Vor wenigen Wochen hat das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) seinen Jahresbericht für Kolumbien vorgelegt. Die Anbauflächen von Koka und Marihuana stagnierten während des vergangenen Jahres – illegale Goldminen dagegen haben Konjunktur und werden zunehmend von Drogenkartellen betrieben. Für die Umwelt des südamerikanischen Landes bedeutet der Goldboom eine Katastrophe.
Darío Ramirez’ Geschichte ist ebenso bewegt wie diejenige seines Landes. Kaum volljährig geworden, hatte sich der heute 34-jährige Kolumbianer von der Armee rekrutieren lassen. Nach sieben Jahren schied er aus dem Militärdienst aus. Ein Gefecht mit der linksgerichteten Farc-Guerilla hatte er nur schwer verletzt überlebt und war deshalb aus gesundheitlichen Gründen für dienstuntauglich erklärt worden.
Zwar beendete Darío seine Militärlaufbahn vorzeitig, sein Wissen im Umgang mit Waffen jedoch ermöglichte ihm auch danach ein sicheres Einkommen. Nach seiner Genesung schloss er sich im Jahr 2005 dem paramilitärischen Drogenkartell Bloque Mineros an. Jahrelang war er für die Sicherheit von Ramiro «Cuco» Vanoy zuständig, dem Capo des Kartells. Darüber hinaus organisierte er den Transport von Kokain und Marihuana in privaten Kleinflugzeugen nach Mexiko. Vanoys Geschäftspartner war der mexikanische Drogendealer Alejandro Bernal Madrigal.
Um in das Friedens- und Resozialisierungsprogramm «Justicia y Paz – Gerechtigkeit und Frieden» aufgenommen zu werden, stellte sich «Cuco» Vanoy vor acht Jahren der kolumbianischen Justiz. Die US-Regierung beantragte jedoch seine Auslieferung, und nur zwei Jahre später wurde er wegen Drogenhandels und Geldwäsche von dem für Südflorida zuständigen Gericht zu einer Haftstrafe von 24 Jahren verurteilt.
Die tiefen Andentäler bergen nicht nur Kokaplantagen, sondern auch einige der grössten Goldvorkommen Südamerikas.
Für Darío Ramirez hingegen bedeutete die Zeit an der Seite des kolumbianischen Drogenhändlers so etwas wie ein Empfehlungsschreiben – nur wenige Wochen, nachdem sich sein Chef freiwillig der Justiz ausgeliefert hatte, schloss er sich dem Drogenkartell Los Urabeños an.
Im Norden des Bundeslandes Antioquia hatte Darío Ramirez jahrelang Drogenplantagen und Laboratorien im Auftrag von «Cuco» Vanoy kontrolliert. Die Region zwischen Medellin und der Grenze zu Panama kennt er deshalb wie seine Westentasche. Die tiefen Andentäler und die unzugänglichen Urwaldregionen – wegen ihrer klimatischen Bedingungen und ihrer Abgeschiedenheit geradezu prädestiniert für den Drogenhandel – bergen aber nicht nur Kokaplantagen, sondern auch einige der grössten Goldvorkommen Südamerikas. Und genau dafür begannen sich Kolumbiens Drogenkartelle ab Mitte des vergangenen Jahrzehnts zu interessieren.
Kolumbiens Drogenkartelle profitieren von der Wirtschaftskrise
«Im Gegensatz zum Drogenhandel gibt es in der Regel für den Betrieb einer illegalen Goldmine noch nicht einmal eine Haftstrafe», weiss Juan Felipe Garcia. Seit Jahren untersucht der Rechtswissenschaftler die Verstrickungen kolumbianischer Drogenkartelle in den Handel mit dem Edelmetall. Goldsuchern, die im Bundesland Chocó mit einfachsten Mitteln nach Gold schürften und von Drogengangs von ihrem Land vertrieben wurden, hilft er, ihre Rechtsansprüche geltend zu machen.
«Die Wirtschaftskrise, die vor fünf oder sechs Jahren sowohl die USA als auch Europa gebeutelt hat, verursachte an den internationalen Edelmetallbörsen einen regelrechten Goldboom. Die Preise sind über Nacht angestiegen und haben den Goldhandel für Drogenkartelle erst rentabel gemacht», erklärt der Jurist der Javeriana-Universität.
Darío Ramirez verwaltet eine Mine ausserhalb des Dorfes Tarazá. «Wir schürfen hier an guten Tagen Gold im Wert von bis zu 80’000 Franken», erklärt er. Bis vor wenigen Jahren war die Region um Tarazá bekannt für ihre zahlreichen Drogenplantagen.
Das hat sich neuerdings geändert. Wo früher per Hand grossflächig Berghänge gerodet wurden, um Koka- oder Marihuanapflanzen anzubauen, arbeiten heute industrielle Schaufelbagger und Planierraupen.
Die hohen Gewinne aus dem Drogenhandel erleichtern den Kartellen den Einstieg in den illegalen Goldabbau.
