Der Umgang der Uni mit der Astronomie ist ein Hohn

Der letzte Astronomie-Doktorand der Uni Basel ist ein Star – doch sein Fach wurde abgeschafft. Das sagt schon viel. Wie die Uni nun über den Fall spricht, das sagt noch viel mehr.

Die Uni gibt Abermillionen für Biologen aus, für die Astronomie aber reicht es nicht mehr.

Ich hatte immer schon eine Schwäche für Fremdwörter. Begegnet mir ein neues, freue ich mich, es bald ganz beiläufig in eine Unterhaltung einfliessen zu lassen. Der neueste Eintrag auf meiner Liste lautet «Posteriorität».

Er stand in einer Mail von Unisprecher Matthias Geering. Wir wollten von der Unileitung wissen, wie sie die Abschaffung der Astronomie als Forschungszweig beurteilt, nachdem der Doktorand Oliver Müller mit seinem Aufsatz über die Zwerggalaxien im Sternbild Centaurus A für eine international beachtete Sensation gesorgt hat.

https://tageswoche.ch/gesellschaft/ein-doktorand-greift-nach-den-sternen-die-uni-basel-loescht-das-licht/

Posteriorität bedeutet gemäss Duden «von niedrigerem Rang». Die Astronomie sei von der Unileitung anlässlich einer Portfoliobereinigung 2004 als eine solche Posteriorität identifiziert worden, lässt der Dekan der Philosophisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät, Martin Spiess, über den Unisprecher mitteilen.

Damals musste die Universität über die Bücher, um Verluste in Millionenhöhe zu verhindern. Unter grossen Protesten aus der Studentenschaft und dem Uni-Personal wurden Professuren an unterschiedlichen Fakultäten geopfert. Komplett gestrichen wurde die Astronomie.

Der Ausdruck Posteriorität sei jedoch veraltet, lässt mich der dicke, gelbe Duden weiter wissen. Die eigentümliche Wortwahl des Dekans ist so doppelt entlarvend: Nicht nur empfand man die Astronomie als verzichtbar, sondern den Forschertypus des Weltallbeobachters als nicht mehr zeitgemäss.

Ein brillanter Geist macht aus wenig wahnsinnig viel. Weil er dorthin schaut, wo andere drüber hinwegsehen.

Seit der Abschaffung der Astronomie lief die Forschung dort auf Sparflamme. Ein Titularprofessor und ein Doktorand, das wars. Doch Müller brauchte für seine Entdeckung nicht mehr als einen Laptop, einen Internetanschluss und die Kapazität, das Undenkbare zu denken.

Es sind genau diese Geschichten aus der Wissenschaft, die uns elektrisieren: Ein brillanter Geist macht aus wenig wahnsinnig viel. Weil er dorthin schaut, wo andere drüber hinwegsehen. Weil er die Fragen stellt, die im grossen Wissenskonsens untergehen.

Die Prioritäten – also die Gegenspieler jeder Posteriorität – liegen bei der Uni Basel woanders. Für kreative Denker, die über grossen Rätseln brüten, die uns alle ins Staunen versetzen, bleibt da kein stilles Kämmerchen mehr übrig. Den Teppich rollt man aus für Wissenschaftler, die lukrativere Forschungszweige bewirtschaften. Im Departement Physik liegt der Schwerpunkt auf Nano- und Quantenphysik, auch hier wird auf Weltniveau geforscht.

Geld und Geist

In diesen Bereichen ist Geld kein Thema. Viele Millionen Franken, dazu Drittmittel und teuerste Anlagen: Alles selbstverständlich. Von seinem Arbeitsplatz aus hat Oliver Müller beste Sicht auf den Neubau des Biozentrums. Es ist ein Hohn. Mit der Schliessung der Astronomie kann die Uni eine Million pro Jahr sparen. Allein der Bau des neuen Zentrums für Lifesciences kostet 328 Millionen Franken.

Immerhin bleiben damit die Kosten astronomisch hoch. Günstiger als durch den Astronomen Oliver Müller ist die Uni Basel kaum je zu einem international beachteten Erfolg gekommen. Aber vielleicht sind solche Ereignisse bald auch nur noch eine Posteriorität.

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