Klaus Meyer, als Sie vor 20 Jahren die erste Ausgabe des Jugendkulturfestivals organisierten, waren Sie Mitte 40. Das Festival wurde also von oben nach unten organisiert.
Meyer: Was ist oben, was unten? Wenn wir vom Alter reden, dann haben Sie recht. Damals lancierten und organisierten Erwachsene einen Anlass für Jugendliche. Umgesetzt wurde er aber sehr wohl mit Jugendlichen. Ausserdem war es damals weniger möglich, dass junge Menschen ohne Erwachsene im Hintergrund etwas in die Hand nehmen.
Gab das JKF den Anschub für eine Jugend, die sich selbstständig macht, sich emanzipiert? Dafür, dass Behörden ihnen mehr Gehör schenken und sie ernst nehmen?
Meyer: Engagierte Jugendliche gab es immer. Das Verdienst des JKF war es, eine professionelle Plattform für die junge Kultur zu schaffen. Dass es diese gibt, wusste ich von meiner Arbeit bei Wake Up. Dieses Präventions-Unternehmen, das auch das JKF initiierte, entstand 1993 aus der Kampagne gegen das damals grassierende Folienrauchen von Heroin. Die Hip-Hop-Community um Luana und Black Tiger kam auf mich zu, weil etwas dagegen gemacht werden musste.
Da ging die Initiative von den Jugendlichen aus.
Meyer: Ja. Dabei ist Prävention primär ein Anliegen der Erwachsenen zum Schutz der Jugendlichen. Mir war aber klar: Wenn wir was erreichen wollen, klappt das nur gemeinsam mit den Jugendlichen. Mit ihren Botschaften, ihren Anliegen, ihren Medien. So organisierten wir eine Konzerttournee durch die ganze Schweiz. 3000 Jugendliche feierten beim Abschlussabend auf dem Barfi. Da kam uns erwachsenen Organisatoren die Idee: Warum nicht Platz für jugendliche Kreativität schaffen, ohne dass es an einer Kampagne aufgehängt ist.
Zu den Drogenproblemen kam damals auch Jugendgewalt. Banden wie Tiger Baba, die Spain Boys oder die Hools bekämpften sich gegenseitig. Und das «Kläppergässli» hinter der Steinenvorstadt erhielt seinen Übernamen, weil dort manch Jugendlicher seine Sneakers abgeben musste und dafür erst noch Schläge kassierte. War das JKF ein Anlass zum Zeigen: Die Jugend kann auch anders?
Meyer: Seit 20 Jahren verfolgt mich diese Frage. Nein, da war nichts Pädagogisches. Wir wollten niemandem etwas beibringen. Die Jugendschutzkampagnen davor und danach waren etwas anderes. Beim JKF ging es nur darum, die ganze Vielfalt, die es damals gab, zu feiern, von Klassik bis Jodel. Wir hatten keine Schlägereien, nur Spass. Wir hatten zwar unsere eigene kleine Armee an Securitys. Aber die hatten mehr Probleme mit Erwachsenen, zum Beispiel wenn die sich an ihren Ständen nicht an die Vorgaben der Festivalleitung halten wollten.
Carole Ackermann: Und Prävention war kein Thema?
Meyer: Da hätte ich mich geweigert! Ich wollte nur eine tolle Veranstaltung, eine kulturelle Plattform, wo die Jugend ihr Potenzial zeigen konnte.
Carole Ackermann, wie würden Sie den Ansatz des JKF heute beschreiben?
Ackermann: Klaus Meyer hat schon alles gesagt. Der Grundgedanke ist noch heute: zeigen, was da ist. Wir haben im Gegensatz zu früher keine Eigenproduktionen, sondern hoffen über eine breite Ausschreibung auf interessante Einsendungen. Dann pushen wir die Idee, dass das JKF nicht ein reines Musikfestival ist, sondern alles Vorstellbare möglich ist. Wir stellen den Raum und die professionelle Plattform. Die können 16- oder auch 18-Jährige schlecht selber schaffen. Wir unterstützen die Kreativität mit Organisation und schaffen Aufmerksamkeit.
