Keine Verbrecher, trotzdem im Knast: Menschen in Ausschaffungshaft erzählen

Die Tage im Bässlergut sind immer gleich. In stumpfer Langeweile warten die Insassen auf den Flug und vertreiben sich die Zeit mit Haareschneiden und Trainieren.

Im Gefängnis Bässlergut sitzen momentan 64 Menschen ein, 23 von ihnen in Administrativhaft.

«Heute habe ich gearbeitet, Pillenschachteln gefaltet.» Das wenige Geld, das er dabei verdient, spare er für seine Rückkehr. Wir sitzen im hellgrün gestrichenen Besuchsraum des Ausschaffungsgefängnisses Bässlergut und ein Insasse, 25 Jahre alt, erzählt mir von seiner Woche. Er habe später noch seinen Pullover aus den Effekten holen lassen. «Es tut gut, Kleider von draussen zu tragen.»

Dunkelblaue Trainerhose, zerknitterter Brief und Urkundenkopie in den ausgeleierten Taschen. Gestreifte Plastiklatschen. Das ist Benjamin Ngozi*, er lebt seit fünf Wochen im Bässlergut.

«Draussen», an einem Freitagnachmittag, die Grenzpolizei auf dem Perron: Am Badischen Bahnhof will Ngozi in einen Zug nach Deutschland umsteigen, wird kontrolliert, festgenommen und nach «drinnen», ins Bässlergut gebracht. Hier leben bis zu dreissig Männer in sogenannter Administrativhaft. Sie wurden wegen unberechtigten Aufenthalts in der Schweiz festgenommen.

Sie haben entweder gar nie Asyl beantragt, das Staatssekretariat für Migration hat ihren Antrag auf Schutz abgelehnt oder sie sind nicht aus der Schweiz ausgereist, obwohl ihnen die Aufenthaltsbewilligung wieder entzogen wurde. Damit haben sie gegen das Ausländerrecht verstossen und müssen jetzt sogenannte Zwangsmassnahmen über sich ergehen lassen: Bis zu 18 Monate sind die Männer eingesperrt, um sicherzustellen, dass sie weder weiterreisen noch untertauchen.

Sie hoffen auf eine Entlassung, warten aber eigentlich auf die polizeilich begleitete Rückführung. In einem Gefängnis, obschon ihnen keine Straftat zur Last gelegt wird.

«Draussen» ist für Benjamin Ngozi auch Florenz, wo er zweieinhalb Jahre gelebt und mangels Arbeit auf eine Möglichkeit zur Weiterreise gewartet hat. Wegen des Dublin-Abkommens soll er nun dorthin zurückgeschafft werden; die italienischen Behörden sind für sein Asylverfahren zuständig.

«In vier Tagen soll ich abreisen. Ich bin froh. Endlich werde ich wieder ein freier Mensch sein.»

Benjamin Ngozi

«Sobald ich in Florenz bin, gehe ich zum ‹Barbiere›», sagt er. Es sei unwürdig, dass sich die Inhaftierten nicht richtig rasieren könnten – mit den teuren Einwegrasierern aus dem Gefängniskiosk kriege er das selber nie gut hin. «Ich weiss, ich bin hier im Gefängnis. Wie ein Krimineller will ich aber nicht behandelt werden.»

Ngozi seufzt, schaut lange auf die weisse Tischplatte, sein Blick wirkt leer. Dann zieht er einen Brief hervor, streicht ihn glatt. Zwei Furchen zeichnen das wichtige Dokument, das er wohl seit Erhalt in der Hosentasche mit sich herumgetragen hat. Er schiebt mir das Ausschaffungsschreiben zu. «In vier Tagen soll ich abreisen. Ich bin froh. Endlich werde ich wieder ein freier Mensch sein.» Für Italien hat er zumindest eine befristete Aufenthaltsbewilligung.

Im grünen Raum

An der Freiburgerstrasse 48, an einem Dienstagmorgen, an der roten Klingel: Ich melde meinen Besuch an. Überwachungskameras über mir. Das hoch aufragende Stahltor geht auf. Ich aber muss warten. Erst fahren ein Polizeiauto und ein weisser Kastenwagen in die Schleuse. Ich bin angespannt, als die Milchglasscheiben zum Passagierraum auf meiner Höhe sind. Sitzen da Männer drin, die soeben festgenommen wurden?

Dunkelblaue Jeans, Schliessfachschlüssel und Notizbüchlein in der Hand. Ledersandalen. Das bin ich. Seit letzten Winter besuche ich Menschen in Administrativhaft, die in Basel oftmals keine Angehörigen haben und froh sind um menschlichen Kontakt und Abwechslung im Gefängnisalltag. Aus den Begegnungen im grün gestrichenen Besuchsraum ist diese Reportage entstanden.

