Amtszeitbeschränkung hin oder her: Anita Fetz will ihren Ständeratssitz nicht kampflos abgeben.
Die Art und Weise, wie Anita Fetz durch die Wandelhalle des Bundeshauses schreitet, hat etwas Majestätisches. Eine kopfnickende Begrüssung in diese Richtung, ein musternder Blick in die andere – dazwischen ein bisschen Smalltalk. Die 57-Jährige geniesst das Treiben während der Session sichtlich. Dass der Ständerat ein paar Minuten zuvor die von ihr unterstützte Stipendieninitiative abgelehnt hat, ändert nichts an Fetz‘ guter Laune an diesem Donnerstagvormittag. Als SP-Politikerin ist sie es sich gewohnt, in der kleinen Kammer Niederlagen einzustecken. Frustrationstoleranz gehöre dazu, sagt Fetz auf dem Balkon und zieht an ihrer Parisienne orange.
Fetz ist noch nicht bereit abzutreten, mit aller Kraft klammert sie sich an ihr Ständeratsmandat. Im Herbst 2015 will sie wieder kandidieren, obwohl in der Basler SP eine Amtszeitbeschränkung von zwölf Jahren gilt. Nicht, weil sie sonst kein Leben hätte. Sondern weil sie sich jetzt auf dem Höhepunkt ihrer Karriere befindet und als nächste Präsidentin der Finanzkommission vorgesehen ist. «Ich bin immer noch motiviert, und ich bin in Form. Zudem habe ich jetzt am meisten Einfluss – es braucht Jahre im Ständerat, bis man so weit ist.»
Fetz kann nur weitermachen, wenn ihre Partei die Amtszeitbeschränkung ausser Kraft setzt. Konfrontationen sind programmiert. In der Basler SP gibt es nicht wenige, die ihren Plänen gegenüber kritisch eingestellt sind. Erschwerend kommt hinzu, dass Finanzdirektorin Eva Herzog, dem Liebling der Stadtbasler SP, seit Längerem Ambitionen für den Ständerat nachgesagt werden.
Unabhängigkeit als Zielvorgabe
Die ehemalige Politikerin der Progressiven Organisationen Schweiz (Poch) ist die Diskussionen rund um die Amtszeitbeschränkung im Hinblick auf die Wahlen nächstes Jahr leid. Sie sagt: «Ich habe keinen Bock, dass primär darüber geredet wird, noch ist die politische Arbeit wichtiger. Das habe ich auch parteiintern mitgeteilt.» Sie wolle sich nicht wie eine Marionette behandeln lassen.
Neben Fetz laufen die erlaubten zwölf Amtsjahre auch für Nationalrätin Silva Schenker und Regierungsrätin Eva Herzog ab. Fetz greift in die Gender-Kiste, wie sie es immer wieder gerne macht: «Es ist doch hochinteressant: Zum erstem Mal gibt es in der SP Basel-Stadt drei Frauen, die wirklich fest im Sattel sind, und man debattiert darüber, ob sie weitermachen dürfen oder nicht. Männer wie Ruedi Rechsteiner aber haben ihre Verlängerung problemlos gekriegt – bei keinem hätte man gewagt, eine solche Diskussion öffentlich zu führen.»
Fetz redet viel und energisch. Und wie ihr der Schnabel gewachsen ist, beschönigende Worte liegen ihr nicht. Während der knapp einstündigen Zugfahrt nach Basel erzählt sie immer wieder von ihrem inzwischen verstorbenen Vater Anton. «Mein Elternhaus hat mich sehr geprägt. Mein Vater hat mir immer wieder gesagt, dass ich selber Geld verdienen, überhaupt unabhängig sein muss und mir von niemanden auf die Kappe geben lassen darf.» Statt einzustecken, teilt die äusserst schlagfertige und selbstbewusste Fetz selber aus, sie mag es, ihre Kontrahenten mit Provokationen aus der Reserve zu locken.
Gerechtigkeitssinn ist ihr Instinkt
In die Politik kam Fetz, aufgewachsen in Basel und Münchenstein, durch das seinerzeit geplante AKW Kaiseraugst. Sie habe das so ungerecht gefunden, dass sie am 1. April 1975 an der Besetzung des Geländes teilnahm. 1984 wurde sie Grossrätin der Progressiven Organisationen Basel (POB), ein Jahr später Nationalrätin der Poch bis 1989. Nach deren Auflösung trat sie 1993 der SP bei. Es folgten Stationen im Grossen Rat, im Nationalrat, und seit 2003 sitzt sie im Ständerat. Zur Basler SP pflegt sie eher ein distanziertes Verhältnis. Fetz sagt: «Ich habe nicht immer die gleiche Meinung wie die SP, aber ich mag die Vielfalt und teile die Werte voll und ganz.»
