Zwischen der Pingpong-Crew, den Kindern und den Alkis – er sorgt für Frieden auf der Claramatte

Seit letztem Sommer unterstützt auf der Claramatte ein Parkranger das friedliche Miteinander. Doch jetzt zahlt die Stadt nichts mehr daran.

(Bild: Alexander Preobrajenski)

Seit letztem Sommer unterstützt auf der Claramatte ein Parkranger das friedliche Miteinander. Doch jetzt zahlt die Stadt nichts mehr daran.

Ein Knabe rennt mit erhobenem Säbel auf einen anderen zu. «Tack, tack, tack», tönt es, wenn Holz auf Holz trifft. «Ich habe dich», ruft er, doch schon stieben ein dritter und ein vierter Bube über das Kies und greifen an.

Ein älterer Mann schiebt eine Frau im Rollstuhl vorbei. Die hohen Bäume werfen Schatten auf die Claramatte, dort, wo die Sonne durchkommt, ist es heiss. 

«Nein, merci»

Am anderen Ende des Parkes plantschen Kinder in Windeln im Bädli. Auf einer Bank sitzt ein einsamer Mann mit grauen Rastas vornübergebeugt vor seinem Bier, spricht man ihn an, wiederholt er zwei Worte: «Nein, merci.»

Die Claramatte ist ein Ort, an dem viele Menschen mit ganz unterschiedlichen Einstellungen zum Leben aufeinandertreffen. Spielende Kinder, Alkoholiker, Expats. Da braucht es manchmal jemanden, der die einen den anderen vorstellt oder vermittelt.

Es ist drei Uhr Nachmittags, «ein ruhiger Nachmittag», sagt Manuel Raemy. Er sitzt unter einem orangen Sonnenschirm an einem pinken Bistrotisch, trinkt einen Kaffee und raucht Zigarette um Zigarette.



Timeout. Der Parkranger redet ein Wörtchen mit.

Timeout. Der Parkranger redet ein Wörtchen mit. (Bild: Alexander Preobrajenski)

Pflaster holen, tanzen

Während des Gesprächs schweifen seine blauen Augen immer wieder über den Park. Einmal steht er auf, tritt zu einer Gruppe von Mädchen, die sich gerade parat machen für ein Federballspiel, spricht kurz mit ihnen, kommt zurück.

Raemy kennt die meisten Kinder auf der Claramatte. Sie kommen zu ihm, wenn sie ein Bobo haben und ein Pflaster brauchen. Oder einen Zuschauer für den neuen Tanz, den sie gelernt haben.

Der ausgebildete Lehrer und Student der Afrikastudien ist Co-Leiter der Kindertankstelle des Vereins Robi-Spiel-Aktionen, eines Kiosks mit Zvieri für die Kinder und Kaffee für die Erwachsenen.

Nicht mehr weiter wissen

Doch auch Erwachsene suchen Raemys Rat. Wie der Obdachlose, der nicht mehr weiterwusste. Raemy vermittelte ihn an die Gassenarbeiter vom Schwarzen Peter.

Oder die Mutter, die zu Hause Probleme hat und hier mit ihren Kindern im Park Zuflucht sucht. Raemy stellte sie anderen Müttern vor. «Die Frauen merkten, dass sie ähnliche Hintergründe haben und wurden Freundinnen. Jetzt ist sie mit ihren Problemen nicht mehr allein.»

Und wenn sich Parkbesucher um einen der begehrten Tische streiten oder Eltern wegen ihrer Kinder aneinandergeraten, dann ist Raemy der Mann, der schlichtet.

Denn er ist auch «Parkranger», ein Ausdruck, der ihm nicht gefällt, da man dabei einen Mann mit beiger Uniform vor Augen hat, der für Ruhe und Ordnung sorgt.




(Bild: Alexander Preobrajenski)

Jedem sein Plätzchen

Stattdessen trägt Raemy Jeans und T-Shirt und sieht sich als «Person, die ihre Fühler in alle Richtungen ausstreckt», um zu erkennen, wie es den Parkbesuchern geht und welche Bedürfnisse sie haben.

Sein Ziel: Ein friedliches Miteinander auf der Claramatte, eine der wenigen Grünanlagen in einem der am dichtesten besiedelten Quartiere der Schweiz.

Da wären die Asiaten, die Pingpong-Crew, die Familien mit Kindern, die Besucher, die am frühen Nachmittag Bierdosen leeren, die Afrikaner, die Freerunner, die Senioren aus dem Altersheim in der Nähe. Sie alle haben ihre Ecke, ihren Tisch, ihr Ritual.

Grillen stratt streiten

Raemy organisiert einen monatlichen Grillplausch für alle: «Wenn die Cliquen sich kennen, gibt es weniger Konflikte.»

Das mag etwas sozialromantisch klingen, der Parkranger wird ungern konkret, wenn es um Konflikte geht. Es wäre ja auch nicht das erste Mal, dass die Claramatte in ein schlechtes Licht rückt, als Ort der Räuber, Messerstecher und Freier

Doch er ist auch Ansprechperson für die Zivilfahnder, die an diesem Nachmittag vorbeikommen und fragen, ob Raemy allenfalls Zuhälter gesehen hat, die sich hier niederlassen wollen. Hat er nicht.

Vom Claraplatz auf die Claramatte

Eigentlich funktionierte das Zusammenleben in den letzten Jahren recht gut, seit die Christoph Merian Stiftung den Park im Jahr 2006 umgestaltet, hat. Seither ist er heller und übersichtlicher, es kommen viel mehr Anwohner. Letztes Jahr waren es über 1200 Kinder, die regelmässig den Spielverleih der Robi-Spiel-Aktion besuchten, sagt Raemy.

