Steve Bannon kommt nach Zürich für einen öffentlichen Vortrag zu seinem Lieblingsthema: den angeblichen globalen Aufstand «des Volks» gegen «die Eliten». Bannon ist seit Jahren davon besessen. Der 64-Jährige spricht darüber, wann immer er vor einem Mikrofon steht. Der Titel der Veranstaltung, durch die «Weltwoche»-Herausgeber und SVP-Nationalrat Roger Köppel führen wird: «Die populistische Revolte und ihre globalen Auswirkungen für die Schweiz, Europa und Amerika».
Die Aufregung in einigen Schweizer Medien über die geplanten Proteste eines sozialistischen Grüppchens, das gegen Bannons Auftritt mobilisiert (#bannonhauab), war grösser als der Wirbel um Bannons Kommen selbst. Die Protest-Ankündigung verleitete gar «Blick»-Chefredaktor Andreas Dietrich zu einem Kommentar, in dem er sich über die unendlich grossen «Bretter vor den Köpfen» der «Flachland-Linken» echauffiert.
Den Rechtsextremen hautnah erleben
Die Botschaft des «Blick»-Chefs: Wer Bannons Auftritt verhindern will, ist gegen Demokratie und Meinungsfreiheit. Man müsse «Handeln und Denken» von Bannon nicht teilen, so Dietrich, «aber aus der Nähe erfahren, wie solche Menschen ticken – man nennt es Neugierde, Auseinandersetzung, Offenheit».
Die «Weltwoche» sieht das wenig überraschend genau gleich: In der aktuellen Ausgabe schreibt sie über den Bannon-Event, egal, was man von Bannon halte, er gehöre «zu den spannendsten Persönlichkeiten unserer Zeit», weshalb nun die Gelegenheit zu ergreifen sei, «sich hautnah ein eigenes Bild des Amerikaners zu machen».
Das könnte man so stehen lassen. Käme nicht Steve Bannon. Wofür steht denn der Ex-Investmentbanker, Ex-Filmemacher, Ex-Wahlkampfberater, Ex-Chefstratege und Ex-Medienunternehmer? Oder direkter gefragt: Soll man einem Rechtsextremen wirklich mit Offenheit und Neugierde begegnen?
Bannons Stern ist am verblassen
Eins ist sicher: Aufmerksamkeit und einträgliche Auftritte hat Bannon nötig. Er muss sich mittlerweile mit dem blossen Reden über angebliche Revolten begnügen. Der Stern des ehemaligen Chefstrategen von US-Präsident Donald Trump hat schon heller gestrahlt. Sein Aufstieg in die höchsten Sphären der politischen Macht endete genau so schnell, wie er begonnen hatte: Schon Mitte August 2017 hat Bannon seinen Posten im Weissen Haus verlassen. Und Anfang 2018 musste er bei Breitbart News gehen – der rechtsextremen «Nachrichten»-Organisation, die er ab 2012 geführt hatte.
Rechtsextrem? Aber sicher.
Bannon ist ein Bewunderer des französischen Extremisten Charles Maurras, der den Zweiten Weltkrieg als glückliche göttliche Fügung erachtete. Bannon zitiert und lobt den obskuren italienischen Philosophen Julius Evola, dessen Ideen die italienischen Faschisten beeinflussten und der die Nazis vergötterte. Und nicht zuletzt hat Bannon im Jahr 2016 gesagt, er sehe Breitbart News als «Plattform für die Alt-Right-Bewegung». Das Abdriften von Breitbart von nationalkonservativ über den ganz rechten Rand des politischen Spektrums hat das Southern Poverty Law Center bereits im April 2016 dokumentiert.
Alt-Right sind auch nur Neonazis
Alt-Right, das ist eine neuere Bezeichnung – viele Kommentatoren und Experten sagen, ein Euphemismus – für Rechtsextremisten und Neofaschisten in den USA.
Nun könnte man einwenden, Steve Bannon habe sich – hin und wieder – explizit von Neonazis distanziert. Gezwungenermassen. Aber den Chef der «Plattform für die Alt-Right-Bewegung» muss man beim eigenen Wort nehmen dürfen.
Bannon weiss, was er tut, Ausflüchte hin oder her. «Gibt es einige Leute, die weisse Nationalisten sind, die von einigen Philosophien der Alt-Right angezogen werden? Vielleicht», sagte Bannon. «Gibt es einige Leute, die Antisemiten sind, die von Alt-Right angezogen werden? Vielleicht. Oder? Vielleicht gibt es auch Schwulenhasser, die von Alt-Right angezogen würden, okay?», flachste er in einem Interview.
