Das Basler System klemmt

Die linke Basler Regierung hat nicht nur in der Lohndumping-Affäre der Messe ihre Verantwortung nicht wahrgenommen. Ihre prinzipienfreie Wirtschaftspolitik ist zwar machtpolitisch erfolgreich. Doch sie produziert Verlierer. Und sie zeigt: Politik funktioniert nicht ohne Prinzipien.

Absturz programmiert: Basel-Stadt hätte die Millionensubventionen für den Messeneubau an Auflagen knüpfen können, um Lohndumping auf der Baustelle zu verhindern. (Bild: Nils Fisch)

Die linke Basler Regierung hat nicht nur in der Lohndumping-Affäre der Messe ihre Verantwortung nicht wahrgenommen. Ihre prinzipienfreie Wirtschaftspolitik ist zwar machtpolitisch erfolgreich. Doch sie produziert Verlierer. Und sie zeigt: Politik funktioniert nicht ohne Prinzipien.

SP-Regierungsrat Christoph Brutschin in der Lohndumping-­Affäre fehlendes Engagement vorzuwerfen, wäre unfair. Kaum hat der Wirtschaftsdirektor Missstände ausgemacht, greift er zum Hörer. Nur gilt seine Besorgnis weniger den pol­nischen Discountgipsern auf der ­Messebaustelle als vielmehr den ­Redaktionen und den SP-Genossen. Journalisten belehrt Brutschin gerne, wie richtige Recherche geht. Auf die eigene Partei wirkt er ein, um Kritik an seiner Arbeit abzuwürgen.

So richtig funktionieren will beides nicht. Die linke Basler Regierung wird zunehmend hinterfragt. Und auch die SP traut sich langsam wieder, sich auf ihre Überzeugungen zu besinnen. ­Sie fragt nach längerem Zögern zum ­Thema Lohndumping beim Messeneubau nach. Die Mechanik des Basler Systems, in dem sich noch jedes Zahnrädchen mit Druck oder genügend Schmiermittel bewegen liess, klemmt. 

Trügerische Konstruktion

Das machtpolitische Basler Erfolgsmodell, eine prinzipienfreie Wirtschaftspolitik zu betreiben und deren negative Auswüchse mit Subventionen zu überdecken, erweist sich als trügerische Konstruktion. So lässt sich zwar die bürgerliche Opposition besänftigen wie auch die eigene linke Klientel. Die Probleme bei der Messe und auch bei der skandalgeschüttelten Kantonalbank zeigen jetzt aber: Politik funktioniert nicht ohne Prinzipien.

In beiden Fällen haben Brutschin und SP-Finanzdirektorin Eva Herzog ihre ­Verantwortung nicht wahrgenommen. In der Überzeugung, die halbstaat­lichen Betriebe würden mit minimaler politischer Steuerung am besten ­fahren, haben Herzog und Brutschin die Übersicht verloren. Sie haben nicht erkannt, wo es ihre Pflicht gewesen wäre, Einfluss zu nehmen. 

Im Fall der Messe haben sie den Einfluss sogar willentlich reduziert. Eigentlich kann Hauptaktionär Basel-Stadt drei Verwaltungsräte stellen. Ausgerechnet vor dem wichtigsten Projekt der letzten Jahrzehnte, dem Messeneubau, hat die rot-grüne Regierung einen ­ihrer Sitze zugunsten eines Vertreters aus der Bauwirtschaft abgegeben. Heute sitzen nur noch Brutschin und Herzog im VR. Damit ging auch die Stimmmehrheit der öffentlichen Hand, die sechs von elf Verwaltungsräte stellen darf, im Gremium verloren. 

Freiwillig an Einfluss verloren

Ein fahrlässiger Entscheid: Eine staatliche Mehrheit hätte die Millionensubventionen der Steuerzahler für den Messeneubau an Auflagen knüpfen können, um Lohn­dumping zu verhindern. Es wäre auch möglich gewesen, das kartellrechtlich bedenkliche Vorgehen der Messe im Umgang mit Zulieferern der Baselworld zu korrigieren. 

Tatsächlich hat sich die Messe unter der Laisser-faire-Politik der Basler Regierung positiv entwickelt – und davon profitiert die Wirtschaft des ­gesamten Kantons. Doch Wertschöpfung ist nicht der einzige Massstab, an dem sich die Strategie eines halbstaatlichen Unternehmens orientieren darf. Wohin dieser Irrtum führen kann, wurde bei der Basler Kantonalbank (BKB) deutlich, wo sich Finanzdirektorin Herzog vornehmlich für die jährlichen Gewinne interessierte. Bis zu dem Tag, an dem die unappetitlichen und teilweise illegalen Praktiken der Bank publik wurden.

Eine engagiertere Geschäftspolitik, eine linke sowieso, hätte das verhindert. Doch statt ihre Verantwortung wahrzunehmen, haben Herzog und Brutschin sie weitergereicht. In beiden Fällen involviert ist die Kanzlei Vischer. Die linke Regierung hat Ueli ­ Vischer mächtiger gemacht, als er es als LDP-Regierungsrat je war. Bei der BKB zieht er indirekt die Fäden, bei der Messe ist er Verwaltungsrats­präsident, selbst bei der Uni gibt er als Uniratspräsident den Weg vor.

Den Preis zahlen die anderen

Machtpolitisch war das ein kluger Entscheid: Damit gelang es der linken Regierung, den alten bürgerlichen Basler Filz einzubinden. Dies ist ein entscheidendes Zahnrad im heutigen Basler Modell. Doch die Maschine produziert auch Verlierer: den polnischen Billigarbeiter, seinen arbeits­losen Schweizer Kollegen – oder den Steuerzahler, wenn die BKB wankt.

Stoppen kann diese Macht­maschine nur die offene Diskussion. Deshalb versucht Brutschin eine ­öffentliche Debatte zur Messe zu erschweren und steht Messe-Chef René Kamm der ­TagesWoche «in den kommenden Wochen nicht für Interviews zur Verfügung», wie er mitteilen lässt. Und deshalb will Herzog ihre Rolle in der BKB-Steueraffäre nicht offenlegen. Vielleicht schweigen sie alle auch nur, weil sie nur die eine Erklärung für die ganzen Probleme haben: Wir haben es einfach laufen lassen.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 14.12.12

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