«Die FCB-Führung weiss schon, was sie tut»

Luca Zuffi (28) gehört zu den konstantesten FCB-Spielern der letzten Jahre. Im Interview spricht er über den Umgang mit psychischen Problemen, über Geld und Lohnverhandlungen, seine Abneigung gegen Massagen und mögliche Gründe, warum er schon lange nicht mehr für die Nationalmannschaft aufgeboten wurde.

Nach Stationen in Winterthur und Thun wechselte Luca Zuffi im Sommer 2014 zum FC Basel. Der Mittelfeldspieler absolvierte beim Meister 167 Spiele, erzielte 22 Tore und bereitete 46 Treffer vor. In der laufenden Saison kam er in 33 von bisher 38 Spielen zum Einsatz.

Luca Zuffi, im Winter liessen Sie ein Überbein operativ entfernen. Wie geht es Ihnen?

Solange mir keiner auf den Fuss steht, habe ich keine Schmerzen (lacht). Sie sind erstaunlich schnell verschwunden. Und wenn ich den Fuss vor und nach der Operation vergleiche, dann bin ich froh um den Eingriff.

In der Vorrunde standen Sie fast immer in der Startformation und spielten vor der Operation mit Schmerzmitteln. Wollten Sie das oder wurde das vom Verein vorgegeben?

Am Ende ist es die Entscheidung des Spielers. Bei mir waren die Schmerzen so schlimm, dass ich ohne medizinische Unterstützung meine normale Leistung nicht hätte abrufen können. Deswegen wurden beispielsweise Arnika-Spritzen (ein natürliches Schmerzmittel, d. Red.) eingesetzt, die nicht schädlich sein sollen für den Körper.

Vor Kurzem sprach der deutsche Nationalspieler Per Mertesacker über Schmerzen in einer Fussballkarriere. Und erstaunlich offen über Durchfall und Brechreiz an Spieltagen wegen des grossen Drucks. War diese Geschichte in Ihrer Mannschaft Gesprächsthema?

Wenn ja, war ich nicht dabei. Für die meisten war es überraschend, dass eine solche Geschichte in die Öffentlichkeit gelangt. Ich kenne diesen Druck. Vielleicht nicht in dem Masse wie Per Mertesacker, der regelmässiger auf hohem internationalen Level spielt. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass es Spieler gibt, die mit dieser Welt nicht klarkommen.

Wie reagiert denn Ihr Körper an Spieltagen?

Durchfall oder Brechreiz hatte ich nie, mir geht es eigentlich ganz gut. Das sollte auch das Ziel sein, schliesslich muss man Freude haben an dem, was man tut. Es ist schade, wenn das bei manchen anders ist.

«Es braucht viel Mut, psychische Probleme jemandem anzuvertrauen.»

Haben Sie schon Spieler erlebt, bei denen Sie dachten: Der kommt mit diesem Druck nicht klar?

Nicht wirklich. Aber wahrscheinlich bekommt man es nicht sofort mit, wenn ein Spieler solche psychischen Beschwerden hat. Man versucht sie zu verstecken. Es erstaunte mich, dass Per Mertesacker das so lange verheimlichen konnte.

Welche Möglichkeiten haben Sie beim FC Basel, psychische Probleme zu besprechen?

Ich war noch nie in der Situation, eine solche Anlaufstelle zu brauchen. Deshalb habe ich mich damit nicht wirklich beschäftigt. Aber wenn man in einer solchen Situation ist, dann müsste man sie unbedingt besprechen. Vielleicht vertraut man sich einem Physiotherapeuten an oder sonst einer Person im Verein. Jemandem, der dich unterstützt, ohne dass du das Problem allen zeigen musst. Nur: Es braucht viel Mut, psychische Probleme jemandem anzuvertrauen.

Vor allem in einem Umfeld, in dem männliche Stärke grossgeschrieben wird.

Das sehe ich auch so. Psychische Probleme können als Schwäche ausgelegt werden. Wenn ein Trainer davon weiss, überlegt er sich vielleicht, ob er einen Spieler aufstellen will, der dem Druck nicht gewachsen ist – oder dem vielleicht alles zu viel ist. Deswegen glaube ich, dass vieles im Versteckten abläuft.

«Andere lassen sich täglich massieren, während ich froh bin, früher nach Hause fahren zu können.»

Sie erwähnten die Physiotherapeuten. Sind sie die engeren Bezugspersonen als die Trainer?

In den meisten Fällen schon. Die Spieler arbeiten oft alleine mit den Physios, einige von uns sind täglich mit ihnen zusammen und haben eine enge Bindung.

Ist der professionelle Körperkontakt mit ein Grund für die enge Bindung?

Das kann ein Aspekt sein. Es braucht viel Vertrauen in dieser Zusammenarbeit. Aber ich lasse mich ohnehin nie massieren.

Sie brauchen keine Massagen?