Die Inhaberin einer kleiner Beratungsfirma widmet sich im Ständerat den Themenfeldern Finanzen, Wirtschaft, Wissenschaft und Bildung. Mit Leidenschaft studiert sie immer wieder die Geldflüsse, allen voran in der Agrarpolitik, weil da enorm viel im Dunkeln liege. «Die Finanzströme zeigen, wie die Macht organisiert ist. Diese muss man kennen, um etwas bewegen zu können.» Fetz gefällt sich in der Rolle der Detektivin. Sie habe eine gute Nase dafür, wo der Hund begraben sei, sagt sie.
«Ist es links, sich für gut verdienende Staatsangestellte einzusetzen, damit ihre sehr gute Pensionskasse nicht gekürzt wird?»
Fetz wird in ihrer Politik von einem «Gerechtigkeitsgefühl» getrieben. «Der Gerechtigkeitssinn ist mein Impuls. Es geht mir um Fairness.» Und dies sei nicht mehr so einfach definierbar wie früher. Deshalb könne sie auch mit der ganzen Diskussion, wie links sie sei, nichts anfangen. Immer wieder werde ihr vorgeworfen, zu bürgerlich zu politisieren.
Solche Kategorisierungen nerven sie: «Was ist links? Ist es links, sich für gut verdienende Staatsangestellte einzusetzen, damit ihre sehr gute Pensionskasse nicht gekürzt wird?» Sie habe andere Prioritäten und sehe die Ungerechtigkeit woanders. Bei den Working Poor oder dem aus dem Staatsdienst ausgelagerten Reinigungspersonal beispielsweise.
Die Anliegen der Staatsangestellten sind ihr nicht fremd, aber den KMUlern fühlt sie sich näher. Das hat mit ihrer Biografie zu tun, ihre Eltern betrieben ein Radio- und Fernsehgeschäft. «Ich bin nicht nur die erste Frau des Kantons Basel-Stadt im Ständerat, sondern auch seit Langem wieder die erste, die nicht beim Staat angestellt ist neben dem Amt.»
Spendenaffäre als Trauma
Es ist nur schwer vorstellbar, aber die Organisationsberaterin hat auch eine ruhige Seite. Selbstzweifel kennt sie durchaus, obwohl sie gegen aussen immer die Harte gibt. «Ich bin auch sehr introvertiert. Zudem bin ich ein Nest-Mensch, ich brauche das», sagt Fetz, die mit Bürgerspital-Direktor Fritz Jenny verheiratet ist und am Oberen Rheinweg lebt.
Als schwierigste Zeit ihres Lebens nennt sie die Pro-Facile-Affäre 2004. Damals geriet Anita Fetz mit Roberto Zanetti, heute Solothurner Ständerat, in den Strudel um die Stiftung Pro Facile (auch der Basler Financier Dieter Behring hatte seine Finger im Spiel). Die beiden SP-Politiker mussten einräumen, aus dem Umfeld von Pro Facile Wahlspenden entgegengenommen zu haben – Behring etwa unterstützte Fetz Ständerats-Wahlkampagne mit 25’000 Franken. 2005 wurde sie wegen der Affäre nicht als Bankrätin der Basler Kantonalbank wiederbestätigt.
Fetz sagt rückblickend: «Diese Zeit ging in jeder Beziehung an die Substanz, die negativen Schlagzeilen rissen nicht mehr ab. Dass mich die Stiftungsaufsicht vollkommen entlastet hat, wurde dann nur mit ein paar Zeilen erwähnt. Wäre ich nicht relativ robust, ich wäre daran zerbrochen.»
Sie habe 24 Stunden am Tag gearbeitet, um ihre Existenz irgendwie aufrechterhalten zu können. Physisch und psychisch sei dies kaum noch ertragbar gewesen. Heute erschüttere sie medial nichts mehr. «Das Gute war auch, dass man erfährt, wer noch zu einem hält. Viele haben sich verabschiedet und sind dann nach meiner Wiederwahl 2007 wieder angetanzt.»
Auf jeden Fall in die Nomination
Fetz beschreibt sich selber als hartnäckig, aber nicht als verbissen. «Ich definiere mich nicht nur über die Politik, mein Beruf ist genauso interessant, und ich hätte auch Spass daran, andere Sachen zu machen. Es gibt für mich ein Leben ohne das Ständeratsmandat.»
Sie würde also nicht in ein Loch fallen und beleidigt sein, wenn sie nicht nochmals antreten dürfte. Sie sehe dem Entscheid gelassen entgegen. Aber, und hier kommt das Aber: «Ich gehe sicher in die Nomination – egal gegen wen. Frauen aus meiner Generation haben nie etwas einfach so bekommen.»
Anita Fetz ist sich gewohnt zu kämpfen. Der Kampfmodus gehört zu ihr wie ihre Coolness. Sie sei nun mal nicht der Typ, der einfach klein beigebe, sagt sie und trinkt schelmisch aus ihrer Cola-Light-Flasche.