Wer seinen Job in der Öffentlichkeit ausübt, muss mit Kritik rechnen. Das geht Fussballspielern genauso wie Politikern oder Journalisten. Wo Exponiertheit im Stellenbeschrieb steht, sind Menschen gefragt, die es aushalten können, dass ihnen nicht nur Lob entgegenschlägt.
Für Polizisten, die den Auftrag haben, für Recht und Sicherheit zu sorgen, gilt dies offenbar nicht. Zumindest nicht für die drei Beamten, deren Begegnung mit dem Basler Aktivisten Marc Oestreicher in den hier behandelten Gerichtsfall mündete.
Oestreicher hat die Polizisten im Januar 2017 zusammen mit seiner Frau dabei beobachtet, wie sie einen dunkelhäutigen Mann kontrollierten. Er vermutete einen Fall von Racial Profiling und schritt ein, indem er die Beamten zur Rede stellte.
Er verhielt sich dabei anständig. Seine Intervention blieb verbal, das bestätigte einer der involvierten Polizisten in der offiziellen Einvernahme vor der Staatsanwaltschaft (Stawa). Das Protokoll dieser Einvernahme liegt der TagesWoche vor.
Drei Polizisten und ein couragierter Passant
Obwohl also alles friedlich blieb, sah sich die dreiköpfige Patrouille an diesem Januarabend vor einem Jahr offenbar nicht in der Lage, die Personenkontrolle abzuschliessen. Der dunkelhäutige Mann wurde vorzeitig aus der Kontrolle entlassen und Oestreicher wegen «Diensterschwerung» verzeigt, ausserdem wurde ihm eine Busse über 600 Franken aufgebrummt.
Oestreichers Vergehen: Er liess sich nicht abwimmeln und fragte beharrlich nach dem Anlass der Personenkontrolle. Eine dreiköpfige Polizeipatrouille sollte damit umgehen können.
Richter Lucius Hagemann (CVP) sah das anders und folgte der Argumentation der Stawa. Doch nicht nur das: Er nahm es sogar auf sich, die entlarvenden und widersprüchlichen Aussagen der involvierten Polizisten auszubalancieren.
Der von der Stawa befragte Polizist gab nämlich freimütig zu Protokoll, dass der Anlass der Personenkontrolle die Hautfarbe des dunkelhäutigen Mannes gewesen sei. Man habe ihn «wegen des Verdachtes von illegalem Aufenthalt» kontrolliert. Ein weiterer Grund oder ein zusätzliches Verdachtsmoment kam nie zur Sprache.
Doch Richter Hagemann führte in seiner mündlichen Urteilsbegründung aus, dass bei solchen Kontrollen noch weitere Faktoren wie etwa Uhrzeit, Ort und individuelle kriminalistische Erfahrung der Beamten eine Rolle spielen würden.
Hagemann legte damit ein erstaunliches Einfühlungsvermögen an den Tag, konnte er sich doch offenbar in die Köpfe der Polizisten hineinversetzen und den Sachverhalt in ihrem Sinne auslegen, ohne dass sich die Beamten vor Gericht überhaupt dazu äussern mussten.
Personen-Kontrollen aus einer Laune heraus können nicht «richtig» sein
Weniger feinsinnig zeigte er sich gegenüber den vor Gericht anwesenden Menschen, die von Racial Profiling betroffen sind und offenbar damit rechnen müssen, sich aufgrund ihrer Hautfarbe verdächtig zu machen, nur weil sie «statistisch» in irgendein Täterprofil passen.
Wenn etwa die «bz Basel» schreibt, «polizeiliches Profiling ist richtig», dann ist das kurzsichtig. Klar ist, dass die Polizei im Falle einer aktiven Fahndung effizienter arbeiten kann, wenn sie mit einem Fahndungsraster operiert. Das war hier erwiesenermassen nicht so.
Wenn einfach aus einer Laune heraus dunkelhäutige Menschen kontrolliert werden, weil damit vielleicht ja ein illegaler Aufenthaltsstatus festgestellt werden könnte, ist das schlicht Verhältnisblödsinn. Betroffene sind in ihrer Bewegungsfreiheit massiv eingeschränkt, sie müssen mit Polizeikontrollen rechnen, wenn sie sich an einem Ort aufhalten, wo sie gemäss «individueller kriminalistischer Erfahrung» der jeweiligen Polizisten mit höherer Wahrscheinlichkeit zu den Tätern gehören.
Vor solch gravierenden Eingriffen sollte ein Gericht die Menschen schützen, das hätte Signalwirkung bis weit in die Gesellschaft hinaus. Richter Hagemann hat sich stattdessen dafür entschieden, drei Polizisten vor lästigen Passantenfragen zu schützen.