«Die Basler sind überaus empfindlich» – ein letztes Gespräch mit Markus Somm

Acht Jahre lang war Markus Somm BaZ-Chefredaktor und Reizfigur. Nun tritt er ab. Ein langes Gespräch zum Abschied. 

Hat gemäss eigenen Aussagen alles richtig gemacht: Der abtretende BaZ-Chefredaktor Markus Somm in seinem Büro am Aeschenplatz. 

Vier Monate sind vergangen, seit der Verkauf der «Basler Zeitung» bekannt gegeben wurde. Vorletzte Woche informierte Somm nun seine Belegschaft, dass die Übernahme durch den Zürcher Medienkonzern Tamedia alles andere als sicher sei. Grund: Die Wettbewerbskommission (Weko) will die geplante Übernahme der «Basler Zeitung» durch Tamedia vertieft prüfen.

Stimme die Weko nicht zu, werde es die BaZ nicht mehr lange geben, sagte Somm seinen Mitarbeitenden. Das hat die Redaktion am Aeschenplatz weiter verunsichert. Der Entscheid der Weko soll bis Ende Jahr vorliegen. Bis dahin muss Somm auf seinem Chefposten ausharren. Ungerne, wie er sagt.

Herr Somm, eine Ära geht zu Ende. Gibt die Weko grünes Licht für die Übernahme, verlassen Sie die BaZ demnächst. Sind Sie froh darüber?

Es spielt keine Rolle, zu welchem Schluss die Wettbewerbskommission kommt: Ich höre auf jeden Fall Ende Jahr auf. Das ist mein Wunsch. Ich sehe den Abschied ambivalent: Auf der einen Seite ist es nach acht Jahren ein guter Zeitpunkt, um zu gehen und etwas anderes zu machen. Auf der anderen Seite hatte ich eine unglaublich gute Zeit hier – eine der besten in meinem Berufsleben. Der Abschied ist nun etwas mühselig, weil er sich wegen der Weko so lange hinzieht. Das verunsichert die Belegschaft enorm. Zudem verlieren wir viele Leute, die sich aus nachvollziehbaren Gründen neu orientieren. Es wäre mir deshalb lieber gewesen, wenn die Übernahme schon im Sommer vollzogen gewesen wäre.

Die BaZ geht an Tamedia. Das war nicht Ihre favorisierte Option.

Doch, ich habe diese Lösung ganz klar unterstützt. Zu diesem Entschluss sind Christoph Blocher, Rolf Bollmann und ich übereinstimmend gekommen. Wirtschaftlich war das der richtige Schritt, publizistisch und emotional sieht die Sache natürlich anders aus. Es tut weh, eine so gute Zeitung wie die BaZ aufgeben zu müssen. Wir haben in jeder Beziehung sehr viel investiert: Herzblut, Engagement und Geld. Aber es war klar: Wenn man eine Zeitung zu einem vernünftigen Preis verkaufen will, dann ist jetzt der ideale Zeitpunkt.

«Ich glaube nicht, dass wir einen grossen Abbau in Basel vollziehen müssen. Das ist aber noch offen.»

Dennoch: An der Medienkonferenz im April wirkten Sie geknickt. 

Ach, was! Ich habe mich geärgert, weil ich wider Erwarten vor die Medien treten musste. Es war ursprünglich abgemacht, dass sich nur Christoph Blocher und Pietro Supino an den Tisch setzen. Aber im letzten Moment gab es eine Änderung – ich war nicht darauf vorbereitet und fühlte mich wie bestellt, aber nicht abgeholt. Wenn ich unglücklich mit der Tamedia-Lösung gewesen wäre, dann hätte ich das nicht so offen gezeigt. Das wäre ja ziemlich ungeschickt gewesen.

Machen Sie sich Sorgen um die Zukunft Ihrer Redaktoren? Viele fürchten um ihre Stelle. 

