadtbildkommission, Jürgen Mischke von der Universität Basel (Forschungsprojekt Orts- und Flurnamenbuch Basel-Stadt).

Schliesslich: Ohne die unermüdliche Unterstützung der TagesWoche-Redaktion wäre das Projekt so nicht denkbar gewesen. Ein vielfaches Danke an Dani Winter (unvergesslich der knapp zweistündige Crashkurs im Online-Journalismus!) und Amir Mustedanagić (der mit ein paar Profihandgriffen alle unsere Beiträge verschönert, verbessert und online gestellt hat)!

Das Thema Stadtentwicklung bleibt in den Köpfen

Von einigen Studierenden weiss ich, dass das Thema der Stadtentwicklung, Stadtentdeckung nicht so rasch aus ihren Köpfen herauszukriegen sein wird: Sie werden sich weiter mit diesen Themen befassen, sei es beim Fotografieren (www.oliverhochstrasser.com), beim Betreiben des Caffè Bologna (Annina Brunner) im ehemaligen Milchhüsli an der Missionsstrasse als Mikromassnahme, die tatsächlich dazu beitragen könnte, das Iselinquartier «wachzuküssen», oder beim Präsentieren und Kommentieren von Lucius Burckhardts Gedanken zur Spaziergangswissenschaft und Stadtplanung (Reto Bürgin hat mitgearbeitet am demnächst erscheinenden Band «Raum und Macht. Die Stadt zwischen Vision und Wirklichkeit Leben und Wirken von Lucius und Annemarie Burckhardt»). Ausserdem hat er das Online-Projekt www.stadtgeschichten.ch auf die Beine gestellt, eine «Plattform für spannende Geschichten und kreative Fotodokumentationen in und um die Stadt Basel».

«In der Stadt sesshaft werden durch die Lust der Augen»

Was bleibt sonst? Unsere Beiträge im Blog der TagesWoche. Und natürlich die Hoffnung, dass Sie, liebe Leserinnen, liebe Leser, Lust aufs Flanieren bekommen haben. Die vor der Tür stehende Frühlingssaison verlockt ja ganz besonders dazu. Entdecken Sie unsere Stadt, auch in ihren verborgenen Winkeln. Es lohnt sich.

Das kleine Basel, diese «Weltstadt im Taschenformat» (Spiegel) wird dann mit einem Mal erstaunlich gross und fast unerschöpflich. Flanieren hat dabei nichts mit Teilnahmelosigkeit zu tun, wie unser Blog zeigt. Im Gegenteil: Im und beim Durchstreifen des urbanen Raums entwickeln sich ebenso kritische wie konstruktive Gedanken.

Oder wie der deutsche Autor Wilfried F. Schoeller es so schön ausdrückt: «Der Flaneur war der letzte Städtedeuter. Über Strassen und Plätze, in die vergessenen Winkel streifte dieser Voyeur und zog ein unsichtbares Netz aus Blicken. Flanieren als Lesen von Bedeutungen, die sich zusammenfügen. Am Bordstein, auf dem Gehweg, bei der Promenade machte er dieses Angebot: in der Stadt sesshaft zu werden durch die Lust der Augen.»

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