«No einisch!», sagt sich Emil Steinberger und startet im September eine grosse Tournee, bei der der Grandseigneur des Schweizer Kabaretts auch seine alten Klassiker auf die Bühne des Theaters Fauteuil bringt. Ein Gespräch über Humor, Röschtigraben, New York, Basel, Glück und Enttäuschungen.
Da sitzt er, in einer Ecke des Bistros beim Basler Kunstmuseum und sieht immer noch so aus, wie wir ihn in Erinnerung haben: Emil Steinberger. Wacher Blick, fülliges Haar, Schalk in den Augen. Man sieht ihm sein wahres Alter nicht an, 82 Jahre ist der Grandseigneur des Schweizer Kabaretts geworden. Und reif fürs Museum, widmet ihm das Historische Museum Luzern doch derzeit eine Sonderausstellung.
Aber zur Ruhe kommt Emil selber nicht. Er warte noch auf seine Pensionierung, sagt er. Im Theater Fauteuil lanciert er im September eine grosse Tournee, tritt allein in Basel sechs Wochen lang auf!
Warum Basel? Einerseits steht er der Theaterfamilie Rasser nahe, ist der Pate von Caroline und seit 45 Jahren Gast am Spalenberg. Andererseits sind für ihn die Basler Auftritte Heimspiele: Emil und seine Frau Niccel sind 2014 von Montreux hierhergezogen, in die Nähe des Aeschenplatzes. Als ich ihn begrüsse, liest er gerade Zeitung.
Emil Steinberger, wann haben Sie das letzte Mal ein Kreuzworträtsel gelöst?
Oh, das war vielleicht vor 50 Jahren. Oder 60 gar. Ich bin kein Kreuzworträtsellöser.
Dabei lösen Sie in einer Ihrer berühmtesten Nummern ein Kreuzworträtsel! Gestatten Sie mir daher die Frage: Schweizer Komiker, elf Buchstaben.
Rocchi ist es sicher nicht, Rittmeyer… das sind glaube ich auch nicht elf Buchstaben. Es muss ein Schweizer sein? Schwierig. Ich wüsste nicht einmal, wie viele Buchstaben mein eigener Name hat.
Elf!
Ach, wirklich? Steinberger?
Ja. César Keiser ergäbe auch elf, wenn man ihn mit Vornamen reinnähme.
Sehen Sie, das hätte ich nicht gewusst. Für Kreuzworträtsel habe ich erst Zeit, wenn ich dann mal pensioniert bin!
Tatsächlich sind Sie noch immer aktiv und starten im Herbst eine grosse Tournee. Wieso dieses Comeback?
Weil ich immer wieder hörte, dass die Leute die alten Nummern sehen möchten, viele zum ersten Mal überhaupt, sei es die «Polizeihauptwache» oder den «Piloten». 2013 führte ich einen Abend in Luzern durch unter dem Titel «Merci vielmol». Die 1700 Plätze waren in 20 Minuten ausverkauft, die Zusatzvorstellungen ebenfalls. Nach so vielen Jahren wieder alte Nummern zu spielen, machte riesig Spass, mir und dem Publikum, also entschloss ich mich: Jetzt muess i halt wieder schaffe!
Andere Menschen in Ihrem Alter geniessen den Ruhestand, die Briefmarkensammlung.
Ich habe ja gar keine. Ich hätte gar nicht die Nerven für diese Pinzettenarbeit. Zudem gibt es eine solche Inflation an Briefmarken, die Post gibt ja alle zwei Monate neue Briefmarken heraus, das kann man gar nicht mehr überblicken. So gibt es ja gar keine Raritäten mehr, das wird auf den Markt geworfen. Ich finde das furchtbar. Und wenn man dann mal eine lustige Briefmarke entdeckt, die man haben möchte, sagen sie einem im Postamt: Ah, diese Sondermarke verkaufen wir nicht am Schalter, die müssen sie bestellen. Dann denke ich mir – Lago mio!
Dafür können Sie heute Duschbrausen am Postschalter kaufen. Hätten Sie sich das vorstellen können, als Sie die Lehre bei der Post absolvierten?
Jo chasch dänke! Kürzlich erhielt ich eine Postkarte aus Teneriffa. Swisspost Teneriffa. Bei uns machen sie Filialen zu und in Teneriffa expandieren sie. Nein, das verstehe ich nicht mehr. Völlig verkehrt programmiert, was die Post da bietet, der Service nicht mehr beim Kunden, scheint es mir.
