Das Theaterfestival Basel ist vorüber, schon blüht uns ein neues Festival: Sandro Lunin eröffnet seine Ära als künstlerischer Leiter der Kaserne Basel mit dem zweiwöchigen Programmblock «Kaserne Globâle».
Zu sehen sein werden spartenübergreifende Theater-, Tanz- und Musikprojekte aus Metropolen des Südens – jenen Ländern also, aus denen viele Migranten stammen, die sich rund um die Kaserne niedergelassen haben.
Herr Lunin, vor zehn Jahren lud Ihre Vorgängerin Carena Schlewitt zum Auftakt lokale Künstler ein. Sie dagegen führen das Publikum mit Ihrem Eröffnungsprogramm geografisch weit von Basel weg: nach Südafrika, Palästina, Ägypten, in den Libanon. Was ist die Aussage dahinter?
Die Aussage ist, dass wir uns gar nicht weit wegbewegen, sondern Basel mit den genannten Orten vernetzen. In vielen Eröffnungsproduktionen sind Künstlerinnen und Künstler aus Basel vertreten, als Mitspielerinnen oder Co-Kreatoren. Uns war es ein grosses Anliegen, dass Künstlerinnen und Künstler von hier an der Öffnung der Kaserne Richtung Süden beteiligt sind. Das sieht man zum Beispiel im Musikprojekt von vier Frauen aus Basel und Ramallah. Aber auch beim musikalischen Dokumentartheaterprojekt «Museum of Lungs», in dem der Basler Puppenbauer Marius Kob eine wichtige Rolle spielt.
Sie betonen jetzt die Basler Beteiligungen. Aber aus Ihrem Programm geht deutlich hervor, dass Sie die Kaserne vom Ost-West-Dialog unter ihrer Vorgängerin zum künstlerischen Nord-Süd-Dialog führen wollen.
Das stimmt. Es ist ein zentraler Dialog, den wir heute führen müssen. Das ökonomische Gefälle ist gigantisch; wir sehen ja, was für Auswirkungen das gesellschaftlich und politisch hat. Wir müssen Wege finden, in den Dialog zu treten. Wir müssen andere Formen der Kooperation finden, um den Weg für eine bessere, gemeinsame Zukunft zu ebnen.
Und da sind Theater, Tanz und Musik brauchbare Mittel?
Das ist natürlich nur ein Teil. Ich bin kein Utopist, der behauptet, dass wir damit die Welt retten können. Kultur gehört aber zu unserer Gesellschaft, die sich verändert. Unsere Nachbarn sind nicht mehr die aus dem Nachbardorf, sondern sie stammen aus Sri Lanka oder aus Rio. Das Geschäft, in dem wir einkaufen, ist vielleicht ein türkischer Laden und nicht mehr die Migros. Die Begegnungen bedingen eine neue Form des Dialogs. Und Kultur ist ein sehr gutes Mittel, um miteinander in Dialog zu treten.
«Wir wollen Nächte kreieren, die Theaterzuschauer ins Konzert bringen und umgekehrt.»
Ihr Musikchef Sandro Bernasconi richtet sein Programm ebenfalls stark auf den von Ihnen deklarierten Nord-Süd-Dialog aus. War das seine eigene Idee oder mussten Sie ihn in diese Richtung schubsen?
Ich rannte offene Türen ein. Sandro Bernasconi zeigte eine grosse Lust, neue Wege, neue Landschaften in der Musik zu entdecken. Ich finde es hervorragend, wie er sich mit Menschen aus den Ländern des Südens, die in Basel leben, vernetzt. Und wie aus dieser Zusammenarbeit neue Programmzweige wachsen, zum Beispiel Nocturna Visión mit Musik aus Lateinamerika.
Kann man daraus schliessen, dass in der Kaserne jetzt auch ein verstärkter Dialog zwischen Theater, Tanz und Musik stattfindet?
Das ist so und entspricht auch unserem beidseitigen Wunsch. Wir wollen Nächte kreieren, die Theaterzuschauer ins Konzert bringen und umgekehrt. Es gibt spannende performative Konzertformen und stark musikalisches Theater. Diese Sprünge über die Spartengrenzen hinweg wollen und müssen wir zeigen.
Ist das auch der Grund, weshalb das Saisonprogramm der Kaserne Basel mehr als früher aus thematischen Blöcken besteht?
Ja, das wächst aus diesem Ansinnen heraus. Zum Beispiel unser Schwerpunkt zur neuen Weiblichkeit von Marcel Schwald und Chris Leuenberger mit Theater, Tanz und Musik. Das wird sehr spannend und vermag auch unsere eigenen Horizonte zu öffnen.
«Wir zwingen den lokalen Künstlern nichts auf, der Nord-Süd-Dialog soll nicht zur Verpflichtung werden.»
War es einfach, die lokale Szene in diesen Nord-Süd-Dialog einzubinden?
Ich wurde fast überrumpelt von entsprechenden Projektideen. Schwald/Leuenberger habe ich bereits erwähnt. Ich kann noch die Gruppe CapriConnection nennen, die für ihr Projekt «Hotel Immigration» Migrationsgeschichten aus Buenos Aires gesammelt hat. Das hat offensichtlich mit der Zeit zu tun, mit einer Lust, über den Rand der eigenen unmittelbaren Welt hinauszublicken. Wir zwingen den lokalen Künstlerinnen und Künstlern aber nichts auf, der Nord-Süd-Dialog soll nicht zur Verpflichtung werden.
Die Kaserne Basel will auch stärker als Produktionshaus auftreten. Haben Sie genügend Geld dafür?
Wir bekommen seit der letzten Subventionsvereinbarung mehr Geld. Das erlaubt uns, stärker als Produktionshaus aufzutreten. Es verpflichtet uns auch, weil mit der Subventionserhöhung ein entsprechender Auftrag verbunden ist. Es ist ein wichtiger Schritt für das Haus. Wir werden sicher nicht von einem Tag auf den anderen eigene Produktionswerkstätten oder Probebühnen anbieten können. Aber wir wollen den Gruppen mehr Zeit und Platz für ihre Endproben bieten, um zu guten Resultaten kommen zu können. Auch hier muss ein Dialog darüber entstehen, was nötig ist, um die Produktionsbedingungen zu verbessern.
Kaserne Basel, Junges Theater Basel und Theater Roxy Birsfelden: «Kaserne Globâle», 25. September bis 6. Oktober 2018.