Betroffen ist vor allem der Mantel,  die Lokalredaktion dürfte weiterarbeiten wie bisher. Tamedia hat aber ein ausgeprägtes Interesse daran, auch profilierte Leute des BaZ-Mantels in die Tamedia-Redaktion zu übernehmen. Zu Recht: Wir haben hervorragende Journalisten, die zu den besten des Landes gehören. Selbstverständlich können nicht alle von Tamedia angestellt werden. Ich glaube trotzdem nicht, dass wir einen grossen Abbau in Basel vollziehen müssen. Ganz genau weiss ich es aber nicht. Das ist noch offen.

Wie sehr haben Sie sich bei den Vertragsverhandlungen mit Tamedia dafür eingesetzt, dass möglichst viele Angestellte bleiben können? 

Ich möchte zu diesem Thema nichts sagen. Wir hatten aber intensive Gespräche geführt. Sie können davon ausgehen: Die Tamedia weiss nicht zuletzt dank mir, dass sie eine exzellente Redaktion eingekauft hat. Und es liegt unserem neuen Eigentümer viel daran, dieses Know-how und diese Brillanz zu bewahren.

Blicken wir auf Ihren Stellenantritt im August 2010 zurück. Was für eine Zeitung haben Sie damals übernommen?

Ein unbedeutendes Provinzblatt.

Wie charmant!

Die BaZ wurde in Zürich oder in der übrigen Schweiz nicht wahrgenommen, sie war kein Ereignis. Ich habe vorher mein Leben lang auf Zürcher Redaktionen gearbeitet, die BaZ interessierte dort niemanden. Stattdessen haben wir regelmässig den «Bund» angeschaut und ab und zu noch die «Berner Zeitung». Die BaZ dagegen spielte einfach keine Rolle.

«Basel wird mit Wehmut merken, was die Stadt an der selbstständigen BaZ hatte. Man wird uns noch vermissen.»

Und wie beurteilen Sie ihre Wirkung heute?

Als verhältnismässig gross. Gross für das, was mit einer Lokalzeitung möglich ist. Die BaZ ist heute eine der bekanntesten Lokalzeitungen der Schweiz. Das ist ein beachtlicher Erfolg – einer, den man uns nicht zugetraut hat. Dafür sind extrem engagierte, dickhäutige und hartnäckige Journalisten verantwortlich, die jeden Tag Basel und die Schweiz neu erfinden.

Das ist eine etwas sonderbare Wahrnehmung. Bevor Sie und Blocher übernahmen, hatte die BaZ eine Auflage von gut 83’000 Exemplaren. Seither ist die Auflage auf 46’000 zurückgegangen. Das ist doch niederschmetternd. 

Die Auflagenzahlen sind in den letzten Jahren bei allen Zeitungen zurückgegangen. Es haben alle massiv verloren. Zudem hatte die BaZ von 2001 bis 2010 mit einem Wischiwaschi-Kurs praktisch genau gleich viel verloren wie wir seither mit einem profilierten Kurs. Der Strukturwandel ist grösstenteils für den Verlust verantwortlich und nicht, dass wir vermutlich eine der besten Zeitungen gemacht haben, die Basel je gehabt hat. Ich bin überzeugt: Basel wird mit Wehmut merken, was es an der selbstständigen BaZ hatte. Man wird uns noch vermissen. Selbst ihr von der TagesWoche werdet es nie mehr so interessant haben wie in den vergangenen Jahren, als ihr euch mit uns auseinandersetzen musstet. Ohne uns gäbe es euch ja wohl gar nicht. Ich hoffe, ihr überlebt unseren Abschied.

Das ist nett. Aber Sie klingen total uneinsichtig. Aus der BaZ wurde unter Ihnen ein rechtes Kampfblatt – eine Zeitung, die aneckt.

Das sind ja alles Komplimente. Die TagesWoche hat in St. Gallen niemand wahrgenommen, niemand hat dort über euch geschimpft.

Wenn Sie meinen. Aber ist Schimpfen eine Auszeichnung für Sie? 

