Jetzt ist auch noch der letzte Kitt weg. Die bürgerlichen Parteien hielt in Basel nie besonders viel zusammen, zu weit gehen die politischen Interessen auseinander. Doch das bisschen, das da war, das Haftkraft hatte, löst sich anderthalb Jahre vor den nationalen Wahlen in Luft auf.
Dabei hatten die Parteistrategen gerade erst mühsam zwei politische Projekte erarbeitet, hinter die sich SVP, LDP, FDP und CVP vorbehaltlos stellen konnten. Das eine ist der bürgerliche Dauerbrenner: staatliche Ausgaben zurückfahren. Die Spardoktrin ist zumindest in der Theorie der einzige gemeinsame Nenner jener Parteien, die so gerne als Block auftreten würden, um der Linken endlich Schlagkraft entgegenzusetzen.
Nur deshalb sammelten sich die bürgerlichen Parteien Anfang Jahr hinter einem Vorstoss der Grünliberalen, der den kantonalen Haushalt für 2019 deckeln will. Die Forderung ist reine Prinzipienreiterei, sie führt weder zum Abbau von aufgeblasenen Strukturen noch fördert sie den sparsamen Umgang mit Steuermitteln. Dass sich CVP und ansatzweise auch LDP mittlerweile davon distanzieren, ist erfreulich und Zeugnis einer intakten Reflexionsfähigkeit.
Für die bürgerliche Zusammenarbeit ist der Rückzieher dagegen ein schwerer Schlag. Inhaltlich kommt man sowieso schon nicht gemeinsam weiter – und nun gelingt es nicht mal mehr im Hinblick auf die nationalen Wahlen 2019, ein Zeichen der Einigkeit zu setzen.
Rückzieher beim Widerstand gegen Lysbüchel-Projekt
Das zweite politische Vorhaben jenseits der ausgelutschten Parkplatz-Debatte, die als eine Art Kitt fungiert, ist der Widerstand gegen das Stadtentwicklungs-Projekt Lysbüchel. Die SBB wollen dort gemeinsam mit dem Kanton ein altes Industriegeviert in ein Mischquartier mit Gewerbe und Wohnen umwandeln.
Angefeuert von betroffenen Firmen und dem Gewerbeverband standen da noch vor kurzer Zeit sämtliche bürgerlichen Parteien in der Opposition. Jedoch sind die Argumente gegen das Projekt, das Basel dringend benötigten Wohnraum bringt, derart vage, dass in den parlamentarischen Beratungen wiederum LDP und CVP die Seite wechselten. Die Kehrtwende forciert hat ausgerechnet der Gewerbeverband, der in der Bau- und Raumplanungskommission einen katastrophalen Eindruck hinterlassen haben soll.
Dass der notorisch falsch gewickelte Basler Gewerbeverband die bürgerlichen Parteien nicht zusammenhalten kann, ist schon länger bekannt. Von den mit viel Gewerbegeld unterfütterten Kandidaturen bei den letzten Grossratswahlen scheiterten praktisch alle, die Prioritätenliste des Verbands ist nicht nachvollziehbar.
Liberal vs. freisinnig
Neu sind die ausgeprägten Fliehkräfte innerhalb des Bündnisses. Kern des bürgerlichen Problems ist ein Zerwürfnis zwischen den Schwesterparteien LDP und FDP. Das Verhältnis der beiden liberalen Parteien, die immer mal wieder über eine Fusion sprachen, ist heute geprägt von Neid, Misstrauen und Verachtung. Während die FDP unter dem glücklosen Präsidenten Luca Urgese eine Niederlage nach der anderen einfährt, ist die LDP im Hoch – und profitiert vom schwächelnden Partner.
Das hat Spuren hinterlassen: Die FDP unterzieht sich einer verhängnisvollen Selbstfindungskur, die, so viel lässt sich sagen, kein gutes Ende finden wird. Die LDP dagegen blickt durchaus wonnevoll auf die Zersetzungserscheinungen beim Partner und Konkurrenten FDP. Im parlamentarischen Alltag ist die Zusammenarbeit belastet, schon die Wahrung des Scheins gilt als Erfolg.
In der LDP lacht man über die FDP-Personalie Thomas Kessler, in der FDP verhöhnt man LDP-Lichtgestalt Christoph Eymann. Der frühere Stadtentwickler Kessler soll für die FDP in den Nationalrat. Er hat das Zeug dazu, die Partei nachhaltig zu verstören. Eymann wiederum, im Nationalrat unglücklich und wirkungslos, schielt auf eine bürgerlich getragene Kandidatur für den Ständerat. Dass sich FDP und SVP hinter den früheren Erziehungsdirektor stellen, ist derzeit aber nicht vorstellbar: Eymann gilt als politisch allzu luftiger Selbstdarsteller.
Aufreger statt Inhalte
Nicht viel besser ist der Zustand der SVP, der wählerstärksten bürgerlichen Partei. Unter dem neuen Parteipräsidenten Lorenz Nägelin arbeitet man die üblichen kleinen Aufreger ab, eine inhaltliche Strategie, eine Zukunftsidee fehlt. Dazu dürften innerparteiliche Konflikte um den umstrittenen eigenen Nationalrat Sebastian Frehner vor den kommenden Wahlen wieder aufbrechen.
Verschärft wird die Situation durch Abwanderungsgelüste: Parteisekretär und Grossrat Joël Thüring, ohne den in der SVP keine Kopie aus dem Drucker läuft, würde lieber heute als morgen zur aufstrebenden LDP wechseln.
Diese vermag bislang die Führungsrolle im bürgerlichen Spektrum nicht zu übernehmen. Etwas arg selbstgefällig tritt die LDP oft auf, was die Partnerschaft nicht unwesentlich erschwert.
Selbstbewusstsein der CVP
Bleibt die gebeutelte CVP, deren Kurve jahrelang nur in eine Richtung zeigte – abwärts. Unter dem neuen Präsidenten Balz Herter holt sich die Partei langsam jenes Profil zurück, das sie in den vergangenen Jahren bereitwillig aufgab, um im bürgerlichen Block bequem mitzutreiben. Der politisch clevere Herter riskiert den Gang in die Eigenständigkeit, auch wenn seine Linie noch nicht auszumachen ist. Wo positioniert man sich aufgeschlossen, wo wertkonservativ, wo geht man welche Koalitionen ein – diese Fragen muss Herter bald beantworten.
Mit Fraktionschefin Andrea Knellwolf hat Herter aber eine Persönlichkeit an seiner Seite, die jenen Ehrgeiz mitbringt, der kaum noch anzutreffen ist in den Reihen der Bürgerlichen. Ob sich das ausbezahlt, bleibt offen. Klar ist einzig: Die bürgerliche Zusammenarbeit wird sich mit einer selbstbewussten CVP nicht verbessern.
Alles in allem ist die Lage ein Jahr vor den nationalen Wahlen bei den bürgerlichen Parteien alarmierend. Es fehlt ausserhalb der Regierungsbank an fähigem und ambitioniertem Personal; inhaltlich ist man zu keinem Konsens fähig, der über Steuersenkungen hinausgeht.
Wer vertritt ab 2019 Basel-Stadt im Ständerat, wer im Nationalrat? Für die Linke, so scheint es, stehen die Türen derzeit weit, weit offen.