Was auf dem Kasernenareal passiert, ist kein kultureller Aufbruch. Vielmehr ist es ein weiterer Schritt zur Gentrifizierung attraktiver Orte im Kleinbasel.
Kürzlich wurde die Öffentlichkeit vom Leiter der Basler Kantons- und Stadtentwicklung, Thomas Kessler, und von Kulturchef Philipp Bischof über den aktuellen Stand der Umbauplanung auf dem Kasernenareal in Kenntnis gesetzt. An der Pressekonferenz ebenfalls anwesend war der Leiter des Hochbauamts, Thomas Fries, der über den sogenannten «Aufbruch in Etappen» informierte.
Jetzt, da Eckdaten und Auslegeordnung der Sanierung vorliegen, ist es nochmals möglich, sich Gedanken darüber zu machen, welche Ziele mit dem Umbau und der Neupositionierung des Kasernenareals angepeilt werden. Vordergründig wird uns glauben gemacht, dass es hier nur um ein paar bauliche Projekte geht.
Peu à peu sind die verschiedenen Bauabschnitte in den letzten zwei Jahren kommuniziert worden. Man könnte dieses Vorgehen Salamitaktik nennen. Vielleicht ist es aber auch eine Verschleierung der tiefer greifenden Veränderungen, die von der Verwaltung auf dem Kasernenareal initiiert werden.
Die kulturellen und soziokulturellen Aktivitäten auf dem Kasernenareal waren ursprünglich reine «Bottom-up»-Projekte. Die ganze Anlage war in ihrer Vielfalt ein buntes Gemisch von Selbsthilfeprojekten, ein loses Zwischennutzungs- und Freiraumprojekt (den Begriff gab es damals allerdings noch nicht).
Auf dem Kasernenareal haben die Involvierten ihre einstige Autonomie aufgegeben.
Inzwischen sind die meisten Projekte und Institutionen fester Bestandteil der öffentlichen Wahrnehmung geworden und werden kaum mehr in Frage gestellt. Zudem sind die meisten Unternehmungen auf dem Kasernenareal in feste Subventionsverträge eingebunden und damit abhängig von der öffentlichen Hand. Sämtliche Aktivitäten und Entwicklungen werden über Leistungsaufträge gesteuert und kontrolliert. Damit haben alle Involvierten viel von ihrer ursprünglichen Autonomie aufgegeben. Die meisten nehmen dies jedoch gelassen: Sie brauchen das Geld.
Seit einigen Jahren scheint aber die Verwaltung mit diesem Zustand nur noch bedingt zufrieden zu sein. Die Roadmap des Präsidialdepartementes und der Stadtentwicklung will absolute Planungshoheit und Planungssicherheit. Die Gestaltungshoheit auf dem Areal soll vollständig zurückgewonnen werden. Daher auch dieser plötzliche extensive Planungs- und Umbauaufwand.
Die ehemalige Klosterkirche, heutiger Sitz der Ateliergenossenschaft, wird saniert. Das liefert auch die Grundlage, die Mietverhältnisse neu zu definieren. Jetzt liegt die Hoheit der Raumvergabe wieder bei der Verwaltung. Der 35 Millionen Franken teure Umbau des Kasernenhauptbaus wird ebenfalls von der Verwaltung diktiert – und damit auch, was künftig auf den gewonnenen 9000 Quadratmetern Nutzfläche stattfinden wird.
Die Verwaltung hat die Hoheit über das Areal vollständig zurückerobert.
Wir sind nun bereits definitiv in der Phase der «Top-down»-Projektierung angelangt. Die Verwaltung hat die Hoheit über das Areal vollständig zurückerobert. Hier passiert nur noch, was Kessler & Co. genehm ist. Die «Kessler-Bar», pardon, die auf dem Südturm des Kasernenhauptbaus geplante «Skybar», ist ebenso gesetzt wie ein Gastrobetrieb der gehobenen Klasse. Alle anderen Aktivitäten, die das neue Kultur- und Kreativzentrum beleben sollen, müssen später noch erfunden werden.
