«Wenn die anderen nicht Wort halten, dann gibt es Probleme»

Zwei Vertreter der «IG Hafenplatz» erzählen im Interview ihre Sicht der Dinge. Sie sprechen von Wort- und Vertrauensbruch und kündigen an, auch das neueste Ultimatum nicht einhalten zu wollen.

Auch wenn ihnen der politische Wind eisig um die Ohren pfeift, haben Ayleen und Thomas von der «IG Hafenplatz» das Lachen nicht verloren. (Bild: Livio Marc Stoeckli)

Ayleen und Thomas von «IG Hafenplatz» fühlen sich missverstanden und verraten. Sie hoffen auf Unterstützung aus der Bevölkerung und sagen: «Wir räumen uns nicht selber.»

Die junge Frau und der junge Mann wollen Ayleen und Thomas genannt werden. Nach zähen Verhandlungen und vielen Sitzungen ihrerseits sind sie bereit, sich den Fragen der TagesWoche zu stellen. Im Namen der «IG Hafenplatz» erzählen sie, warum die ausgesprochene Duldung in ihren Augen keine ist und warum sie auch das neueste Ultimatum verstreichen lassen wollen.

Soeben hat Ihnen die Regierung ein letztes Ultimatum gestellt. Am Sonntag müssen Sie sich auf 2500 Quadratmeter zurückgezogen haben. Was bedeutet das für Sie?

Es bedeutet, dass wir so weiter machen und weiterhin versuchen, die Bevölkerung darüber aufzuklären, was in den letzten Tagen geschehen ist. Der ganze Hergang seit dem Runden Tisch vom letzten Mittwoch wird verfälscht dargestellt. Der grosse Zuspruch motiviert uns sehr.

Sie ziehen sich also nicht auf die geforderten 2500 Quadratmeter zurück?

Nein, das ist nicht möglich. Das würde bedeuten, dass ausser den Wagen fast alles wegfallen würde. Uferlos, die Werkstätten, der Spielplatz, der ganze öffentliche Raum zwischen den Wagen hätte keinen Platz mehr. Seit heute Morgen haben wir uns auf 5000 Quadratmeter zurückgezogen, im Sinne eines Entgegenkommens. Wir haben ausserdem mündliche Zusagen von der Scope und von Shift Mode. Beide haben gesagt, dass sie damit leben können. Das Problem ist, niemand steht in der Öffentlichkeit dazu.

Sowohl die Scope als auch Shift Mode bestreiten diese Aussagen.

Patrick Tschan von der Scope hat uns am Sonntag nach der Demo angerufen und mitgeteilt, dass er mit der Stadt einen Vertrag unterzeichnet habe, wonach er weniger Parkplätze brauche und wir sogar auf unseren 6500 Quadratmetern bleiben könnten.

Shift Mode hat einen Vertrag über 12’500 Quadratmeter.

Sie haben uns am Montagabend mitgeteilt, dass sie für die «Scope» eine Holzhalle bauen wollen. Und dass sie dann mit 10’000 Quadratmetern auskommen. Sprich: Die Scope muss sich nun entscheiden, ob sie auf diesen Vorschlag von Shift Mode eingehen will.

Diese Zusagen und Versprechen, die Sie ins Feld führen, sind alle sehr vage.

Wir können nicht mehr tun, als uns auf mündliche Zusagen zu verlassen.

«Die anderen Parteien sagen in der Öffentlichkeit nicht immer das gleiche, wie uns gegenüber.»

Im Moment steht Behauptung gegen Behauptung. Doch im Unterschied zu Ihnen können Scope und Shift Mode einen schriftlichen Vertrag vorweisen, der ihre Ansprüche genau regelt.

Das Vertrauen ist leider angeschlagen. Die anderen Parteien sagen in der Öffentlichkeit nicht immer das gleiche, wie uns gegenüber. Eine gemeinsame Aussprache zwischen allen Beteiligten würde sicher Klarheit schaffen, das hat es leider nie gegeben.

Wie ist es zu dieser Eskalation gekommen?

Es geht jetzt halt plötzlich um viel Geld. Die Scope wird hier grosse Mengen Geld umsetzen und auch Shift Mode wird wohl einiges investieren. Dadurch geraten auch wir unter Druck. Zudem war es von Anfang an schwierig, mit allen Beteiligten zu kommunizieren. Die Verantwortung wurde stets hin und her geschoben.

Sie haben sich nicht an die Bedingungen der Duldung gehalten.

Es ist nicht so, dass wir uns ausgeruht haben, seit die Duldung ausgesprochen wurde. Wir waren in regem Kontakt mit den anderen beiden Parteien. Die verschiedenen Gespräche haben jedoch gezeigt, dass lediglich der Schwarze Peter rumgereicht wird und niemand die Verantwortung für eine Räumung des Hafenplatzes übernehmen will. Erst als uns klar wurde, dass die Fronten so verhärtet sind, sind wir selbst aktiv geworden und haben uns an die Öffentlichkeit gewandt. Ausserdem hatten wir ursprünglich eine Duldung von den Schweizerischen Rheinhäfen für 6000 Quadratmeter. Inzwischen sind wir sogar auf 5000 zurückgegangen. Die anderen Bedingungen halten wir strikte ein.

Gemäss der SRH galt diese Duldung nur «vorläufig» bis eine Nutzung gefunden wurde. Das ist jetzt der Fall, Sie berufen sich also auf eine Abmachung, die hinfällig geworden ist.

Shift Mode hat immer gesagt, dass sie ihren Zwischennutzungsvertrag nur unterzeichnen, wenn der Wagenplatz bleiben darf. Dadurch, dass wir diesen Platz seit einem Jahr nutzen, haben wir die Verantwortung dafür übernommen und dafür gesorgt, dass er belebt wird. Wir haben die Fläche für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Was spricht denn dagegen, beispielsweise die Ateliers und das «Uferlos» auf dem Gelände von Shift Mode legal weiter zu betreiben?

