Die neuste Episode um die Jenischen auf dem Basler Hafenareal zeigt vor allem eines: Die komplette Überforderung aller Beteiligten mit der Situation. Es wäre Zeit, dass jemand das Ruder in die Hand nimmt.
Da heissts erst «Weg da!», kurz darauf folgt eine Beschwichtigung und dann das grossmütige Einlenken von Vater Staat: Die Mini-Affäre um die jenische Familie Feubli auf dem Basler Hafenareal ist eine Geschichte von Überforderung und einem Kuddelmuddel an Verantwortungen.
In der Weite des ehemaligen Esso-Geländes und des benachbarten Ex-Migrol-Areals ist jeder Zentimeter Boden geladen. Es sind juristische und politische Tretminen, zwischen denen sich Zwischennutzer und Staat bewegen.
Ein unbedachter Schritt, ein bisschen zu viel Diplomatie, ein Zentimeter zuviel Abweichung oder Zugeständnis – und ein Sprengsatz geht in die Luft. Wie jetzt, wenn eine kleine Familie von Fahrenden ihrer Traditionen folgt und einen leeren Platz sucht, auf dem sie ihre Zelte aufschlagen kann.
Scherenschliff auf randvollem Pulverfass
Natürlich ist es schon eine politische Provokation, als Fahrende in den Kanton Basel-Stadt zu kommen, der keinen Standplatz anbietet. Die Jenischen haben schon verloren, wenn sie nur einen Fuss aufs Kantonsgelände setzen. Und jetzt ausgerechnet auf dem Klybeck-Areal? Da hätten die Feublis gerade so gut auf einem bis zum Bersten gefüllten Pulverfass zum Scherenschliff ansetzen können.
Ein Pandämonium an Zwischennutzern, die Wagenleute, die Schweizer Rheinhäfen AG, der Kanton Basel-Stadt, jetzt auch noch Jenische: Die Liste am Hafen betroffener Personen und Instanzen zerfleddert seit drei Jahren unaufhaltsam.
Mit jeder weiteren Bewegung wachsen Wut und Ärger in der Öffentlichkeit: Was veranstaltet der Kanton dort eigentlich auf jenem Raum, den mittlerweile viele praktisch als Allmend begreifen? Überforderung, Verwirrungen, Ankündigungen, Dementi, Missgunst: Wer hat hier nun was getan und wem widerhandelt?
Eine Auswahlsendung an Verantwortlichen
Dabei geht es nicht mal mehr um die Frage, wer daran schuld ist. Sondern um die Frage, wer zum Geier hier eigentlich die Verantwortung übernimmt.
- Beteiligter 1: Die Schweizerischen Rheinhäfen AG gaben die Grundstücke 2013 (Ex-Esso, Ex-Migrol) im Baurecht an den Kanton. Eigentümer bleiben die Schweizerischen Rheinhäfen, doch ging das Gelände ins kantonale Finanzvermögen und damit an Immobilien Basel-Stadt. So sind die Rheinhäfen aus dem Schneider: Der Kanton ist verantwortlich, was auf den Arealen passiert.
- Beteiligter 2: Immobilien Basel-Stadt ist eine Dienststelle des Finanzdepartements von Eva Herzog (SP). Das politische Geschäft übernahm allerdings bislang das Präsidialdepartement von Guy Morin (Grüne). Immobilien Basel-Stadt ist als Verwalterin des Geländes auch Vertragspartnerin der Zwischennutzer. Das Gelände gilt nicht als Allmend, und damit also nicht als öffentlicher Raum – sonst wäre die Allmendverwaltung vom Bau- und Verkehrsdepartement von Regierungsrat Hans-Peter Wessels (SP) zuständig.
- Beteiligter 3: Die Fachstelle Stadtteilentwicklung ist in der Abteilung Kantons- und Stadtentwicklung des Präsidialdepartements von Guy Morin (Grüne) angesiedelt. Sie kümmert sich um die Zwischennutzungen. So hat etwa der Fachstellenleiter Roland Frank den aktuellen Vertrag mit den Zwischennutzern von Shift Mode mitunterzeichnet. Lange war auch Projektleiter Oliver Wyss von jener Abteilung Ansprechpartner für die Zwischennutzer. Das Präsidialdepartement sieht sich in einer Vermittlerrolle.
- Beteiligter 4: Die Zwischennutzer selbst. Sie sind die Mieter auf dem Gelände. Vermieterin ist Immobilien Basel-Stadt, die das Gelände im Baurecht verwaltet. Angesteuert werden sie allerdings durch das Präsidialdepartement. Der Verein I_Land, der auf dem Ex-Esso-Areal aktiv ist, hat etwa die Auflagen, nur kantonal bewilligte Projekte und Nutzungen zuzulassen. Der Verein Shift Mode auf dem Ex-Migrol-Areal hat sogar eine Klausel im Vertrag, die den Verein dazu anhält, bei «Besetzungen» umgehend eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch einzureichen. Sie sind die Mieter.
- Beteiligter 5: Die «Illegalen», seien es Wagenleute oder Jenische oder alle anderen durch den Kanton Nichtbewilligte, die sich auf dem Areal niederlassen. Sie bringen die politische Situation seit zwei Jahren zur Eskalation.
Wer also übernimmt die Verantwortung? Allein die Aufzählung zeigt das Kuddelmuddel an Zuständigkeiten. Von den Beteiligten 1 bis 4 trägt jeder einen eigenen Teil der Verantwortung, damit auf dem Areal ja nichts schief läuft. Zudem zeigt sich, dass es vor allem Sache einzelner Fach- bzw. Dienststellen ist, Ordnung und Nutzung auf dem Areal sicherzustellen.
Morin spricht zwar – aber als «Vermittler»
Politisch vertritt das Geschäft meist der grüne Regierungspräsident Guy Morin. Allerdings stellt sich das Präsidialdepartement – wie jetzt im Fall der Jenischen – auf den Standpunkt, eine «Vermittlerrolle» zwischen allen Beteiligten wahrnehmen zu wollen.
Divide et impera – «teile und herrsche» – lautete die Devise, nach der das altrömische Reich seine Vasallen in Schach hielt. «Teile und herrsche», das sagen Zwischennutzer vor Ort, «das darf hier nicht sein, das wollen wir hier nicht». Zitieren lassen will sich keiner. Kein Wunder: Ihre eigenen Vereine sind darauf bedacht, es mit dem Kanton nicht zu verscherzen. Die perfekte Zwickmühle. Und die kreative Muse erstickt im Keim.
Grosschance zur politischen Profilierung
Nein. Der Hafen braucht keine neuen Vertragswerke und Reglementarien mehr. Diese Zeit der Provisorien braucht keine Regelwerke, die in ihrer Gesamtheit grösser sind als solche für mehrere permanente Einrichtungen. Der Hafen braucht keine Behördenstellen, die sich in juristischer Kleinstarbeit damit auseinandersetzen.
Der Hafen braucht einen politischen Verantwortlichen, der weiss, was er will, und der das vermitteln kann und die politische Verantwortung übernimmt. Und damit den Nährboden für eine echte, wilde und inspirierende Landschaft für Zwischennutzungen schafft. Ohne Tretminen und ohne weitere Flurschäden für alle Beteiligten und die Öffentlichkeit.