Zuletzt sahen wir Sie auch am Postschalter: als Überraschungsgast in der TV-Show für Udo Jürgens. Es war eine Überraschung – und ein Erfolg!
Ja, aber mir war nicht ganz wohl dabei, weil wir das nie vor Publikum testen konnten. Solche Situationen habe ich eigentlich nicht gern.
Sie hatten Nervenflattern?
Ja, ich sass bis zur letzten Minute im Hotelzimmer und spielte die Nummer im Kopf durch. Im Nachhinein hätte ich gerne länger daran gefeilt, die Nummer zuerst ausgetestet.
Aber Ihr Auftritt schlug doch ein wie eine Bombe – bei einem Millionenpublikum. Haben Sie die Reaktionen danach ermutigt, wieder auf Tournee zu gehen?
Nein, gar nicht. Das hatte ich schon vorher geplant.
Eigentlich brechen Sie nun ein fast 30-jähriges Tabu. Denn die Bühnenfigur Emil schickten Sie nach dem «Füürobig»-Programm 1987 in Rente.
Den Tabubruch leitete ich schon vor 15 Jahren ein, als ich auf eine Lesetournee ging. Die Lesungen wuchsen organisch, wurden zu einem eigenen Programm.
Zuvor, in den 1990er-Jahren, hatten Sie sich nach New York zurückgezogen – weil Ihnen der Rummel zu viel wurde?
Ja. In der Schweiz wollte ständig jemand etwas von mir, sodass ich mich nach all den intensiven Jahren entschloss, mich auszuklinken. Und dafür musste ich die Schweiz verlassen. In New York habe ich Englisch gelernt, auch wieder die Schulbank gedrückt dafür, zudem die Stadt erwandert. Ich war sehr viel zu Fuss unterwegs – und stets Neues entdeckt. Ja, und natürlich ab und an die «New York Times» gekauft, 2,5 Kilo – bis man die gelesen hat mit dem Dictionnaire in der Hand, sind schon wieder zwei Tage vorbei. Die Zeit verging wie im Flug. Und hätte ich nicht geheiratet, wäre ich vielleicht noch immer in New York.
Inwiefern?
Mit Niccel an meiner Seite fiel mir die Rückkehr in die Schweiz leichter. Sie gibt mir Schutz, gerade auch in der Öffentlichkeit. Wenn wir gemeinsam essen gehen, werde ich im Restaurant eher in Ruhe gelassen – bis meine Frau kurz auf die Toilette geht, dann kommen die Leute zu mir an den Tisch. Die Rückkehr in die Schweiz machte aber auch aus geschäftlichen Gründen Sinn, es war kompliziert geworden, alle Verlagsarbeiten aus der Ferne abzuwickeln.
«Meine Frau gibt mir Schutz, gerade auch in der Öffentlichkeit.»
Als Sie nach sechs Jahren New York in die Schweiz zurückkehrten, war das kein Schock für Sie? Von der Weltstadt zurück in dieses kleine Land, das sich eher abzuschotten versucht.
Vielleicht bin ich anpassungsfähig wie ein Chamäleon, auf jeden Fall war das für mich überhaupt kein Problem. Ein Jahr lang reisten wir wie Zigeuner herum mit unserem Gepäck, bis wir in Montreux eine Wohnung fanden und uns dort niederliessen.
Montreux, weil die Romandie mehr Schutz bot, was Ihre Privatsphäre anging?
Ja, das sprach auch sehr dafür. In Zürich wäre wieder alles auf mich hereingestürzt, das wollte ich vermeiden. Eine Zeit lang war ich als Einzelperson sehr exponiert, zu exponiert, mir wurde das zu viel.
Montreux ist ein Sehnsuchtsort für viele Deutschschweizer, zumindest für mich. Warum haben Sie den aufgegeben?
Irgendeinmal hat man auch diese schöne Gegend gesehen. Zudem hatten wir Heimweh nach der Muttersprache. Wenn ich im Welschland ins Theater ging, verstand ich immer nur 70 Prozent. Und wenn dann die Leute im Saal lachten, schauten sie immer fragend zu mir rüber: Lacht der Steinberger auch oder ist er noch am Übersetzen… (lacht) Es war ein grosses Bedürfnis von uns, Kultur wieder in der eigenen Sprache zu geniessen.
Und so zogen Sie vor einem Jahr nach Basel.
Ja. Wir suchten vier Jahre lang, hatten es schon fast aufgegeben. Bis wir ein Telefon kriegten, dass eine Wohnung erhältlich sei, ruhig und zentral – fünf Minuten bis zum Kino, Theater und den Museen. Super, wirklich super!
