Für die einen ist sie nötig, massvoll und budgetverträglich, andere bezeichnen sie als unnötiges Steuergeschenk zum falschen Zeitpunkt und erst noch an die Falschen: Die Senkung der Unternehmensgewinnsteuer auf 18 Prozent kommt am 17. Juni 2012 zur Abstimmung.
Zugegeben, einen Moment lang habe ich gewankt. Denn Eva Herzogs Argumente für eine Senkung der Unternehmensgewinnsteuer in Basel-Stadt sind nicht nur schlüssig, die Finanzdirektorin trägt sie auch äusserst überzeugend vor. Und da sie von links bis rechts als ebenso kompetent wie umsichtig beurteilt wird, geniesst sie auch grosse Kredibilität.
Ausserdem ist natürlich auch mir klar, wie wichtig gute Standortbedingungen für die Wirtschaft und damit unser aller Wohlstand sind. Wer wollte schon dagegen sein? Und wenn die kompetente Finanzdirektorin sagt, die Steuersenkung sei massvoll und budgetverträglich, dann muss es ja fast stimmen.
Mittlerweile habe ich mich anders entschieden. Dazu beigetragen hat die SP-dominierte Basler Regierung mit ihrem Lobbying für höhere Medikamentenpreise in Bern. Nicht nur kommt mir das vor, als würde die St. Galler Regierung für eine landesweite Anhebung der Bratwurstpreise plädieren. Tessiner mehr fürs Voltaren zahlen zu lassen, nur damit unsere Arbeitsplätze erhalten bleiben? Geht irgendwie nicht. Was ich sagen will: Die Willfährigkeit, mit der sich unsere Regierung vor den Karren der Pharmaindustrie spannen lässt, treibt mir die Schamesröte ins Gesicht.
Aber zurück zum Thema. Als ich mich beim Finanzdepartement für meinen TagesWoche-Artikel zur Senkung der Unternehmenssteuer erkundigen wollte, wie viel zum Beispiel Novartis und ein durchschnittlicher Malerbetrieb von der Steuersenkung profitieren würden, bekam ich keine Auskunft: Steuergeheimnis.
Eigentlich ist das auch gar nicht nötig. Denn was man auf jeden Fall annehmen kann, ist, dass Novartis eine Senkung der Gewinnsteuern auf 18 Prozent kaum spüren dürfte. Der neue Novartis Campus allein macht deutlich, dass das Bekenntnis des Konzerns zum Standort Basel ganz unabhängig von solchen Peanuts erfolgt. Und, könnte man hinzufügen, dass er ohnehin schon nicht mehr zu wissen scheint, was er mit dem Geld anstellen soll.
Wie viel ein Handwerksbetrieb profitiert, ist ebenfalls schnell gesagt: praktisch gar nicht. Es sei denn, er erziele eine aussergewöhnlich hohe Eigenkapitalrendite, was unwahrscheinlich ist. Solche Firmen erkennt man daran, dass sich ihre Inhaber in fein gestreifte Anzüge gewanden und nicht in Overalls.
Am meisten von der Steuersenkung profitieren würden jene, denen es heute schon am besten geht. Das findet Eva Herzog okay, denn wenig rentable Firmen, so ihr Argument, würden in Basel ohnehin zurückhaltend besteuert. Von der Steuersenkung profitieren würden laut Finanzdepartement immerhin 1800 der 9200 hier ansässigen Firmen. Sie zahlen den aktuellen Maximalsteuersatz von 20,5 Prozent.
Wenn Sie im Jahr eine Million Gewinn machen, zahlen Sie nach der Senkung maximal 185’000 statt wie bisher 205’000 Franken. Alle bürgerlichen Parteien und alle Wirtschaftsverbände sind dafür. Was Wunder!
Die Basler Mittelstandsvereinigung führt den Kanton Zug ins Feld, wo sich mehr Life-Science-Firmen niederliessen als in Basel. Bis Zug sind es aber noch ein paar Prozent.
Finanzdirektorin Herzog macht geltend, dass nach der Entlastung der natürlichen Personen in den vergangenen Jahren nun die Unternehmen an der Reihe seien. Da sie selbst die Parallele zieht: Bei der Entlastung der natürlichen Personen wurden die wenig Verdienenden besonders stark entlastet.
Bei den juristischen fällt die soziale Komponente nicht nur weg, sie verkehrt sich ins Gegenteil: Wer wenig Gewinn macht, zahlt wie bis anhin den Grundsteuersatz von 9 Prozent plus ein bisschen was dazu. Das sind 60 Prozent der Firmen in Basel-Stadt. Für sie ändert sich nichts. Hätte man sie entlastet oder gar gänzlich von der Gewinnsteuer befreit, wäre wirklich etwas gewonnen.
Ändern tut sich hingegen etwas bei Novartis: Sie zahlt heute rund 1,8 Milliarden Franken Gewinnsteuern pro Jahr. Ob da ein Geschenk von einem hohen zweistelligen Millionenbetrag ins Gewicht fällt – ich weiss nicht.
Ausserdem schwant mir, dass wir alle die Zeche dafür bezahlen werden. Denn so wenig Novartis den Erlass spüren dürfte, so schmerzlich wird uns das entgangene Geld fehlen, wenn es um Investitionen in Bildung, Infrastruktur und Ähnliches geht. Ausserdem muss man sich ja fragen, ob jetzt der richtige Zeitpunkt für solche Geschenke ist. Die Antwort ist Nein.
Darüber wird abgestimmt
Am 17. Juni entscheiden die Wählerinnen und Wähler über die Senkung der Unternehmensgewinnsteuer in Basel-Stadt. In der dritten Senkung in der Amtszeit von Finanzdirektorin Eva Herzog soll der Maximalsteuersatz von aktuell 20,5 Prozent bis 2017 auf 18 Prozent herabgesetzt werden.
Laut Angaben des Finanzdepartements würde das den Kanton im Endeffekt 50 Millionen Franken pro Jahr kosten. Unterstützt wird die Senkung von den bürgerlichen Parteien. Dagegen sind die linken Parteien inklusive Finanzdirektorin Eva Herzogs eigener Partei, der SP.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 08.06.12