Vor 20 Jahren musste man jugendlich sein, um auf die Bühne zu kommen. Nun steht Black Tiger wieder auf dem Programm. Ist Jugendkultur heute alterslos?
Ackermann: Black Tiger oder auch Brandhärd wurden ausgewählt, weil dieses JKF eine Jubiläumsausgabe ist. Diese zwei Acts waren extrem prägend für die Basler Musikszene der letzten 20 Jahre. Ausserdem sind sie Publikumsmagnete und Vorbilder in ihrem Schaffen. Und ein Mitternachtskonzert auf dem Barfi vergibst du nicht an eine unerfahrene Band. Die sind sonst überfordert und machen keine gute Erfahrung.
Meyer: Das haben wir damals schon so gehandhabt. Die bekommen sonst den Knieschlotteri vor 6000 Menschen.
Wie würden Sie Jugendkultur definieren?Ackermann: Das ist ein Sammelbegriff der kreativen Energie. Selbst Trendsportarten wie Skaten oder Parkour gehören dazu, weil sich da junge Gemeinschaften bilden, die über ihr Hobby einen Lebensstil definieren.
Meyer: Uns hat es schon immer überrascht, wie gut Junge sind in dem, was sie machen, wenn man sie machen lässt. Diese Vielfalt wollten wir zeigen. Darum haben wir einen wilden Spartenmix programmiert, etwa eine kurdische Folklore-Gruppe nach einer Metalband auf die Bühne gestellt. Das führte zu fast schockartigen Begegnungen, aber der Mix ging auf.
Ackermann: Das spontane Entdecken, einfach an etwas Neues heranzulaufen, ist auch uns wichtig. Ich habe in der Vorbereitung bemerkt, was für eine enorme Energie das Festival bei den einzelnen Gruppen schon im Vorfeld auslöst. Da gibt es Theatergruppen, die sich extra für das Festival gegründet haben, weil sie wissen: Wenn wir gut sind, haben wir dort eine Auftrittsmöglichkeit. Dann proben sie ein Jahr lang dafür. Es gibt tausend Beispiele, wo das JKF nicht der Auslöser für die Kreativität ist, aber der Grund, etwas fertigzustellen oder weiterzubringen.
Meyer: Das JKF als Impulsgeber geht noch weiter: Von BScene bis RFV und Behörden sagen alle, dass die Stadt in der Folge des JKF offener wurde. Es konnten sich dadurch auch andere Projekte entwickeln. Ist dem so, dann macht das mich als Mitinitiator natürlich glücklich. Die langfristige Wirkung, bei 20 Jahren kann man ja von drei Generationen Jugendlicher sprechen, lässt sich kaum messen. Aber wenn Protagonisten aus der Verwaltung und der Jugend- und Kulturarbeit dem JKF diese Breitenwirkung nachsagen, wird wohl was dahinter stecken.
Das JKF dient nicht nur jungen Künstlern als Sprungbrett. Tobit Schäfer, Sebastian Kölliker, alle Jungen, die nach Ihrem Abgang beim JKF federführend waren, sind heute etabliert in Politik und Stadt.
Meyer: Für Tobit Schäfer war es sicher ein wichtiger Kanal, um sich zu entwickeln. Auch Conradin Cramer hat sich aktiv am JKF beteiligt. Man kann jetzt «Klüngel!» rufen. Das JKF ist tatsächlich eine Sprungschanze für Junge, die in der Gesellschaft etwas bewirken wollen.
Ackermann: Man kann es auch umgekehrt sehen. Durch die Arbeit bekommt man extrem stark mit, was politisch in der Stadt passiert. Gerade was Freiräume und die Möglichkeiten für Jugendliche angeht. Das sensibilisiert zusätzlich für diese Themen und motiviert einen, etwas zu bewegen. Es gibt Selbstvertrauen, immer grössere Ziele anzupacken. Ich würde aber behaupten, dass die wenigsten aus Karrieregründen beim JKF mitgemacht haben.