Doch im Jahr 2014 gab es Probleme. Der Hintergrund: Der liberale Grossrat André Auderset forderte in einer schriftlichen Anfrage, dass die Stadt aus LDP-Sicht «unerwünschte Personen wie Alkoholiker oder Drogenabhängige» vom Claraplatz vertreibe.

Das Resultat: Diese flüchteten auf die Claramatte.

Revierkämpfe

Auch dort hatte man allerdings nicht auf sie gewartet, Stammgäste der Claramatte fürchteten um ihr Revier und es gab Streit und Handgemenge.

Als Lösung setzten der Verein Claramatte und der Verein Robi-Spiel-Aktionen einen Parkranger ein, Raemys Vorgänger (siehe Kasten). Seit diesem Sommer ist Raemy der Ranger. Er sagt: «Es geht nicht darum, gewisse Parkbesucher zu vertreiben. Alle sind willkommen.» Der Parkranger vermittle zwischen den Konfliktparteien, so dass ein Miteinander möglich sei.

Und das mit Erfolg. Der Sommer 2015 verlief friedlich und die Leute fühlten sich wohl und sicher, wie eine Erhebung des Vereins Claramatte ergab.

Und auch dieses Jahr ist die Stimmung gut, wie Gespräche mit den Besuchern zeigen. Um vier Uhr füllt sich der Park auf einmal.



Hauptsache, es rollt.

Hauptsache, es rollt. (Bild: Alexander Preobrajenski)

«Der tollste Familienpark Basels»

Am Rand des Plantschbeckens sitzt eine ältere Italienerin und schaut einem Knaben zu, der mit einem Freund auf einem Gefährt mit drei Dreirädern balanciert. Die Grossmutter ist nervös. «Ich muss ihn im Blick haben, ich komme ihm kaum mehr nach.» Sie fährt jede Woche mit ihrem Enkel aus dem Gundeli ins Kleinbasel. «Am besten gefallen mir die Trottinetts der Spielbude», sagt er.

Auch die beiden Mädchen, die auf Liegedreirädern vorbeifahren, mögen die Spielsachen am besten.

Eine Amerikanerin mit Kleinkind sagt über die Claramatte: «Das ist der tollste Familienpark in Basel, es ist immer etwas los.» Nur etwas störe sie: die Männer mit Bierdosen. «Ich hätte lieber, sie würden ihr Bier am anderen Ende des Parks trinken, etwas weiter weg von meinen Kindern.» Doch bedroht fühlt sie sich nicht. «Ich komme aus New York, im Vergleich ist jeder Schweizer Spielplatz ein Hort der Sicherheit.»

Stein in der Hand

Die erwähnten Herren mit den Bierdosen winken die Journalistin heran. Einer von ihnen dreht einen Kieselstein zwischen den Fingern. Er hat Streit mit jemandem, doch der ist verschwunden. «Wenn einer mir blöd will, dann bin ich vorbereitet», sagt er.

Eine Frau kommt dazu, gibt hier und da ein Begrüssungsküsschen. Einer spritzt ihr mit einer Spritzpistole Wasser zwischen die Beine. Sie schaut ihn erst böse an, fängt dann aber an zu grinsen.

Noch ein Besucher kommt vorbei, um «Hallo» zu sagen. Er wohnt nicht im Quartier, kommt aber gerne hierher, um alte Freunde zu treffen oder seine Kinder zu sehen, die gleich um die Ecke wohnen.

Abfall im Park

Ihn stören politische Veranstaltungen im Park. «Die Politik gehört auf den Marktplatz», sagt er. Ausserdem mag er den Abfall nicht, den viele Besucher liegen lassen.

Dieses Problem kennt auch Parkranger Raemy. Er plant, Schilder an den Tischen zu montieren und die Leute zu bitten, ihren Abfall zu entsorgen. Er sagt: «Oft sind die Besucher, die früh mit Biertrinken anfangen, am saubersten.» Sie holen sich bei ihm einen Lumpen und putzen die Tische ab.

Kein Geld mehr für den Parkranger
Der Parkranger ist bei den Robi-Spiel-Aktionen angestellt, doch die Stadt leistete 2015 einen Beitrag von 10’000 Franken. Dieses Jahr zahlt die Stadt nichts mehr, der Verein finanziert ihn über Spenden. Das hat Konsequenzen: Statt 12,5 Stunden pro Woche ist der Parkranger nur noch 4 Stunden pro Woche unterwegs. Bernadette Stirnimann vom Verein Claramatte sagt: «Die Finanzierung des Parkrangers in einem öffentlichen Park inmitten eines der am dichtesten besiedelten Quartiere und Brennpunkt vieler Gesellschaftsprobleme sollte nicht Privatsache sein, der Staat müsste auch Verantwortung übernehmen.»

Die TagesWoche bat die Behörden um eine Stellungnahme. Roland Frank vom Präsidialdepartement schrieb, der Parkranger habe 2016 eine Anstellung von 10 Prozent bei den Robi-Spiel-Aktionen. Das erfolgreiche Projekt finde damit eine Fortsetzung und die Finanzierungsfrage stelle sich von Neuem. Zuständig für die Staatsbeiträge an den Verein Robi-Spiel-Aktionen sei aber das Erziehungsdepartement.

Doch das Erziehungsdepartement in der Person von Mediensprecher Simon Thiriet antwortete: «Das Erziehungsdepartement ist für Kinder- und Jugendarbeit in der Stadt Basel zuständig. Die Aufgaben, die ein sogenannter Parkranger übernimmt (z.B. schauen, dass es im Park sauber bleibt) fallen nicht in unser Aufgabenportfolio, sondern in dasjenige des Präsidialdepartements. Von diesem sind wir in dieser Sache nie offiziell angegangen worden.»

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