Nein, aber es ist einfach so: Lob gibt es immer gratis ohne Begründung. Das spüren Sie doch selber als Journalistin: Bei einem Artikel, für den man Sie lobt, wissen Sie nie ganz genau, ob das ehrlich gemeint ist oder ob Sie nur aus Bequemlichkeit gelobt werden. Wenn ich Sie jetzt mit Lob überhäufe, gehe ich kein Risiko ein, und Sie würden mich nie nach einem guten Argument fragen. Kritisiere ich Sie stattdessen, muss ich mich mehr anstrengen – dann meine ich es aber auch ernst, ich habe mich mit Ihnen auseinandergesetzt. Selbst wenn ich mich ärgere: Ich mache Ihnen damit ein unfreiwilliges Kompliment. Denn ich habe Sie offensichtlich gelesen, und Sie haben mich berührt. Das Gleiche gilt in der Regel für eine Zeitung. So gesehen, gibt es keine treueren Fans der BaZ als jene, die uns seit Jahren kritisch begleitet und stets mit heiliger Empörung darauf bestanden haben, uns nicht mehr zu lesen.

Ihre Zeitung wurde allerdings auch immer wieder vom Presserat kritisiert. Das spricht nicht gerade für Ihre Arbeit.

Der Presserat ist eine derart einseitig zusammengesetzte Organisation, dass man ihn nicht ernst nehmen kann. Die Gewerkschaften dominieren, die Verleger sind in der Minorität. Dementsprechend unausgewogen wird geurteilt.

«Wenn ein Politiker eine Zeitung lobt, dann Gnade dir Gott! Meistens ist das Lob vergiftet.»

Drucken Sie deshalb die Stellungnahmen des Presserats nie ab, wenn Sie gerügt werden?

Wie gesagt, der Verdacht, dass der Presserat eine politische Agenda verfolgt, ist angebracht, solange die Gewerkschaften diese scheinbar neutrale Organisation nach Belieben prägen. Ob eine Zeitung gut ist oder nicht, entscheidet nicht der Presserat, sondern der Leser. Wenn es in unserer Branche eine harte Währung gibt, die auf Qualität hindeutet, dann diese: Bewegt eine Zeitung? Deckt sie Dinge auf, die die Mächtigen lieber unter dem Deckel gehalten hätten? Und reden die Leute in der Stadt darüber, wenn sie zur Arbeit fahren oder am Familientisch sitzen?

Die Leute reden doch darüber, weil die BaZ Kampagnen fährt und Einzelfälle skandalisiert. 

Gerade Sie als Journalistin sollten das Wort «Kampagne» nicht in den Mund nehmen. Das ist doch ein Wort, das Politiker erfunden haben, um schlechte Nachrichten, die ihnen nicht gefallen, herunterzuspielen. Wenn eine Zeitung einen echten Missstand aufgedeckt hat, dann darf sie auch einmal zwei oder drei Artikel dazu bringen – aber natürlich: Das passt den Kritisierten nicht. Lieber sehen sie es, wenn eine Zeitung den Mut und die Ausdauer verliert.

Woher kommt das?

Der Ärger über die Presse ist so alt wie die Presse selbst. Vorher schimpften die Mächtigen über «Thesenjournalismus». Was für ein Unsinn! Jeder geht zunächst von einer These aus, wenn er versucht, die Welt zu beschreiben. Das Entscheidende ist, ob man gute Fakten beibringen kann, um diese These zu belegen. Vor allem aber: Ob man im Zweifelsfall intellektuell redlich genug ist, eine These auch wieder aufzugeben, wenn man sie nicht zu beweisen vermag. Darauf kommt es an. In der Regel spricht es für eine Zeitung, wenn sich die Politiker darüber aufregen. Dann liegt man meistens richtig. Wenn ein Politiker jedoch eine Zeitung lobt, dann Gnade dir Gott! Meistens ist das Lob vergiftet. Zeitungen, die es allen recht machen, nimmt niemand ernst. Das ist die harte Währung, und die andere harte Währung ist die Auflage.