Meyer: Das ist doch nichts Negatives, wenn das JKF nicht nur Jugendlichen eine Plattform bietet, sondern auch junge Erwachsene eine Chance erhalten, sich und die Gesellschaft zu entwickeln, Know-how und Kontakte, also eine Karriere aufzubauen. Das ist doch irrsinnig toll.
Ackermann: Mein Job bietet natürlich tolle Vernetzungsmöglichkeiten. Bei Fragen, die sich bei Grossanlässen ergeben, sind wir für die Stadt mittlerweile ein angesehener Ansprechpartner.
Was sind das für Fragen?
Ackermann: Wir sitzen zum Beispiel mit am runden Tisch, an dem diskutiert wird, wie der Barfi mit dem Umbau des Stadtcasinos neu für Grossanlässe gestaltet werden soll. Dabei werden wir nach den Bedürfnissen der Jungen gefragt. Das Potenzial für Vernetzungen mit der Stadt und mit Institutionen ist in dem Job endlos.
Sie, Herr Meyer, haben zwei JKF durchgeführt, bevor Sie die Leitung an die Jungen abgaben.
Meyer: Ich war da selber noch ein bisschen jung. (lacht) Was ich heute bedauere, ist, dass keine Eigenproduktionen mehr gemacht werden. Nach der Modeschau – und ich bin kein Fan solcher Events, aber der beim JKF war grossartig – haben zwei oder drei Frauen ihr eigenes Modelabel entwickelt und professionell betrieben. Die Namen weiss ich heute allerdings nicht mehr, ich bin doch schon etwas alt. Ein anderes Mal hatten wir Musiker aus den Banlieues von Mulhouse. Das war für alle befruchtend. Solche Projekte und das Grenzübergreifende fehlen mir heute ein bisschen.
Das damalige Konzept mit einem wild zusammengebuchten Programm wirkte rebellischer als die Herangehensweise der heutigen JKF-Leitung. Ist die Jugend heute braver als damals?
Ackermann: Das JKF hat sich vor Jahren die Nachhaltigkeit ins Programm geschrieben. Da geht es nicht nur um ökologische Fragen wie ein Mehrwegsystem für Becher, sondern auch um eine kulturelle und soziale Nachhaltigkeit. So stellen wir sicher, dass wir in zwei Jahren wieder alle Bewilligungen für ein weiteres JKF erhalten.
Sie müssen also brav sein?
Ackermann: Wir stellen uns sicher nicht quer, nur um wild rüberzukommen. Das machen wir nur, wenn es nötig ist. Da wurde in der Vergangenheit auch schon aufgemuckt. Ich mache das nun zum ersten Mal als Geschäftsführerin und bin froh um all die Vorarbeit, Kontakte, Erfahrungen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie das beim ersten Mal gewesen sein muss. Der Vorbildcharakter der vergangenen Jahre ist enorm wichtig. Ich will sicher nicht zu der Generation gehören, die das JKF untergehen liess, nur weil wir uns mit den Behörden verkracht haben.
Meyer: Es gab mal die Diskussion, dass das JKF wegen Littering nicht mehr erlaubt würde. Die ging mir zu weit. Jedes Fest macht Abfall. Nach der ersten Nacht 1997 machte ich mir Sorgen, weil so viele kaputte Flaschen rumlagen. Es könnten ja Menschen da draufstehen! Darum organisierten wir sofort eine Aufräum-Crew, die während des Festivals die Flaschen einsammelte. Ich erinnere mich, wie ich morgens um drei Uhr Polizisten traf, die mich beruhigten: «Geh nach Hause und schlafe. Das räumen wir dann weg wie nach der Fasnacht.» In den Folgejahren wurde mir das Gewicht, das das JKF dem Abfall zumass, fast zu viel. Es gibt doch Wichtigeres an so einem Anlass.
