«Wir müssen weg vom Müesli-Image»

Die Modedesignerin und Professorin Friederike von Wedel-Parlow lehrt Modestudenten, wie man umweltfreundliche und faire Mode produziert. Doch Hippie-Kleider und Wollpullover aus dem Ökoladen entsprechen nicht ihrem Stil. Ein Interview.

«Ein schönes Kleidungsstück macht glücklich». Friederike von Wedel-Parlow.

Die Modedesignerin und Professorin Friederike von Wedel-Parlow lehrt Modestudenten, wie man umweltfreundliche und faire Mode produziert. Doch Hippie-Kleider und Wollpullover aus dem Ökoladen entsprechen nicht ihrem Stil. Ein Interview.

Heute eröffnet die Ausstellung «Next Generation» der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW. Absolventinnen und Absolventen aus Industriedesign, Innenarchitektur oder Mode-Design zeigen ihre Abschlussarbeiten. Am Sonntag hält die Berliner Designerin und Professorin Friederike von Wedel-Parlow einen Vortrag über die Zukunft der Mode. Wir haben vorher mit ihr telefoniert und über nachhaltige Mode geredet.

Friederike von Wedel-Parlow, Sie lehren «nachhaltige Mode». Wenn ich das höre, denke ich an gelbe Hippiekleider und bunte Wollpullover aus dem Ökoladen.

Ja, nachhaltige Mode kling furchtbar langweilig, wir müssen weg vom Müesli-Image. Ich rede lieber über Qualität, über Kleidungsstücke, die es wert sind, gemacht zu werden. Das Leben ist schön, die Frage ist: Wie wollen wir es gestalten? Und auf wessen Kosten? Das betrifft nicht nur Öko-Freaks.

Zur Person
Friederike von Wedel-Parlow (45) ist Modedesignerin. Sie hat den Studiengang «Sustainability in Fashion» (Nachhaltigkeit in der Mode) an der privaten Kunsthochschule für Mode ESMOD Berlin aufgebaut und berät mit ihrer neuen Firma «Beneficial Design Institute» Modeunternehmen in Sachen Nachhaltigkeit, Qualität, Innovation und Ästhetik.

Interessieren sich Modefreaks dafür, wie es der Umwelt oder den Näherinnen in Bangladesch geht?

Wir sind noch nicht dort, wo wir sein wollen. Es ist wie mit dem Slow Food: Heute essen nicht nur Vegetarier Bio, sondern die breite Masse. Sogar Aldi wirbt mit dem Slogan «Ein Bio-Ei ist kein Luxus». In der Mode kommt das auch. Deutsche Modelabels wie Armedangels oder Wunderwerk finden Öko heute schon hip und cool. Oder die Schweizer Firma Freitag ist auch ein tolles Beispiel für nachhaltiges Design, das ästhetisch sehr gelungen ist.

Freitag macht Taschen oder Portemonnaies aus alten Lastwagenplanen.

Ja, das ist ein guter Anfang, aber genau genommen noch nicht ideal. Denn die Lastwagenplanen enthalten den Weichmacher PVC, der ist hochgiftig, bei seiner Produktion werden Krebs erregende Gase freigesetzt – und dann bei der Entsorgung noch einmal. Das schadet der Gesundheit der Näherinnen und der Umwelt.



Nachhaltig, aber nicht nachhaltig genug. Eine Freitag-Tasche aus Lastwagenplanen.

Nachhaltig, aber nicht nachhaltig genug. Eine Freitag-Tasche aus Lastwagenplanen. (Bild: Bruno Alder)

Wäre es besser, Freitag würde anderes Material brauchen?

Nein, es wäre besser, die Firmen, die Lastwagenplanen herstellen, würden Chemikalien und Materialien verwenden, die der Umwelt und der Gesundheit nicht schaden. Heute produzieren die Firmen so billig wie möglich, zahlen Hungerlöhne und verschmutzen die Flüsse und Seen. Am absurdesten ist das bei der Active Wear.

Naturfreundin, mit dieser Jacke von Alberte Laursen Rothenborg tust du keiner Wasserspinne etwas zuleide. 

Ich muss nochmals nachfragen: Wird sich eine «Shopping Queen» jemals für Bio-Mode interessieren?

Wir müssen nur das richtige Angebot machen. Langlebige Produkte sind wichtig, aber nicht für eine 16-Jährige, die hat ihren Stil noch nicht gefunden, die muss noch experimentieren. Ihr könnte ein Kleidertausch Spass machen. Ich bin überzeugt: Ein schön verarbeitetes Kleidungsstück aus gutem Material macht glücklich.

Wie?

Es lädt sich emotional auf beim Tragen und wird gefüllt mit Erinnerungen. So, dass ich jedes Mal, wenn ich meine blaue Strickjacke anziehe, zurückdenke: Die hatte ich an, als ich mit meinen Freunden an den See fuhr und so eine schöne Zeit hatte. Das tut gut. Und das geht halt nur, wenn ein Kleidungsstück wirklich gut ist und lange genug hält.



Umweltfreundlicher als jeder Regenschirm. Und schöner. Von Melissa Ortuno

Umweltfreundlicher als jeder Regenschirm. Und schöner. Von Melissa Ortuno (Bild: Volker Conradus)

Sie haben bei der englischen Stardesignerin Vivienne Westwood gelernt.

Ja, und darauf greife ich heute zurück. Westwood hat sich nie dem Billigtrend unterworfen, sie liess uns immer zu den Originalen zurückgehen.

Wie meinen Sie das?

Westwoods Credo war: Einfach einen Bestseller aus der Kollektion vom Vorjahr nehmen und ein bisschen anpassen, geht nicht. Sie ging immer zurück in die Modegeschichte und liess uns im Studium historische Kleidungsstücke in unseren Grössen nachnähen und anziehen. Dann diskutierten wir, wie sich ein Kleidungsstück anfühlt, wie es die Haltung prägt. Schöne, innovative und nachhaltige Mode ist nicht nur gut für die Näherinnen und die Umwelt, sie macht auch etwas mit dem Menschen, der sie trägt.

Glauben Sie an die Revolution in der Modeindustrie?

Ja, in Europa ist sie ja auch passiert. Hier lief es früher ähnlich wie Asien: Die Textilindustrie verschmutzte Seen und Flüsse, die Arbeiter wurden krank und verdienten schlecht. Dann wurden die Gesetze strenger und heute können wir in unseren Gewässern wieder baden. Dasselbe muss auch in Asien passieren.

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15.– 25. September, Ausstellung «Next Generation» (siehe Programm)

18.9. 12.15 Uhr: «Cultural Entrepreneurship und die Zukunft der Mode – Ausblicke», Vortrag von Friederike von Wedel-Parlow, Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW, Campus der Künste, Freilager-Platz, Hochhaus, EG

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