Eben: Diejenige der BaZ spricht gar nicht für Sie.  

Das hat mit dem Strukturwandel zu tun. Heute ist man kaum mehr auf eine Zeitung angewiesen. Fast alle Informationen, die wir früher der Zeitung entnahmen, können wir uns heute anders, oft umsonst beschaffen. Denken Sie daran, wie unverzichtbar wir waren: Ohne Zeitung fanden Sie früher keine Wohnung, keinen Job, Sie wussten nicht, wer gestorben ist und hatten keine Ahnung, was im Fernsehen auf dem Programm stand. Ganz gleich, was sonst in der Zeitung stand, worüber Sie sich ärgerten oder was Sie begeisterte: Sie mussten die BaZ abonnieren. Darin liegt ja auch der Grund, wieso die BaZ Mühe hatte, die Qualität zu halten. Es gab seit 1977, seit der Fusion von «National-Zeitung» und «Basler Nachrichten» kaum mehr publizistischen Wettbewerb in Basel. Die Leute hatten gar keine Wahl, sie mussten die Zeitung einfach abonnieren. Deshalb herrschte auch immer diese mittlere Unzufriedenheit: Wer keine Alternative hat, wird ungnädig. Man konnte nicht mehr die «Basler Nachrichten» oder die «National-Zeitung» wählen, sondern musste sich mit der «saudummen BaZ» abfinden. So ist die Verachtung gegenüber der BaZ entstanden.

«Manche unserer Kritiker führten sich so auf, als ob die neue BaZ den Untergang des Abendlandes bewirken würde.»

Die heute stärker denn je ist. 

Nein, das nehme ich nicht als Verachtung wahr. Es ist entweder Liebe oder Hass – und zwar blanker Hass (lacht). Wir haben ohne Zweifel polarisiert. Man hat uns geliebt – oder regte sich fürchterlich auf. Das liegt aber auch an einer der – wenigen – Schwächen der Basler: Sie sind überaus empfindlich. Für meinen Geschmack hin und wieder zu empfindlich. Manche unserer Kritiker führten sich so auf, als ob die neue BaZ den Untergang des Abendlandes bewirken würde. Meine Familie stammt ursprünglich aus der Ostschweiz, das mag zu den Missverständnissen beigetragen haben. Wir werden dort zuweilen etwas gröber, wenn wir uns streiten. Die Basler dagegen sind ein bisschen feiner. Und sie sind ausserordentlich lokalpatriotisch. Kritik nehmen sie sehr persönlich. Das ist der Punkt.

Störte Sie die Antipathie Ihrer Person gegenüber?

Was meinen Sie?

Ich glaube, Sie sind aus Teflon. Es ist Ihnen egal, ob die Leute Sie mögen.

Egal wäre zu viel gesagt, niemand springt vor Freude in die Luft, wenn er kritisiert wird. Aber in der Regel beleben mich Kritik und Widerstand. Ich brauche sie wie die Luft zum Atmen. Ich bin in diesem Beruf, weil ich den Widerspruch suche, nicht weil ich mich gerne plagen lasse. Aber wir Journalisten dürfen nicht zimperlich sein. Wer austeilt, muss auch einstecken können. Wir versuchen Missstände aufzuzeigen, und wenn man das tut, kann man nicht erwarten, geliebt zu werden. Ich wollte auch eingreifen, damit sich die Dinge, die ich für problematisch hielt, zum Besseren wenden. Dass dies nicht nur auf Wohlwollen stiess, musste ich erwarten. Und ich fand das auch richtig.

Nochmals: Sie haben wirklich das Gefühl, alles richtig gemacht zu haben, oder?

Ich halte nicht viel von öffentlicher Selbstkritik, das hat stets den Geschmack des Heuchlerischen. So gesehen: Ja, wir haben fast alles richtig gemacht.

Wieso so uneinsichtig?

Dann erzählen Sie doch, was Sie alles falsch gemacht haben in den letzten Jahren.