Ist die Festkultur heute domestiziert, weil es mittlerweile so viele Stadtfeste gibt, dass man das einzelne nicht mehr richtig zelebrieren kann?
Meyer: Das mag sein. Beim ersten JKF ging samstags ab neun Uhr abends nichts mehr am Barfi. Kein Tram kam mehr durch, der gesamte Verkehr war lahmgelegt. Da kam einer der BVB-Verantwortlichen auf mich zu und sprach in eines dieser riesigen Funkgeräte, die sie damals hatten. Ich fragte schon ängstlich: «Was machen wir nun?» Er meinte nur: «Nichts, nun fährt einfach kein Trämli mehr.»
Ackermann: Und was war die Folge für die zweite Ausgabe?
Meyer: Da haben sie den Tramverkehr so organisiert, dass das Festival nicht gestört wurde. Ihr macht eure Sache heute hervorragend. Aber manchmal seid ihr schon etwas brav.
War es ein geschickter Zug, Jungen die Verantwortung zu übertragen, weil die dann alles daran setzen, dieser gerecht zu werden und so umso vorsichtiger agieren?
Ackermann: Das kann schon sein, doch sehe ich das nicht negativ. Es passiert auch so noch genug Wildes am JKF. Aber wir sehen es nicht als unsere Aufgabe, eine Eskalation anzuzetteln.
Vielleicht bräuchte es dazu Zustände wie vor den Jugendunruhen in den Achtzigern. Da hätte man die Innenstadt sicher nicht für ein Festival freigegeben.
Meyer: Zu der Zeit hatte ich die Leitung im damaligen Jugendtreff Kaffee Schlappe, dem heutigen «Parterre». Nach der Schliessung des AJZ stürmte eine Gruppe eigentlich moderater AJZler das «Schlappe» und erklärte es für besetzt. Da kam ich erstmals in Konflikt. Draussen stand eine Gruppe Faschos und wollte die Besetzer verprügeln. Damals waren Grossaufläufe und auch Prügeleien auf der Strasse noch gang und gäbe. Das waren ganz andere Voraussetzungen als heute.
Auch heute gibt es noch Besetzungen. Gerade wurde die «Schwarze Erle» geräumt.
Meyer: Aber früher war das noch ziemlich roh und randständig. Heute ist die Besetzerszene, so weit ich das beurteilen kann, viel intellektueller. Das sind Studis, oft auch junge Künstler, Vegis und auch Veganer, die sich für das weltpolitische Geschehen interessieren und die eigene Lebensformen praktizieren wollen. Das meine ich nicht wertend, sondern feststellend. Was sind denn heute die lokal brennenden Missstände? Praktisch nichts. Da ist alles geregelt und man kann allenfalls noch über die Parameter der Regeln diskutieren. Wirkliche Probleme haben wir lokal keine mehr.
Finden Sie das auch, Frau Ackermann?
Ackermann: Sehr lokal gesehen gibt es keine wirkliche Bedrohung. Aber Verbesserungspotenzial. Gerade letzthin diskutierten wir mit jüngeren Veranstaltern, wie schwierig, zeitraubend und teuer es ist, etwas mit Bewilligung zu organisieren, oder nur schon eine Bewilligung zu erhalten. Heute ist alles so eingespielt und geregelt, dass kaum mehr etwas spontan entstehen kann. Das sind kulturpolitische Probleme. Ansonsten denke ich auch, dass die Jugend keine lokalen Probleme hat. Dafür beschäftigen sie globale Probleme, die viel schwieriger anzugehen sind.
Früher stiess das JKF bei privaten Sponsoren auf offene Türen, wenn es darum ging, Jugendkultur zu sponsern. Heute gibt es viel mehr Events für Junge. Gibt es auch mehr Geld?
Ackermann: Wir arbeiten mit einem extrem knappen Budget.
Meyer: Wir hatten 600’000 Franken, also genau gleich viel wie heute.
Nach der Teuerung ist das nicht mehr dasselbe.
Meyer: Okay. Aber wir hatten auch die Eigenproduktionen, die das Budget stark belasteten.