Mit Basel sind Sie ja auch privat eng verbunden, durch die Familie Rasser, mit der Sie befreundet sind.
Ja, genau. Schon 1970 gab ich meine ersten Vorstellungen im Fauteuil, gleich etwa 60 an der Zahl!
Was mögen Sie an Basel?
Die Stadt und ihre Leute wirken immer positiv auf mich. Das zeigt sich schon nur in der Sprache. Der Luzerner sagt «Jo, jojoo». Der Basler aber sagt: «Jä!» und «Hejodernoo»! In diesem Tonfall allein liegt etwas Fröhliches, das habe ich sehr gerne. Und das Flair hier in der Stadt ist international, auch Deutschland und Frankreich gleich um die Ecke.
In den nationalen Abstimmungen stimmt Basel oft mit der Welschschweiz. Sagt das auch etwas darüber aus, weshalb Emil hierhergezogen ist?
Nun, man spürt hier schon einen anderen Blickwinkel auf die Welt, was mir durchaus gefällt. Aber der Röstigraben, der lässt sich nicht so einfach überwinden. Allein der Kulturaustausch zwischen der Deutschschweiz und dem Welschen ist Wunschdenken.
Sie haben als Emil beide Sprachregionen zusammengeführt. Warum gelingt das kaum einem anderen Komiker?
Was soll ich da sagen? Meine Texte sind relativ einfach, sie sind ja nicht anspruchsvoll intellektuell. Also sagte ich zu, als ich vom welschen Fernsehen angefragt wurde, eine Nummer, den «Blutspender», ins Französische zu übersetzen. Während ich da vor der Kamera stand, begann diese plötzlich zu wackeln – und ich realisierte, dass der Kameramann dahinter so fest lachen musste, dass er zitterte. Nach der Nummer sagte er zum Kabelträger: «Mich nähme es schon wunder, ob das auf Schweizerdeutsch ebenso lustig ist wie auf Französisch.» Natürlich hatte ich einen Vorteil, dass mein Französisch eben gerade nicht perfekt war.
Sodass der Welsche ein bisschen über den Deutschschweizer lachen konnten?
Ja, selbstverständlich. Genauso war es auch in Deutschland. Die deutschen Zuschauer fanden zu Beginn immer: Ja, genau so sind die Schweizer. Bis sie dann realisierten, dass sie selber genau gleich sind wie wir.
Gibt es Unterschiede im Humorverständnis in den Schweizer Regionen?
Nein, gar keine, finde ich. Aber wenn ich in München spielte und den Leuten sagte, dass ich am nächsten Tag in Hannover auftreten würde, hörte ich jeweils Warnungen wie: «Jesus Maria, dort oben haben die dann gar kein Verständnis für Ihren Humor!» Ja, chasch dänke! Die haben genau gleich gelacht wie überall sonst.
Interessant ist, wie Emil auch im welschen Humor nachzuhallen scheint. Die Deutschschweizer, die der Komiker Vincent Kucholl in der beliebten Satiresendung «120 Secondes» (und neuerdings am TV in «24 minutes») darstellt, erinnern oft an Ihre Figuren.
Das mag sein, leider kenne ich diese Sendung nicht. Aber mir fiel grundsätzlich auf, wie viel lebendiger das welsche Radio im Vergleich zu jenem in der deutschen Schweiz ist. Da sitzen oft mehrere Leute am Mikrofon, da wird viel mehr mit Humor gespielt. Selbst in Sendungen über klassische Musik wird mit feinem Witz moderiert und unterhalten. Beim SRF vermisse ich die Lockerheit und die Experimentierfreude.
«Beim SRF vermisse ich die Lockerheit und die Experimentierfreude.»
Es wird derzeit intensiv über den Zweck der SRG diskutiert. Finden Sie, die einst propagierte Idée suisse sollte mehr gelebt werden?
Ja, sicher. Aber das ist natürlich leichter gesagt als getan. Man sollte mit einfachen Mitteln anfangen und unsere Mehrsprachigkeit fördern und die Leute sensibilisieren. Es bleibt leider meistens bei Konferenzen, an denen man darüber redet – und danach passiert nicht mehr viel.
Sie aber bringen Ihr neues Bühnenprogramm einmal mehr in beide Sprachregionen. Wenn Sie dann die Klassiker auspacken wie das Telegrafenamt: Passen Sie solche Nummern an den Zeitgeist an?
