Thomas Müller scheint auf der WM-Bühne noch eine Klasse besser zu funktionieren als beim FC Bayern. Selbst Bundestrainer Joachim Löw ist manchmal von der «unorthodoxe Spielweise» überrascht.
«Wahnsinn», «Weltklasse» und für die Gegner «eklig». Mit seinen Weltmeisterschaftstoren sechs bis acht präsentierte sich Thomas Müller gleich zum Turnierstart als WM-Gigant. «Bei Weltmeisterschaften läuft es bisher nicht schlecht für mich. Ich gehe aber nicht davon aus, dass ich im nächsten Spiel wieder drei Tore machen werde», sagte Müller nach der Gala-Vorstellung im 50. Länderspiel und fügte flott an, «aber ich werde es versuchen.»
Nie zuvor in der Historie konnte ein Torschützenkönig seinen Titel verteidigen; Müller hat durch den Dreierpack beim 4:0 (3:0) gegen Portugal in Salvador zumindest eine glänzende Ausgangsposition dafür geschaffen. Acht Tore und drei Assists in insgesamt sieben WM-Spielen sind allemal eine traumhafte Ausbeute. Wofür andere Nationen Lionel Messi, Neymar, Karim Benzema, Arjen Robben, Mario Balotelli oder Robin van Persie haben, steht in Deutschland Müller.
Der verwundert mit seinen Auftritten hin und wieder selbst den Bundestrainer. «Thomas hat irgendwie eine ganz unorthodoxe Spielweise. Man weiss als Trainer manchmal nicht, welche Wege er geht», beschrieb es Joachim Löw. «Er hat einfach nur einen Gedanken im Kopf, wie kann ich am Ende ein Tor erzielen. Das macht ihn so gefährlich. Seine Torgefahr und sein Näschen für Situationen sind schon besonders ausgeprägt.»
«Thomas hat einfach nur einen Gedanken im Kopf, wie kann ich am Ende ein Tor erzielen. Das macht ihn so gefährlich.»
Ein klassischer Stürmer ist Müller, der mit seinen dünnen Beinen viele Kilometer im Dienst der Mannschaft abspult, allerdings nicht. Als freiheitsliebender Raumdeuter lässt sich der Bayern-Profi in kein Schema pressen. Die Diskussion um die «falsche Neun» belustigte den Münchner Meisterprofi daher erst recht schon. «Viele sprechen von einer falschen Neun und wissen nicht, was das heisst. Wir haben Bewegungsstürmer», erklärte Müller und fasste sich beim Jobprofil für seinen Posten kurz. «Ich bin ein Stürmer, der Tore schiessen will.»
Das macht er zuverlässig, in Verein und Nationalteam. «Thomas ist nicht nur bei Weltmeisterschaften, sondern auch in vielen anderen Spielen bei Bayern immer derjenige, der ein Näschen hat, der dahin geht, wo die grösste Gefahr für den Gegner herrscht», erklärte Löw. Wer weiss das besser, als Müllers Bayern-Kollegen. «Er hat den richtigen Riecher und er hat auch den Willen und Ehrgeiz vor dem Tor. Das zeichnet ihn aus und da ist es egal, ob er jetzt Rechtsaussen, Linksaussen, in der Mitte steht oder irgendwie als hängende Spitze», sagte Torhüter Manuel Neuer und wies auf die schwierige Aufgabe für die gegnerische Defensive hin. «Er ist eigentlich ein ekliger Spieler. Das weiss man – und das schätzen wir auch an ihm.»
«Wollte gegen Pepe nichts provozieren»
Die Tätlichkeit von Pepe, der nach einem hartnäckigen Einsatz von Müller die Nerven verloren hatte, in der 37. Minute war ein Beispiel dafür. Wenngleich der Bayer beteuerte, dass er «auf keinen Fall etwas provozieren oder schinden» wollte. Wichtiger waren ohnehin seine Tore. Beim Elfmetertor zum 1:0 präsentierte er sich eiskalt. Bei den Treffern zum 3:0 und 4:0 war er mit seinem Torriecher zur Stelle.
Müller ist nach Edmund Conen (1934), Max Morlock (1954), Gerd Müller (1970), Karl-Heinz Rummenigge (1982) und Miroslav Klose (2002) erst der sechste deutsche Nationalspieler, dem ein Hattrick bei einer WM glückte. In der deutschen WM-Rangliste zog Müller mit Rudi Völler gleich. «Wir sind hier, um Weltmeister zu werden. Und nicht, um persönliche Rekorde zu knacken», betonte der zum Mann des Spiels gekürte Torjäger.
Transfer kein Thema mehr
«Das war einfach Weltklasse vom Thomas», lobte Vereinskollege Jérome Boateng und scherzte über den nie um einen lockeren Spruch verlegenen Müller. «Man ist für Gegner schwer zu greifen, wenn man so dünn ist. Man weiss ja nicht, wo da der Muskel anfängt.» Für Müllers oberbayerischen Kumpel Bastian Schweinsteiger war der Matchwinner am Montag «einfach der Wahnsinn».
Auf über 40 Millionen Euro wird derzeit Müllers Marktwert beziffert, er sollte mit weiteren Topleistungen steigen. Beim FC Bayern dürften die Bosse froh sein, dass sie mit der «Identifikationsfigur» noch vor dem WM-Anpfiff bis 2019 verlängert haben. Als Spekulationsobjekt taugt Müller daher in Brasilien nicht mehr – höchstens wenn man über die Torausbeute für die nächsten Spiele diskutieren will.
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Die Kanzlerin zu Besuch in der Kabine der Deutschen. Mehr zur Gruppe G und zur WM in unserem Dossier.