Ackermann: Machen wir etwas Neues, müssen wir dafür woanders streichen. Das gibt immer einen Aufschrei. Stellt euch vor, wir streichen eine Musikbühne für etwas Neues!
Musik ist das Zugpferd?
Ackermann: Bands ziehen am meisten Publikum. Mit Theater würden wir den Barfi nicht füllen. Aber wir hoffen natürlich, dass das Publikum durch die Stadt zieht und auch anderes entdeckt. Wir haben bei der Musik auch am meisten Anfragen. Von 330 Anmeldungen kamen 180 von Musikprojekten.
Meyer: Das Verhältnis war damals etwa dasselbe.
Zurück zu den Sponsoren: Haben sich früher viele private Firmen beteiligt?
Meyer: Ja, zum Beispiel die Kantonalbank oder die damalige Ciba. Wenn man mit Jugendkultur kam, gingen die Türen auf.
Wie ist das heute?
Ackermann: Anders. Ein grosser Teil des JKF ist durch die beiden Kantone finanziert. Dazu kommen Eigeneinnahmen durch Standvermietung und Getränkeverkauf. Sponsoring bedeutet sehr harte Arbeit für sehr wenig Geld. Wir wollen unser Publikum auch nicht einer Flut von Sponsorenwerbung aussetzen, wie es an anderen Festivals geschieht.
Meyer: Früher gab es für ein Firmenlogo auf dem Flyer bis zu 20’000 Franken. Vielleicht mal ein Banner, aber das ging eh unter im Getümmel.
Ackermann: (lacht) Das ist heute schon bei kleinen Beträgen sehr kompliziert. Nun hat sich noch die CMS zurückgezogen, weil sie anderswo mehr beansprucht wird, und auch die GGG hat reduziert.
Herr Meyer, wenn Sie hören, wie strukturiert alles ist – hätten Sie da noch Lust, so etwas zu organisieren?
Meyer: Zum Einsteigen bin ich definitiv zu alt. Aber wenn ich jetzt darüber rede oder über das Gelände laufe, berührt es mich noch immer stark. Es ist wohl eine der emotionalsten Geschichten, die ich in meinem Berufsleben gemacht habe. Zu sehen, wie Tausende Menschen etwas erleben. Etwas, das so geil und im ursprünglichen Sinn schön ist. Ein Haufen junger Menschen. Aber in die Hosen steige ich dafür sicher nicht mehr. Das überlasse ich gerne den Jungen. Ausserdem waren auch wir strukturiert. Theo Kim, mein damaliger Geschäftspartner, hatte alles minutiös geplant und wunderbar umgesetzt. Wir waren ein OK von zwölf Profis, die die letzten drei Monate vor dem Festival fast 100 Prozent dafür arbeiteten. Meine Aufgabe war mehr die interne und externe Kommunikation.
Wie war es, Ihr Baby nach zwei Ausgaben wegen finanzieller Löcher an die Stadt zu übergeben?
Meyer: Genau wegen Vorschlägen der Kantone hatten wir die Probleme! So hatten wir bei den Einnahmen auch stark auf den Verkauf des freiwilligen Festivalbändels gesetzt. Und das hat nicht wie gewünscht funktioniert. Ich habe kürzlich wieder den Briefwechsel mit den Kantonen gelesen und mich aufgeregt. Vielleicht waren wir auch etwas leichtgläubig, aber wir haben alles sauber bereinigt. Alle Schulden beglichen. Alle anderslautenden Behauptungen sind nicht fair. Es zeigt aber: Die Finanzierung war damals schon nicht einfach. Ich nervte mich zum Beispiel bei Diskussionen und Pro-Kopf-Rechnereien immer darüber, wie tief der Wert von Jugendkultur im Vergleich zur etablierten Kultur ist, die ja auch subventioniert wird. Dabei haben die Besucher von Theatern oder klassischen Konzerten in der Regel mehr Geld in der Tasche als Jugendliche.