Da stellen sich schon ein paar Fragen. Etwa: Warum braucht es eigentlich einen weiteren Gastrobetrieb in diesem hochsubventionierten «Kreativ-Cluster»? Die Beizendichte rund ums Kasernenareal ist sagenhaft: Will man die umliegenden Beizen konkurrenzieren? Oder soll das Kasernenareal künftig noch stärker als solitäre Kulturbastion agieren – ganz nach dem Motto: «Wir überleben auch ohne das umliegende Quartier»? Einiges deutet darauf hin. Die geplante Kunst-Wagenburg mit ein paar seitlichen Schlupflöchern und einer Barriere beim Eingang signalisiert klar: Hier gibt es ein Innen und ein Aussen, entweder man ist Teil dieser hippen Kunstwelt oder man steht aussen vor.
Das Kasernenareal wird von der Stadt jetzt als Marke vereinnahmt.
Im Klartext: Das Kasernenareal ist ein wesentlicher Teil der offensiv betriebenen Gentrifizierung des Kleinbasels – oder zumindest der attraktiven rheinseitigen Orte. Als Gentrifizierung bezeichnet man den sozioökonomischen Strukturwandel bestimmter städtischer Viertel im Sinne einer Abwanderung ärmerer und eines Zuzugs wohlhabender Bevölkerungsgruppen. Parallel kommt es zu einem Anstieg des Wohnpreisniveaus.
Das Kasernenareal ist von der Verwaltung als «Brand» erkannt worden und wird von der Stadt jetzt als Marke vereinnahmt. Das Stadtmarketing wird sich zukünftig vermehrt um das Areal kümmern und die entsprechenden Projekte und Festivals publikumsattraktiv gesamtstädtisch und international vermarkten. Das Kasernenareal wird zum kultigen Hotspot.
Bis es so weit ist, braucht es allerdings noch ein paar Räumungen und Bereinigungen. Die Moschee, seit 43 Jahren auf dem Kasernenareal beheimatet, ist das erste Opfer dieser Entwicklung. Dumm gelaufen, dass die Denkmalpflege ausgerechnet jetzt, nach Jahren der Duldung und offensichtlich akzeptierter Verluderung der Bausubstanz, endlich den Urzustand herstellen will. Der Kanton will den Dachstock, in dem sich die «Mescid Moschee» befindet, im Sommer 2015 sanieren und anschliessend in einen Lagerraum umfunktionieren. Eine Weiterführung der bisherigen Nutzung sei danach aus feuerpolizeilichen Gründen ausgeschlossen, sagt Stadtentwickler Thomas Kessler. Gut, kann er feuerpolizeiliche Gründe anführen und muss nicht Klartext reden.
Willkommen im staatlich geprüften kulturellen Freigehege.
Den Boxclub wird man als Exotikum wohl noch etwas dulden, vielleicht auch den Spiel-Estrich. Gehört habe ich aber, dass eines der gut laufenden Rotlicht-Etablissements hinter dem Hotel Balade im Klingental demnächst auch geräumt werden soll. Logisch: In unmittelbarer Nähe zur Kunstinsel stört das horizontale Gewerbe schon etwas. Man will das künftige alternative internationale Kunstpublikum ja nicht brüskieren.
Vielleicht wird deswegen auch das heute schon schöne Klingentalweglein für 1,5 Millionen Franken noch etwas aufgehübscht. Weitere flankierenden Massnahmen sind in Planung.
Vielleicht sollte man auch die Tramhaltestelle, analog zum «Dreispitz-Cluster», für 2,5 Milliönchen noch etwas aufmöbeln, als Kunstarchitektur (viel Beton, keine Sitzbänke und aus ästhetischen Gründen auch kein Billettautomat) lancieren und mit einem neuen Namen signalisieren, dass hier die Kreativ-Zukunft begonnen hat. Willkommen im staatlich geprüften kulturellen Freigehege.