«Von den hohen Goldpreisen profitieren hauptsächlich die Drogenkartelle. In geologische Untersuchungen, aufgrund derer sie dann anschliessend Schürflizenzen beantragen würden, investieren sie erst gar nicht. Stattdessen bauen sie ohne Genehmigung Gold in abgelegenen Bergtälern ab, wo Polizei oder Heer nur schwer oder gar nicht hinkommen», sagt Juan Felipe Garcia.
Die extrem hohen Gewinne aus dem Drogenhandel erleichtern den Kartellen den Einstieg in den illegalen Goldabbau. Während Kleinschürfer kaum in teure Maschinen und Gerätschaften investieren können, die den Goldabbau erst rentabel machen, dürfte der Kauf eines Baggers für einen Drogencapo keine finanzielle Herausforderung darstellen.
Laut einem Bericht der kolumbianischen Menschenrechtsorganisation Defensoría del Pueblo wurden vergangenes Jahr alleine im Norden des Bundeslandes Antioquia mehr als 90 Schaufelbagger und Planierraupen in illegalen Goldminen gezählt. Geschätzter Wert der Geräte, die dem Bericht zufolge dem Drogenkartell Los Urabeños gehören: mindestens 5,5 Millionen Franken.
Geldwäsche mitmilfe des abgebauten Goldes
Drogen werden nur noch in zehn von insgesamt 32 kolumbianischen Bundesländern angebaut, illegale Goldminen hingegen finden sich beinahe übers gesamte Land verteilt. In 22 Bundesländern wurden während des letzten Jahres illegale Abbaugebiete registriert, so der kürzlich veröffentlichte Jahresbericht des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC).
Interessant ist, dass insbesondere die Grenzregionen des südamerikanischen Landes vom illegalen Goldabbau betroffen sind. Juan Felipe Garcia kennt den Grund. «Die Drogenkartelle benützen den Goldabbau nicht nur zur Produktion des Edelmetalls, sondern auch zur Geldwäsche.
Sie kaufen mit dem aus einem Drogengeschäft erzielten Gewinn Rohgold in einem der Nachbarländer, führen es anschliessend – ohne es zu verzollen – ins Land ein und verkaufen es an einen lokalen Goldhändler, der es direkt in der Mine erwirbt», berichtet Garcia.
«Der Aufkäufer schöpft keinen Verdacht, da er ja nicht wissen kann, wo das Gold geschürft wurde. Wichtig ist für das Kartell nur, dass der Verkauf dokumentiert wird und der daraus erzielte Betrag anschliessend legal ist», fährt der Rechtswissenschaftler fort.
Goldboom verursacht Umweltschäden
Während das illegale Goldgeschäft für Darío Ramirez während der vergangenen Jahre ausgesprochen lukrativ war, hatte der Goldboom gerade für die Umwelt seiner Heimatregion verheerende Konsequenzen. Eine erst vergangenes Jahr von der University of Oxford veröffentlichte Studie kommt zu dem Schluss, dass das kolumbianische Bundesland Antioquia weltweit die Gegend mit der höchsten Pro-Kopf-Quecksilberkontamination ist.
«Heutzutage wird Quecksilber fast nur noch im Goldabbau verwendet, und gerade illegale Minen verwenden es vollkommen unkontrolliert. Gelangt es über das Wasser in unsere Nahrungsmittelkette, dann kann es zu irreparablen Schäden führen», erklärt Diego Paredes. Der Leiter der Forschungsabteilung für Wasserversorgung der umweltwissenschaftlichen Fakultät der Universität Pereira weiss, dass 70% aller illegalen kolumbianischen Goldminen in Antioquia operieren.
Strafrechtliche Konsequenzen für Umweltschäden sind so gut wie gar nicht bekannt.
Da Kolumbien laut einer von der NGO Mercury Watch veröffentlichten Untersuchung mit 180 Tonnen jährlicher Quecksilberbelastung weltweit die zweitgrösste Kontaminationsrate nach China hat, liegt die Vermutung nahe, die extrem hohe Quecksilberverschmutzung in der Heimatregion Darío Ramirez’ könne mit illegalem Goldabbau zusammenhängen.
Zumindest gegenwärtig ist ein Ende des Goldbooms in Kolumbien kaum vorstellbar. «Ich habe mittlerweile genügend Geld angespart, um innerhalb der nächsten sechs Monate eine eigene Mine eröffnen zu können. Rund 240’000 Franken benötige ich für den Kauf der notwendigen Maschinen und eines Stromaggregats, und diesen Betrag habe ich bereits», sagt Darío Ramirez.
Sofern die Goldpreise an den internationalen Edelmetallbörsen nicht fallen, kann er seiner Zukunft optimistisch entgegenblicken. Dem Drogenhandel würde er sich nur ungern wieder widmen, da die damit verbundenen Haftstrafen mittlerweile selbst in Kolumbien ausgesprochen abschreckend sind.
Strafrechtliche Konsequenzen für verursachte Umweltschäden hingegen sind in dem südamerikanischen Land so gut wie gar nicht bekannt.