Ich werde nicht so gerne massiert und habe das Gefühl, dass sich mein Körper auch ohne gut erholt, vielleicht wegen der guten Gene. Andere lassen sich täglich massieren, während ich froh bin, früher nach Hause fahren zu können. Muskuläre Probleme hatte ich kaum je, auch deswegen komme ich oft zum Einsatz.

Gesundheit ohne Ende: Luca Zuffi hat in knapp vier Jahren beim FC Basel gerade mal vier Spiele wegen Verletzungen verpasst.

Sie sind am 27. März 28 Jahre alt geworden. Ist Ihnen der Wert der eigenen Gesundheit bewusst?

Es ist wahrlich ein Privileg. Ich erlitt als 19-Jähriger einen Kreuzbandriss und musste danach kleinere Verletzungen auskurieren. Danach lief alles wunderbar, ohne dass ich meine Routinen verändert hätte. Ich fühle mich heute so gut wie nie und kann sicherlich noch einige Jahre spielen.

Marco Streller hat am Ende seiner Karriere gesagt, dass er ausgesorgt habe, wenn er es «nicht ganz dumm anstelle». Wird das bei Ihnen auch so sein?

Definitiv nicht. Ich bin seit dreieinhalb Jahren beim FCB und stehe in der Salärliste wohl nicht ganz oben. Vorher war ich bei Thun und davor in Winterthur. Alle Welt verdient man da nicht.

Sie wirken nicht wie jemand, der des Geldes wegen Fussball spielt. Sie verhandeln Ihr Salär also nicht jährlich neu.

Ich habe letztes Jahr meinen Vertrag bis 2021 verlängert. Im Normalfall ist die Lohnfrage bis dahin also geklärt. Wenn ein Spieler oben ausschwingt, könnte er seinen Lohn natürlich neu verhandeln. Aber ich bin nicht der Typ, der das von sich aus machen würde.

«Dass man mit vielen jungen Spielern nicht die gleiche Konstanz erreicht, ist verständlich.»

Waren Sie je selber an einem Verhandlungstisch?

Wenn es gut lief, kam der Verein von sich aus auf mich zu. Viel verhandeln musste ich nie. Und ohnehin übernehmen das vor allem die Berater. Also mein Vater (Ex-FCB-Spieler Dario Zuffi, d. Red.) und Marco Lichtsteiner …

… der Bruder von Nationalspieler Stephan Lichtsteiner. Sie waren seit einer Weile nicht mehr bei der Auswahl, obwohl Sie sowohl national als auch international eine starke Vorrunde spielten.

Ganz verstehen kann ich es nicht. Aber die Konkurrenz auf dieser Position ist halt gross. Es ist einzig und allein die Entscheidung des Trainers und die respektiere ich.

Kommen Sie in der Nationalmannschaft möglicherweise nicht mehr zum Zug, solange der Trainer nicht wechselt?

Das kann natürlich sein, wenn man einen Trainer hat, der nicht unbedingt auf einen steht. Massimo Ceccaroni (FCB-Verwaltungsrat, d. Red.) sagte mir einmal: «Dich muss man über eine längere Zeit beobachten, damit man deine Qualitäten erkennt.» Man sieht nicht in einem Spiel, was ich draufhabe. Ich kann mich lediglich weiter anbieten beim FC Basel …

… mit dem Sie in der Super League schlechte Resultate erzielen.

Im Moment ist das so. Und wenn wir wüssten, woran es liegt, würden wir es ändern. Der Start ins neue Jahr ist uns misslungen, da verliert man automatisch Selbstvertrauen. Es fehlt wenig. Aber es fehlt etwas.

Der Nimbus des Unschlagbaren ist verschwunden. Gegenspieler sprechen davon, dass sie beim FCB Verunsicherung ausmachen.

Das darf eigentlich nicht sein. Wir müssen als Mannschaft aus dieser Situation wieder rauskommen. Positiv ist, dass wir gegen Sion wieder mal gewonnen haben, auch wenn das Spiel nicht berauschend war. Es gibt uns Selbstvertrauen und wir arbeiten daran, dass die Unsicherheit kleiner wird. In der letzten Saison hatten wir schlechtere Spiele, die wir gewonnen haben. Aber unser Trainer Raphael Wicky macht seine Arbeit sehr gut. Sonst wären die Erfolge in der Vorrunde nicht möglich gewesen. Ich hoffe, dass wir mit ihm in die nächste Saison gehen.

Raphael Wicky musste im Winter Manuel Akanji und Renato Steffen ersetzen und zwei Rückkehrer integrieren: Valentin Stocker und Fabian Frei.

Die beiden hatten keine einfache Situation in der Bundesliga und waren nicht im grösstmöglichen Spielrhythmus. Es braucht Zeit, man kann nicht einfach in die Schweiz kommen und gleich wieder top sein. Die beiden sind sehr gute Fussballer, sie werden ihre Qualität zeigen.

«Auf dem Platz fühle ich mich wohl. Wenn ich aber auf einer Bühne etwas sagen soll, mache ich das nicht gerne.»