Verräterische E-Mails
Nach der Ermordung einer Fussgängerin durch Alt-Right-Anhänger in Charlottesville, Virginia, im August 2017 beeilten sich Bannon und Breitbart, klarzustellen, das mit Breitbart als Plattform für die Alt-Right habe man missverstanden: Man habe «Computer-Gamer und Arbeiter gemeint, die die offizielle Marke der Republikanischen Partei hassen».
Doch geleakte E-Mails aus der Breitbart-Redaktion straften die Klarstellungen kurz darauf Lügen – die direkte Verbindung zwischen einigen Artikeln der dort angestellten Autoren und bekennenden Neonazis kamen ans Licht. Die gleichen Artikel gingen auch über das Pult von Steve Bannon. Die enge Verflechtung zwischen Breitbart und einigen führenden Köpfen von Alt-Right-Neonazis sind mittlerweile belegt.
Liebe für die dunkle Seite der Macht
«Dunkelheit ist gut», sagte Bannon während des US-Wahlkampfs in einem Interview, das erst nach der Trump-Wahl veröffentlicht wurde. Der ehemalige Chef-Stratege fügte an: «Dick Cheney. Darth Vader. Satan. Das ist Macht.» Umso hilfreicher sei es, wenn der Gegner – und damit meint Bannon alle ausser denjenigen, die voll und ganz auf seiner Seite stehen – ihn falsch einschätzten. «Es hilft uns nur, wenn sie blind sind dafür, wer wir sind, und was wir vorhaben.»
Wahrlich diabolisch: Darth-Vader-Fan Bannon fühlt sich seiner Sache derart sicher, dass er seine Maske und die Blindheit des Publikums für sein wahres Wesen explizit zum Thema macht. Das kann er auch, so lange die angeblich kritische Schweizer Medienöffentlichkeit ihm und seinesgleichen den roten Teppich ausrollt und das Publikum zu Neugierde und Offenheit ermahnt. Statt Klartext zu reden und den Vortragenden als das zu entlarven, was er ist.
Demaskierung
Beim Schweizer Auftritt von Erdogans Aussenminister hatte der «Blick»-Chefredaktor damit übrigens keine Probleme. «Diktatur on tour» nannte er das. Die geplanten Proteste müsse man als guter Demokrat aber dulden, schrieb er im April 2017, die Veranstaltung entsprechend schützen: «So lange sie unsere Gesetze respektieren, sollte für seine Provokateure die Meinungs- und Äusserungsfreiheit gelten», so der «Blick» damals über Gegendemonstranten.
Gastgeber Köppel wird Bannon sicher nicht demaskieren. Seit der Trump-Wahl im November 2016 kommt der «geniale Stratege», der «Sprecher der schweigenden Mehrheit», auf ansehnliche 56 Nennungen in seinem Wochenmagazin.
Vader-Freunde unter sich
Und falls die immergleichen und längst bekannten Sätze Bannons auf der Bühne – über den Untergang des Abendlandes, der Aufklärung, der westlichen Zivilisation, der christlichen Zivilisation, der Weltordnung im Allgemeinen und im Speziellen (jeweils durch alles Andere, Neue und Fremde) – sogar einem wie Köppel zu langweilig werden sollte, können die beiden ja vielleicht über eine weitere gemeinsame Leidenschaft fachsimpeln.
Die dunkle Seite der Macht fasziniert bekanntlich auch den «Weltwoche»-Chef. «Eigentlich müsste man, wenn ich in die Redaktion komme, den Darth-Vader-Marsch spielen», sagte Köppel der «Zeit» schon vor 15 Jahren. Die «Verlockung der Macht», das «entgrenzte Ego», das fasziniere ihn.
Auch beim SVP-Demagogen funktioniert der Trick mit der Maske bestens. Erst vor einem Monat hat der «Tages-Anzeiger» wieder einmal befürchtet, Köppels viele «Provokationen» könnten dazu führen, dass er sie am Ende «selber glaubt». Dabei ist die Frage des wahren Glaubens hier vollkommen deplatziert. Indem man sie stellt, hilft man dem gemeinen Vader-Fan höchstens noch beim Anziehen der Maske. Aber wenn er schwärmt oder schimpft, sollte man ihn beim Wort nehmen. Schon längst.