Die wichtigste Erkenntnis, wenn man sich mit der Haftpolitik der Schweiz beschäftigt, ist diese: Es gibt keinen Fortschritt. Jedenfalls keinen, der auf Erfahrung und Empirie beruht. Alle paar Jahre wechseln die Direktiven, mit Auswirkungen für Tausende Menschen.
Derzeit feiert der Glaube ans Gefängnis in der Schweiz Hochkonjunktur. Das gilt insbesondere für Basel-Stadt, das dank der Staatsanwaltschaft jährlich Hunderte Menschen bürokratisch effizient und teilweise unter Missachtung fundamentaler Anhörungsrechte hinter Gitter schickt.
Ermittler sollen nicht Richter sein
Noch vor zehn Jahren war es genau umgekehrt. Da hörte die Politik auf Experten wie den früheren Strafrechtsprofessor Franz Riklin und band die Justiz zurück. «Kurze Freiheitsstrafen sind die primitivsten und kostspieligsten aller Sanktionen», stellte Riklin 2009 fest. Die meisten Studien stellen die Wirksamkeit solcher Strafen bezüglich Resozialisierung und Rückfallhäufigkeit der Straftäter stark infrage.
Gleichwohl drehte die Debatte bald nach Riklins Aussage in die andere Richtung, und aktuell ist der angebliche Wunsch der Gesellschaft nach harten Strafen das Mass allen Handelns.
Dass für diesen Trend in Basel vor allem Staatsanwälte verantwortlich sind,ist zusätzlich problematisch: Ermittler sollten nicht zugleich Richter sein, jedenfalls nicht, wenn sie Menschen ins Gefängnis schicken und dadurch ihres Jobs und sozialen Umfelds berauben.
Der Hang zur Haft zeigt sich auch in der Schweizer Asylpolitik. Die Plätze für Ausschaffungshaft sollen in den nächsten Jahren beinahe verdoppelt werden. Dass Menschen, die nicht in der Schweiz bleiben dürfen, ins Gefängnis gehören, gilt als selbstverständlich. Dabei existiert keine rechtliche Notwendigkeit, abgewiesene Flüchtlinge in Haftanstalten zu stecken. Der einzige Grund, ihnen die Freiheit zu entziehen, besteht darin, der Gefahr des Untertauchens entgegenzuwirken.
Kritik von der Folterkommission
Doch dafür braucht es keine Zellen und Isolationskammern wie im Basler Bässlergut. Kein Haftregime wie es für Schwerverbrecher angemessen erscheint, und das entsprechend von der eidgenössischen Folterkommission seit Jahren kritisiert wird. Selbstredend ohne dass die Behörden einen dringenden Handlungsbedarf erkennen können.
Eine Debatte über unseren Haftkult ist dringend notwendig. Er kostet viel Geld, macht die Gesellschaft nicht sicherer – und stellt letztlich die Legitimität unseres Rechtssystems infrage. Ein Rechtsstaat, der sich immer passend zum Wind ausrichtet, verliert sein Fundament: Die Überzeugung, dass nach bestem Wissen und Gewissen geurteilt wird.