Zu Ihren eigenen Qualitäten zählen Ruhe und Konstanz. Dafür sagten Sie in der «Basler Zeitung» einmal, dass Sie Selbstvertrauen auf dem Platz hätten, «aber nur dort». Was bedeutet das?

(lacht) Jedenfalls würde ich nicht sagen, dass ich neben dem Platz kein Selbstvertrauen habe. Ich bin einfach nicht der Mann der grossen Sprüche. Auf dem Platz fühle ich mich wohl. Wenn ich aber auf einer Bühne etwas sagen soll, mache ich das nicht gerne.

Wenn Sie jemand bittet, an einer Hochzeit eine Rede zu halten, lehnen Sie also ab?

Bis jetzt musste ich das noch nie.

An Ihrer anstehenden eigenen Hochzeit werden Sie kaum darum herumkommen. Was sind denn neben dem Fussball Ihre Kompetenzen?

Ich bin ein guter Gamer. Mit Fabian Frei spiele ich oft «Destiny».

Aha.

Es ist eine Art Ego-Shooter.

Und wir dachten, Sie spielen alle die Fussballsimulation «Fifa»! Wir haben gehört, dass der e-Sports-Spieler des FCB, Luca Boller, bei Ihnen im Trainingslager war und gegen jemanden aus der Mannschaft verloren hat.

Das kann sein, ich bin nicht so der «Fifa»-Spieler. Von zehn Partien wird er neun gewonnen haben. Auch auf der Konsole kann es also Ausnahmen geben. Zumal viele junge Fussballer täglich «Fifa» spielen, da kommt schon jede Menge Game-Kompetenz zusammen.

Der FCB steht bei seinen Fans in der Kritik, weil er sich im e-Sports versucht. Wie nehmen Sie diese Diskussion wahr?

Mich beschäftigt das nicht. Aber der Verein soll machen, was er für richtig hält. Die Führung weiss schon, was sie tut. Das Fussballgeschäft hat sich weiterentwickelt und ich kann verstehen, dass der FCB auch im e-Sport top sein will.

«Es ist für den Verein auf jeden Fall schade, dass er Bernhard Heusler und Georg Heitz verloren hat.»

Vor allem will der FCB aber auf dem Rasen top sein. Mit einem Konzept, das die regionale Verankerung stärken soll. Wie stehen Sie zu diesem Konzept?

Grundsätzlich begrüsse ich es, dass der FC Basel auf junge und regionale Spieler setzen will. Zumal ich sehr gerne mit Jungen arbeite. Wir haben in der Vorrunde gesehen, dass die neue Ausrichtung gut funktionieren kann. Dass man mit vielen jungen Spielern aber nicht die gleiche Konstanz erreicht, ist verständlich.

Sie sagten uns einmal, dass der ehemalige Präsident Bernhard Heusler und sein Sportchef Georg Heitz sehr nahe an der Mannschaft und eine grosse Unterstützung gewesen seien. Wie erleben Sie den FCB nach dem Umbruch in dieser Hinsicht?

Marco Streller (Sportchef) und Remo Gaugler (Kaderplaner) sind nahe bei der Mannschaft. Wir sehen sie oft, beispielsweise im Training. Die beiden versuchen weiterzuführen, was die alte Führung angefangen hat.

Sie standen einst zusammen auf dem Platz, wie hier im Estadio Santiago Bernabéu. Heute ist Marco Streller (links) Luca Zuffis Chef.

Sie kennen den Verein seit fast vier Jahren. Was bedeutet Ihnen der Rücktritt des Duos Heusler/Heitz?

Es ist für den Verein auf jeden Fall schade, dass man die beiden verloren hat. Sie waren wirklich sehr gute Typen, die alles oder fast alles richtig gemacht haben in den letzten Jahren. Jetzt ist die neue Führung da und ich bin überzeugt, dass sie das Beste gibt, um den erfolgreichen Weg weiterzuführen. Dass ein solcher Übergang nicht einfach ist, wusste man. Wir gehen da alle zusammen durch.

Am Montag spielen Sie gegen die Young Boys, denen Sie wahrscheinlich die Meisterschaft überlassen müssen. Ihr Vater war dabei, als die Berner 1986 den letzten Titel gewonnen haben.

Davon habe ich auch Videos gesehen. Und er hat immer mal wieder ein Interview zu diesem Thema gegeben. In der Familie reden wir aber kaum darüber.

Wir erinnern uns, wie Ihr Vater Ihnen nach dem Cup-Halbfinal in Winterthur sagte: «Auf meiner Visitenkarte steht dann doch noch das eine oder andere mehr.» Er war zum Beispiel Torschützenkönig.

Vor ein paar Jahren konnte er mich mit zwei Meistertiteln und einem Cupsieg noch mehr hochnehmen. Da habe ich ihn überholt. Deswegen muss mein Vater die Bereiche, in denen er noch vor mir liegt, immer mal wieder präsentieren. (lacht)

Videos über Dario Zuffis Zeit bei YB – Luca Zuffi (links, hier noch beim FC Thun) blickt mit seinem Vater auf die alten Zeiten.

Nächster Artikel