Sie geben in diesem Sommer gleich zwei Konzerte in der Schweiz: Goldfrapp aus England. Vor 14 Jahren haben sie sich mit ihrem Debütalbum «Felt Mountain» in unsere Herzen gespielt.
Das neue Jahrtausend begann mit vielen Nullen – und das nicht nur in der Computerbranche, sondern auch im Pop. House mutierte zum Mainstream, der Trip-Hop hatte letzte Zuckungen, und von Rock sprachen nur Nostalgiker.
«Was gibts Neues?», fragte man sich. Und rieb sich erfreut die Ohren, als einem dieses wunderbare Debütalbum in die Hände geriet: «Felt Mountain» von Goldfrapp. Eine unbekannte britische Gruppe lud damit zur Wanderung durch Klanglandschaften, die nicht von dieser Welt schienen.
Von weit her grüsste die Experimentierfreude von David Bowie und Brian Eno, welche diese im Ambientklassiker «Low» (1977) perfektioniert hatten. Unüberhörbar aber war auch der Einfluss italienischer Filmmusikkomponisten wie Ennio Morricone («Spiel mir das Lied vom Tod») oder Nino Rota.
Morricone hiess in diesem Fall Will Gregory und hatte nach Session-Gigs als Saxofonist (in den 80ern u.a. für Tears for Fears) tatsächlich Erfahrungen als Filmmusik-Komponist gesammelt, ehe er zusammen mit der säuselnden Sängerin Alison Goldfrapp ein Pop-Projekt startete.
Gregory kam aus Bristol, der Stadt, in der Portishead und Massive Attack den Trip-Hop geformt hatten – und wo Alison Goldfrapp ihre Gesangskarriere vorantrieb. Mit ihrer distinktiven Sopranstimme vermochte sie an die fünf Oktaven abzudecken – und zu beeindrucken, etwa auf Trickys Song «Pumpkin’». Das fiel auch Gregory auf. Er animierte sie zu Feenjodeln, die – so paradox das klingen mag – zugleich ein Gefühl der Utopie und der Nostalgie vermittelten.
«Utopia» stand am Ende für eines der poppigeren Stücke, die sich auf «Felt Mountain» fanden. Das Album betörte aber als Ganzes, wurden hier doch vom ersten Ton an schwerelose Gefühle vermittelt, was zum Abdriften durch Zeit und Raum lud. Traumhaft.
«Felt Mountain» war ein perfekt arrangiertes, orchestriertes Debüt, dermassen formvollendet, dass Goldfrapp trotz ihrer Entwicklungen in den darauffolgenden Jahren nie mehr ganz daran anknüpfen konnten.
Geradezu perfekt, wie die ausgeklügelten Sounds und herrlichen Arrangements ineinandergriffen, wie die Streicher, Synthies und Thereminklänge hypnotisierten, getragen von sanften Grooves und herrlichen Gesängen. Es erstaunt nicht, dass Goldfrapp ausgebildete Malerin ist: Gregory lieferte ihr die Leinwand, sie setzte die Farbtupfer. Sang, wisperte, seufzte und schleuste ihre Stimme durch Effektgeräte, dass es eine helle Freude war – und noch immer ist. Nicht überraschend, dass Kate Bush für sie ein Kindheitsidol war. Die entrückten Gesänge und der eklektische Easy Listening sorgten für eine Magie, die auch heute noch beim Anhören greifbar nah ist. Ein modernes Meisterwerk.
Goldfrapp kann man selten live erleben, jetzt ergeben sich gleich zwei Möglichkeiten in der Schweiz: Am 24. Juli treten sie am Blue Balls Festival in Luzern auf. Zuvor schon, am 9. Juli, spielen Goldfrapp in Montreux. Wer Zeit (und Geld) hat, kann gleich am Lac Léman verweilen, stehen tags darauf doch die Bristoler Trip-Hop-Pioniere Massive Attack auf der Affiche.
Damit nicht genug: Am 13. Juli treten Archive, und am 18. Juli Morcheeba in Montreux auf – beide Formationen haben mit ihren Debütalben in den 1990er-Jahren mit ihren langsamen Rhyhtmen und ihren spacigen Sounds den Trip-Hop mitgestaltet.