Es gibt schon Sachen, die ich anders hätte machen müssen und besser.

Dann geben Sie ein Interview über Ihre Fehlleistungen.

Für mich interessiert man sich aber nicht.

Diese Bilanz mache ich jetzt öffentlich, und diese Bilanz fällt positiv aus. Es gibt kaum ein Presseerzeugnis, das in den letzten 15 Jahren so viel Aufsehen erregt und so viel erreicht hat wie wir. Zudem sind wir hoch rentabel.

Christoph Blocher war Ihr Mäzen.

Das war er definitiv nicht.

Er hat viel Geld investiert.

Aber auch wieder viel herausgeholt. Das war ein Investment. Als erfolgreicher Unternehmer fand er völlig zu Recht, dass auch die «Basler Zeitung» rentabel zu sein hatte, weil sie sonst nämlich nicht überlebt. Das haben wir geschafft. Wir gehören inzwischen zu den profitabelsten Blättern des Landes.

«Blocher versuchte nie, Einfluss zu nehmen. Hätte er das je versucht, wäre ich der Erste gewesen, der gekündigt hätte.»

Ihr gemeinsames Wirken in Basel darf allerdings als gescheitert angesehen werden. Seine Ziele hat Blocher mit der BaZ nicht erreicht. Die bürgerliche Wende ist ausgeblieben – die Stadt ist nach wie vor fest in rot-grüner Hand.

Haben Sie das Gefühl, dass wir das anstrebten? Halten Sie uns für politisch derart unterbelichtet? Wie kommen Sie darauf? Ich habe nie so etwas gesagt.

Blocher verfolgte mit der BaZ garantiert auch politische Ziele.

Haben Sie ihn gefragt? Der Anspruch von Christoph Blocher – und auch meiner – war einzig, in der Schweiz für mehr Meinungsvielfalt zu sorgen. Eine Zeitung zu machen, die unabhängig von den grossen Verlagen ist und die auch einmal etwas schreibt, was man sonst nirgendwo liest. Dieses Ziel – mehr Vielfalt, mehr Pluralismus, mehr Debatten – das haben wir erreicht. Das würden nicht einmal unsere Gegner bestreiten.

Es gab nie publizistischen Einfluss von Blocher? Das ist schwer zu glauben.

Die Redaktion konnte schreiben, was sie wollte. Jeder Ansatz war erlaubt, jede Meinung erwünscht, das einzige, was stimmen musste, war die Qualität. Dafür war ich verantwortlich. Blocher versuchte nie, Einfluss zu nehmen. Hätte er das je versucht, wäre ich der Erste gewesen, der gekündigt hätte. Es gibt keine Redaktion, die so viel innere Freiheit genoss wie wir – und Sie wissen das selber, weil sie von keinem BaZ–Journalisten je etwas Gegenteiliges gehört haben. Wir machten die härtesten Geschichten über die SVP in der Region – und von Blocher, dem informellen Chef dieser Partei, habe ich nie etwas gehört.

«Für Basel ist der Verkauf der BaZ politisch und publizistisch ein Verlust, davon bin ich überzeugt.»

Gab er keine politische Agenda vor?

Es gab nie eine politische Agenda. Die Agenda war einzig: gut und kritisch sein. Die bürgerliche Wende war nie das Ziel. Die Leute lassen sich nicht so leicht beeinflussen, wie sie wählen und abstimmen. Unser Ziel bestand einzig darin, Alternativen aufzuzeigen. Deshalb ist es auch gut, dass es die TagesWoche gibt. Es ist wichtig, dass wir konträre Ansichten haben, dass wir diese pflegen und dass wir darüber streiten. Es geht gar nicht darum, wer hier recht hat. Sondern das Entscheidende ist, dass man unterschiedlicher Meinung sein kann. Für Basel ist der Verkauf der BaZ politisch und publizistisch ein Verlust, davon bin ich überzeugt.

Ihre Devise lautet: Gut ist, wer anderer Meinung ist.