Die alten Nummern nicht, nein. Das sind Klassiker, bei denen ich nichts ändern möchte. Das ist wie bei einem Schlagersänger, der ändert den Text auch nicht mehr ab, weil er sonst die mitsingenden Konzertbesucher enttäuschen würde. Das wäre bei mir ähnlich, die Leute kennen die Texte, wollen das Original. Ich spielte mal im Gefängnis von Regensdorf und blickte ins Publikum. Während ich die «Polizeihauptwache» spielte, schossen mir ständig Gedanken durch den Kopf: «Was hat wohl dieser da verbrochen? Und der dort?» Auf einmal hatte ich ein Blackout und verlor prompt den Faden. Da sprach einer im Publikum einfach den Text weiter, eins zu eins wie auf Platte, und rettete die Situation. Die Gefangenen und ich haben fünf Minuten lang gelacht, es war fantastisch.
Die Textsicherheit ist auch eine Bürde: Sie dürfen die Leute nicht enttäuschen.
Ja, absolut. Ich bin auch empfindlich, was Texttreue angeht. Als das Fernsehen mal bei einer Nummer kürzte und Pointen rausschnitt, regte ich mich fürchterlich auf. Ich finde so etwas kulturlos. Kürzlich fragte mich die Redaktion von «Musikwelle 531», ob sie meine Nummern kürzen dürfte, weil diese so lang seien. Das kommt für mich nicht infrage. Überhaupt stört mich diese Tendenz, Kabarett nicht mehr atmen zu lassen. Als ich kürzlich Michael Elsener am TV sah, wurde unmittelbar nach seinem letzten Satz geschnitten, zack, Werbespot, da blieb keine Luft für die Pointe, kein Abspann, nichts.
Wenn Sie schon Elsener erwähnen: Verfolgen Sie das aktuelle Schweizer Kabarett noch mit?
Ja, jetzt, da ich in Basel lebe, wieder öfter. Es ist ja auch herrlich: Ich bin in fünf Minuten im Fauteuil, wo ich Massimo Rocchi, Joachim Rittmeyer und Urban Priol sehen kann. Hervorragende, fantastische Darbietungen.
César Keiser hielt in seinen Memoiren fest, dass die viel gehörte Behauptung, das Kabarett sei tot, eine Mär sei. Einverstanden?
Ja, Kabarett kann man nicht für tot erklären. Es nimmt halt einfach andere Formen an. Eine Zeit lang wurde es zur Mode, dass man nur noch parodierte und imitierte – in meinen Augen machen das zu viele. Ich stehe halt immer noch auf selber geschriebene Texte und Figuren.
Diesen Figuren machen Ihren Humor aus. Sie haben Schweizer Charaktere und ihre Eigenschaften sehr genau beobachtet und so zeitlose Nummern geschaffen, die heute noch funktionieren…
Aber nie mit Absicht! Aus Spass und Freude daran, die Leute zu unterhalten. Die «Polizeihauptwache» schrieb ich in einer Nacht, konstruierte dieses Szenario. Erst vor einem Jahr erfuhr ich, dass die Nummer von der Realität eingeholt worden ist. Ich erhielt aus Obwalden einen Zeitungsbericht zugeschickt, worin zu lesen war, dass eine Frau einen Einbrecher im Haus vermutete, bei der Polizei anrief und ihr mitgeteilt wurde, dass jetzt niemand ausrücken könne, es seien schon alle am Schlafen. Sie solle schauen, dass nichts wegkomme.
Nicht wahr! Wo machen Sie Ihre Beobachtungen?
Überall. Im Zug, in Restaurants, auf Spaziergängen. Es ist ein Spiegel. Dass das noch immer funktioniert, macht mich einfach glücklich.
Was mir an mir selber auffällt: Je älter ich werde, umso mehr stelle ich fest, dass ich manchen Ihrer Figuren ähnlicher bin, als mir als Jugendlicher lieb gewesen wäre.
(lacht laut)
Wie ist das bei Ihnen, wie viel der Emil-Figuren steckt in Ihnen? Haben Sie bünzlige Züge?
Ja, die hatte ich sicher auch. Noch stärker ausgeprägt waren bei mir früher aber die Hemmungen. Ich hatte ein strenges Elternhaus, das sich nicht für meine Tätigkeit interessierte. Auch dann noch nicht, als ich erfolgreich wurde.
«Ich hatte ein strenges Elternhaus, das sich nicht für meine Tätigkeit interessierte.»
Weil Sie als Künstlertyp aus der Reihe tanzten?