Unter Shift Mode müssten wir uns an bauliche und rechtliche Vorschriften halten. Das bedeutet, etwas das mit viel Arbeit und null Geld aufgebaut wurde, abzureissen und mit viel Geld und viel Arbeit wieder aufzubauen.

«Es wäre nicht mehr das gleiche Projekt, wenn wir nur als Wagenplatz geduldet würden.»

Aber es scheint im Moment der einzige Weg, dieses Projekt zu retten.

Nicht, wenn sich alle daran halten würden, was sie uns gegenüber sagen. Wir haben uns auch letzte Woche zur «IG Hafenplatz» zusammengeschlossen, nachdem die Verwaltung eine genauere Positionierung unsererseits gefordert hat. Das ganze Projekt hat in den letzten Wochen bewiesen, dass es jeden Einzelnen braucht, um diesen Platz zu beleben. Es wäre nicht mehr das gleiche Projekt, wenn wir nur als Wagenplatz geduldet würden.

Die offizielle Duldung lautet auf den Wagenplatz, jetzt schliessen Sie sich zu einer IG zusammen und plötzlich sind alle Projekte gemeint.

Für uns ging es immer um alle Projekte. Hier auf dem Platz ist jeder Einzelne in jeden Entscheid involviert. Wir diskutieren hier, bis wir uns einig sind. Dass das funktioniert, ist etwas sehr Schönes, wer es jedoch noch nie erlebt hat, wird kaum Verständnis dafür aufbringen.

Die Regierung duldet einen «Raum für experimentelles Wohnen». Damit ist doch explizit der Wagenplatz gemeint und nicht noch ein Club, eine Bar und ein Spielplatz.

Das bedeutet, dass die Regierung uns genau vorschreiben will, was hier passieren soll. So etwas funktioniert hier einfach nicht. Der Wagenplatz zeichnet sich dadurch aus, dass hier nicht nur gewohnt wird. Das hier ist ein öffentlicher Lebensraum.

Also bringt Ihnen die Duldung überhaupt nichts?

Man kann es unterschiedlich auffassen: Entweder als ein Manöver, etwas Bestehendes zu zerstören, indem man einzelne Teile eines Ganzen herauspickt und so die verschiedenen Teilnehmer gegeneinander ausspielt. Man kann es aber auch als einen ersten Schritt auf dem Weg zur Einigung verstehen.

«Wer einmal hier war, der versteht auch unsere Sicht der Dinge.»

Ihre Sicht ist sehr schwierig zu vermitteln. Kaum jemand versteht, warum Sie sich nicht damit zufrieden geben, was Ihnen angeboten wird.

Weil die wenigsten schon einmal hier waren und erlebt haben, wie wir funktionieren. Es ist schwierig, ein solches Projekt zu verstehen, wenn man nur die Informationen bekommt, die einem medial aufgetischt werden. Diejenigen die hier waren, verstehen uns gleich viel besser, ihnen können wir unsere Sicht problemlos vermitteln.

Seit dem Wochenende hat sich der Tonfall zwischen den Parteien massiv verschärft. Haben Sie sich mit Ihren Schuldzuweisungen an Shift Mode und Scope nicht etwas verbaut?

Nein, wir sind am Montagabend um 19 Uhr mit beiden zusammengesessen. Den Vorwurf von Shift Mode, wir seien nicht zu Kompromissen bereit, haben wir am Dienstagmorgen entkräftet, indem wir uns auf 5000 Quadratmeter zurückgezogen haben. Wir sind auch weiterhin überzeugt davon, dass Kompromisse bilateral möglich wären. Den ersten Schritt haben wir nun gemacht.

Sie berufen sich auf angebliche mündliche Zusagen. Ist es nicht etwas naiv, sich nur darauf zu verlassen?

Wir funktionieren auf Vertrauensbasis. Wenn die anderen nicht Wort halten, dann gibt es natürlich Probleme.

Sind Ihre Medienmitteilungen und die Mobilisierungswelle auch Ausdruck Ihrer Verzweiflung?

Wir haben die Hoffnung, dass wir hier weiter bestehen können. Verzweiflung ist ein starkes Wort, aber es ist definitiv eine Ausnahmesituation. Dennoch ist die Stimmung auf dem Platz weiterhin sehr gut. Das Ziel dieser ganzen Mobilisierung ist es auch, zu zeigen, dass die Stadt, Shift Mode und die Scope eine Mitverantwortung tragen, wenn der Wagenplatz geräumt würde.

Und Sie tragen keine Verantwortung?

Wir räumen uns nicht selber, so viel steht fest.

Aber Sie haben eine Situation geschaffen, die zu diesen Problemen geführt hat.

Wir haben uns flächenmässig nicht ausgebreitet. Alles was hier steht, ist organisch gewachsen. Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir bereit sind, einen Kompromiss zu schaffen. Diese Zahl von 2500 Quadratmetern kam aus heiterem Himmel und wurde von der Regierung festgesetzt, ohne dass in diesem Jahr jemals jemand vorbei gekommen wäre, um sich die Situation anzusehen. Wir sind nicht gewachsen, sondern haben uns verdichtet.

Heute sind mehr Leute hier, als noch vor einem Jahr.

Ja, aber auf der gleichen Fläche wie vor einem Jahr.

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Scope und Shift Mode haben auf die in diesem Interview erhobenen Vorwürfe reagiert. Lesen Sie die Stellungnahmen.

Artikelgeschichte

Der Artikel ist am Mittwochmorgen – 9:49 Uhr – durch die Klarstellung der Scope ergänzt worden.

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