Nein, das Erfolgsrezept heisst, die Politiker, besonders die Regierungen, systematisch kritisch zu betrachten. Das ist eine der zentralen Aufgaben der Journalisten. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Regierung nun links oder bürgerlich ist. Fragen Sie die Regierungsräte in Baselland und Basel-Stadt: Alle, ob Bürgerliche oder Linke, hätten uns wohl ab und zu gerne Gift gegeben.

Wirklich?

Wenn alle, die mächtig sind, sich über uns beklagen, dann haben wir offensichtlich nicht alles falsch gemacht. Das bedeutet nicht, dass wir immer recht haben, im Gegenteil. Wir können uns auch irren, haben Sachen womöglich falsch dargestellt oder übertrieben. Das kommt vor, selten, aber immerhin. Das Entscheidende ist, dass eine Regierung den permanenten Druck spürt, dass sie kritisch beobachtet wird. Das Problem der grossen Zeitungen besteht darin, dass sie im Mainstream ertrinken – und dieser fliesst im Zweifelsfall nach links. Zu viele Journalisten ticken links – oder sagen wir es höflicher: linksliberal –, sie loben links, denken links und schlafen links ein. Links zu sein, genügt aber nicht mehr, um jemanden hinter dem Ofen hervorzulocken. Das ist doch die Tragödie vieler Journalisten: Sie wären gerne Rebellen, aber was sie denken und schreiben, entspricht längst dem, was das Establishment denkt, was die Mächtigen gerne hören und die Verwöhnten richtig finden. Damit machen sie keine interessante Zeitung, sondern bloss eine Zeitung für den gut ausgebildeten Bünzli.

«Wenn mich diese Stadt kalt gelassen hätte, dann wäre ich nach einem Jahr wieder gegangen.»

Sie schienen sich nicht gross für Basel zu interessieren und sind nie warm geworden mit der Stadt. Wieso nicht?

Das kann man so nicht sagen. Das wäre grotesk, nachdem ich so viel Zeit in dieser Stadt verbracht und mich so intensiv mit ihr auseinandergesetzt habe. Wenn mich diese Stadt kalt gelassen hätte, dann wäre ich nach einem Jahr wieder gegangen. Natürlich reibt man sich an einem Ort, wo man sich als Journalist exponiert, man lernt viele Gegner kennen, meistens aber nicht so viele, wie man Anhänger für sich einnimmt. Wer Journalist ist, lässt sich zwangsläufig auf den Ort ein, wo er wirkt. Basler Lokalpolitik hat mich stets gefesselt, und ich habe in der Redaktion viel Zeit dafür aufgewendet. Wenn mich etwas nicht so sehr interessiert, weil ich auch nichts davon verstehe, dann ist es der Sport. Das gebe ich zu. Der interessiert mich aber auch in Zürich nicht.

Wie geht es für Sie nun weiter?

Das weiss ich nicht. Es gibt ein paar Optionen, die ich derzeit prüfe. Aber es ist noch nichts spruchreif.

Sie sind als Autor für Tamedia vorgesehen. Das ist nicht gerade ein Aufstieg. Wird man jemals eine Zeile von Ihnen lesen?

Haben Sie das Gefühl, ich fange nun an zu fotografieren?

Empfinden Sie das nicht als Abstufung?

Sicher nicht. Für so viele Leser zu schreiben, ist doch eine schöne Aussicht! Tamedia als grösster Verlag der Schweiz ist eine sehr interessante Plattform – für jeden Autoren.

Wie würden Sie Ihre Beziehung zu Christoph Blocher beschreiben, nachdem Sie so intensiv zusammengearbeitet haben?

Als sehr gut. Das wird auch so bleiben.

Aber Geschäfte werden Sie keine mehr zusammen machen?

Vermutlich nicht.

Irgendwie ist es surreal, dass Sie bald weg sein werden.

Bloss keine falschen Tränen! Acht Jahre sind genug. So lange dauert auch die amerikanische Präsidentschaft (lacht).

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