Ja, das passte ihnen nicht. Aber ich hatte auch schon als junger Mann Hemmungen, als Postbeamter etwa. Ich war nicht gut in diesem Beruf, was sich verheerend auswirkte. Wenn ich am Einzahlungsschalter arbeitete und abends die Bilanz wegen ein paar Rappen Differenz nicht stimmte, musste ich nachzählen und nachzählen. Das machte mich einfach unglücklich, unsicher auch. Ich musste viele Jahre kämpfen, um nicht unterzugehen. Das Kabarett und der Erfolg waren für mich wie eine Kur, die mich stärkte.
Interessant. Von diesen Schwächen wusste ich nichts.
Ja. Sie hatten wohl auch ihr Gutes, halfen mir besser, mich in die Schwächen anderer Menschen hineinzudenken. Elternhaus, Beruf, Alltagsbeobachtungen – all das wirkte wohl auf meine Programme ein.
Wenn wir vom Privatleben reden: Sie outen sich in der Vita auf Ihrer Website, dass 1980 ein zweiter Sohn zur Welt kam, ein uneheliches Kind. Hat Sie der Boulevard gezwungen, mit einer solch privaten Angelegenheit an die Öffentlichkeit zu gehen?
Nein. Ich schwieg das lange tot, aus familiären Gründen, im Wissen, dass das im katholischen Luzern zu dieser Zeit eine unverzeihliche Sünde war. Doch dieses Schweigen tat mir nicht gut, meine Frau Niccel unterstützte mich schliesslich, den Schritt zu machen und dazu zu stehen. Das war 2013. Die Presse aber war grausam.
Der Boulevard fiel darüber her?
Ja. Die besuchten meine erste Frau und klingelten bei ihr an der Wohnungstüre und setzten das Gerücht in die Welt, dass sich meine Ex-Frau nicht mehr traue, sich auf der Strasse zu zeigen. Es war einfach nur primitiv, was sich da einige Medien erlaubten.
Ist der Schweizer Boulevard härter geworden als früher?
Nicht härter. Blöder. Da muss man sich allmählich wirklich nicht mehr wundern, wenn die Leute schlecht über die Presse reden.
Zu etwas Erfreulicherem: Sie sind seit fünf Jahren Grossvater. Haben Sie Ihren Enkel schon in den Basler Zolli mitgenommen?
Ja, sicher. Allerdings war das noch eine Herausforderung, weil dieser Souvenirshop ja gleich neben dem Eingang platziert ist. Als der Kleine die Plüschbärli sah, zog er mich rüber. Es war gar nicht so einfach, dagegenzuhalten, aber ich blieb stur und fand: Jetzt gehen wir zuerst die echten Tiere anschauen! Auch in den Zirkus habe ich ihn schon mitgenommen, ich finde solche Erfahrungen wichtig.
Und jetzt kann man mit den Kindern auch den Emil mal noch live auf der Bühne sehen.
Das wäre schön, die Eintrittspreise für Kinder sind an Sonntagen vergünstigt. Denn mir ist es ein Anliegen, dass junge Menschen Theaterluft schnuppern. Das ist einfach was anderes als RTL, wo die Komik primär verbal ist, die Mimik weniger eine Rolle spielt.
So genial Ihre Mimik ist – viele Ihrer Nummern funktionieren auch verbal, auf Tonträgern.
Zu meinem eigenen Erstaunen! Als der Zytglogge Verlag damals in den 1970er-Jahren an mich herantrat mit der Idee, eine Schallplatte zu machen, da winkte ich ab: Das funktioniert doch nicht, ohne Mimik! Ich liess mich dann überreden und konnte es kaum glauben: In den ersten zwei Monaten verkauften die tatsächlich 130’000 Schallplatten. Beim Presswerk im Zürcher Oberland mussten sie eigens Nachtschichten einlegen!
Abendschichten stehen bei Ihnen ab dem 8. September an: Sie treten satte sechs Wochen lang im Fauteuil auf. Ziemlich monströs. Hat Sie Ihr Arzt nicht davon abzuhalten versucht?
(lacht) Nein, die Auftritte empfinde ich nicht als dermassen anstrengend, ehrlich gesagt haben mich die Autogrammstunden danach meist mehr Energie gekostet. Weil alle Leute zu mir kamen, um Anekdoten zu erzählen, Widmungen zu bekommen, Geschichten anzuhören. Das wurde mir zu viel, es braucht sehr viel Kraft, wenn man auf die Leute eingehen möchte. Deshalb habe ich mich jetzt gegen die Signierstunde entschieden.
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Emil: «No einisch!».
Tournéestart im Fauteuil Basel, 8. September 2015.