Man könnte auch argumentieren, dass es mittlerweile sehr viele Anlässe gibt, die verschiedene Arten von Jugendkultur präsentieren. Warum braucht es da noch das JKF?
Ackermann: Weil wir eine andere Art von Festival sind.
Was ist denn anders?
Ackermann: Neben etablierteren Acts bieten wir auch eine professionelle Plattform für Leute, die noch keinen Namen und noch wenig Erfahrung haben – und vor allem kaum Auftrittsmöglichkeiten. Nehmen wir die jungen Autoren im Literaturhaus. Für viele davon ist es die erste Lesung ihres Lebens. Die würden mit ihren Texten sonst nirgends Gehör finden. Junge Bands haben es da schon einfacher. Wir wollen jungen Menschen das Vertrauen schenken, mitten in der Stadt auf professioneller Bühne etwas zu machen, die Chance, von einem grossen Publikum entdeckt zu werden. Diese Chance bietet nur das JKF. Das macht es auch so spannend. 1500 Menschen sind daran beteiligt. 1500 aktive junge Kulturschaffende! Das überzeugt schon als Zahl. Noch grösser ist die persönliche Bedeutung des Anlasses für jede und jeden, die oder der etwas beisteuert.
Erfahren Sie dafür die nötige Wertschätzung?
Ackermann: Die Bedeutung für die Stadt wird mir immer wieder bewusst. Wenn ich auf der Bank ein kompliziertes Problem habe, dann sagt die Frau am Schalter: «Ah, Sie sind vom JKF. Meine Tochter hat da auch getanzt.» Und schon wird dir geholfen. Solchen Goodwill erleben wir an vielen Orten. Das ist ein schönes Feedback von Erwachsenen für das JKF.
Meyer: Rechnen Sie mal 1500 aktive Jugendliche mal 20 Jahre.
Ackermann: Wir haben als Festival zwei Zielgruppen. Die Besucher und die Künstler. Letztere stehen bei uns im Vordergrund. Welches Festival kann das von sich behaupten? Wir wollen also nicht nur möglichst viele Besucher mit einem möglichst attraktiven Programm anlocken. Unser Hauptanliegen ist es, möglichst vielen Leuten möglichst gute Auftrittsmöglichkeiten zu organisieren. Damit sie angespornt werden, ihr kreatives Schaffen weiterzuentwickeln. Das ist wirklich einzigartig!
Meyer: Das sind 30’000 Jugendliche, die in all den Jahren aktiv waren.
Ackermann: Plus doppelt so viele stolze Eltern, die das Wirken hoffentlich weiter unterstützen.
Meyer: Die Zahlen sollten eigentlich die Gesellschaft und die Verwaltung aufrütteln. Die 600’000 Franken dafür sind ein Witz.
Das Festival findet ja alle zwei Jahre statt und feiert nun die zehnte Ausgabe, also sind es 15’000 Jugendliche. Aber abgesehen von der Korrektur: Das JKF scheint noch immer das Feuer in Ihnen zu wecken?
Meyer: Ja, ich bin immer noch begeistert. Es gibt nur Gründe pro Festival. Es kostet fast nichts, wenn man den Ertrag sieht. Und was solche Auftritte für das Selbstbewusstsein und die weitere Entwicklung von Jugendlichen bringen, kann man gar nicht hochrechnen. Es ist so eine einfache Idee, aber sie funktioniert, weil sie richtig ist. Und es wird halten und zeitgemäss sein, solange die Jugendlichen etwas machen. Erst wenn die Jungen nichts mehr produzieren, kann man damit abdampfen.
Ackermann: Keine Sorge: Wir sehen anhand der Anmeldungen, dass das Bedürfnis eher wächst.
Meyer: Dann müssen wir jetzt nicht mehr weiter diskutieren. Ich wünsche allen Beteiligten viel Spass und Erfolg.
Das Jugendkulturfestival 2017 findet Freitag/Samstag, 1./2. September, statt. Hier gehts zum Programm.