Es gibt diese weit verbreitete Meinung, die Armen seien selber schuld an ihrem Schicksal. Mehr noch: Sie liegen dem Staat – und damit uns Steuerzahlern – absichtlich auf den Taschen.
In der Politik klingt das so: Arme sind «Drückeberger und Sozialschmarotzer», für die man «Steuergelder verschleudert». Worte, die Christoph Blocher an der Albisgüetli-Tagung 1996 sprach. Seither wendet die SVP diese und ähnliche abwertende Begriffe konsequent auf alles und alle an, die unten angekommen sind.
Ein völlig falsches Bild
«Sozialschmarotzer» und «Rentenbetrüger» hätten eine «starke Lobby», es gelte sie darum mit allen Mitteln zu bekämpfen. «In gegenseitiger komplizenhafter Verbundenheit spielen sie sich geschickt in die Hände.» Und: «Solchem Tun hat die SVP den Kampf angesagt.» Das stand vor über zehn Jahren in der Parteizeitung.
Im gleichen Sinne ist ein aktueller Vorstoss der Baselbieter SVP zu verstehen. Diese verlangt, die Sozialhilfe im Kanton neu auf das absolute Minimum zu reduzieren. Nur, wer «kooperiert», soll eventuell gleich wenig wie früher erhalten.
Betroffene werden so zum potenziellen Täter erklärt. Zum Komplizen eines Verbrechens, nämlich eines geplanten Raubzugs auf die Portemonnaies derer, die Geld und Arbeit haben. Der Arbeitslose und die Sozialhilfeempfängerin als Feind.
Hass gegen die Armen ist eine Strategie, die eigene Angst vor dem sozialen Abstieg zu verdrängen.
Die Ursache der Armut sei bei diesen Menschen zu suchen. Nicht im Arbeitsmarkt. Nicht in der Gesellschaft. Nicht in der Wirtschaft. Die, die auf der Strecke bleiben, die sind selber schuld. Alle. Das ist es, was die Partei mit «mehr Eigenverantwortung» meint.
Zahlen zeigen aber: Das stimmt nicht. Arme können in den allermeisten Fällen nichts dafür, dass es sie «getroffen hat». Die Zahl der Armen und der Menschen am Rand des Existenzminimums nimmt zu. Die Wirtschaft in Basel floriert, der Stadt geht es bestens, doch für schlechter Qualifizierte gibt es immer weniger Jobs. Auch bei vielen besser Qualifizierten reicht ein Schicksalsschlag – Scheidung, Unfall, Kündigung – und schon hat die Abwärtsspirale begonnen.
Die TagesWoche hat mit Betroffenen gesprochen. Mit dem Handwerker, der nach Trennung und kurzer Arbeitslosigkeit in seinen Schulden zu versinken drohte. Mit der Bankangestellten und der Ärztin, die plötzlich vor dem Nichts stehen. Die Geschichten zeigen: Es kann uns alle treffen.
Lesen Sie ihre Geschichten, indem Sie auf dieses Bild klicken:
Vielleicht kommt daher der Hass gegen die Armen. Er ist eine Strategie, die eigene Angst vor dem sozialen Abstieg zu verdrängen. Die Angst ist menschlich, die Strategie ist es nicht. Ängste muss man ansprechen und sich mit ihnen auseinandersetzen, sonst arten sie aus.
Für das Funktionieren unserer Gesellschaft wäre es gesünder, sich Strategien auszudenken, wie wir Menschen am unteren Rand weiterhin bestmöglich auffangen können, statt sie auszugrenzen.