«Es geht um Herrn Dings, jä, um Benjamin Ngozi. Er hat Besuch, aber ich finde gerade niemanden, der ihn in den Besuchsraum bringen könnte.» Der Mann am Empfang telefoniert. «Aha, du bist auch schon beschäftigt.» … «Ach so. Eintritte. Gut.» Den Hörer zwischen Ohr und Schulter geklemmt, begutachtet der Pförtner meine Identitätskarte, die schriftliche Besuchsanmeldung sowie das Warenabgabeformular für die Telefonkarte und die frischen Früchte, die ich mitgebracht habe.

«Die Behörden haben mich um sechs Uhr dreissig geweckt, nackt durchsucht, ich kriegte Fesseln an Händen und Füssen.»

Benjamin Ngozi

Mit den Formularen und einer Durchleuchtung der abgegebenen Ware soll sichergestellt werden, dass die detaillierten Mengen- und Sicherheitsrichtlinien eingehalten werden. Alles ist korrekt ausgefüllt, der Pförtner kann aber niemanden finden, der mich kontrolliert. «Warum dieser Personalengpass?», frage ich. Der Pförtner nüchtern: «Vier Neue. Gestern gab es Platz.»

Auch Benjamin Ngozi hätte am Vortag ausgeflogen werden sollen. Am Nachmittag rief er mich an – aus dem Bässlergut. Es habe eine Verwechslung gegeben, er verstehe nicht, was los sei. Ob ich ihn bald besuchen könne.

Jetzt ist ein Aufseher da und er winkt mich durch das Drehkreuz und den Metalldetektor. Blättert durch mein Notizbuch, sein Mund verzieht sich – vielleicht zu einem Lächeln –, als er das im Besuchsraum entstandene Gekritzel sieht, dann schaut er mich prüfend an.

Dunkelblaue Cargohose, Handschuhe und Taschenlampe am Gurt festgezurrt. Schwarze, massive Schuhe. Das ist «der Fussballer», wie die Inhaftierten den sportlichen Aufseher nennen. Sein Motorrad mit deutschem Nummernschild steht neben dem Fahrradstand.

Ich folge dem «Fussballer», sein Badge öffnet die Schlösser, es summt und klickt, schwer fallen die Metalltüren hinter uns zu. Ngozi steht im Besuchsraum am vergitterten Fenster zum Innenhof. «Gott sei Dank bist du hier», sagt er erleichtert. «Wie geht es dir? Und deinen Eltern?»

Als wir am Tisch sitzen, berichtet er von gestern: «Die Behörden haben mich um sechs Uhr dreissig geweckt, nackt durchsucht, ich kriegte Fesseln an Händen und Füssen und wurde dann in den Kastenwagen bugsiert. Es waren noch andere drin, einen hörte ich im Käfig neben mir heftig atmen.»

Dann ging es an den Flughafen. Laut Ngozi aber an den falschen – am EuroAirport sei klar geworden, dass das Flugzeug nach Florenz in Kloten abhebe. Also brachte ihn die Polizei wieder zurück ins Bässlergut. Ein bürokratischer Fehler oder Unachtsamkeit? Ich bin sprachlos. Er, der gerne wieder in Italien und frei wäre, lacht trocken: «Was wohl der Chef dazu gesagt hat?»

Kaum einer schläft gut hier

Im Besuchsraum, wieder ein Dienstagmorgen, ich höre Männerstimmen von draussen: «Passe-moi!» … «Hier, zu mir, hier!» … «Jalla, jalla.» Die Rufe vermischen sich mit dem Geräusch schneller Schritte und Sprünge – Inhaftierte kicken einen Schaumstoffball durch den wenige Quadratmeter grossen Innenhof.

Es ist neun Uhr. Seit zwei Stunden sind die Zellen geöffnet. Viele der Männer sind schon vorher wach oder erst früh morgens eingeschlafen und jetzt übermüdet. Kaum einer hier schläft gut, die Nächte hinter verschlossenen Türen sind lang und unruhig.

«Rein gar nichts habe ich hier zu tun. Es ist brutal langweilig. Nichts ausser fernsehen, im Hof rumlatschen und rauchen.»

Ahmad Saïb

Zwischen sieben und siebzehn Uhr dürfen sich die Inhaftierten ausserhalb der Zellen aufhalten. Ab und zu kommen Angehörige, Befreundete oder freiwillig Engagierte zu Besuch; wochentags jeweils von acht bis zehn Uhr – ausser mittwochs, da sind Behördentermine und Gerichtsverhandlungen – und samstags von vierzehn bis sechzehn Uhr.

Dunkelblaue Shorts, Silberkettchen um den Hals und Schirmmütze auf dem Kopf. Gestreifte Plastiklatschen. Das ist Ahmad Saïb*, er lebt seit mehr als fünf Monaten hier.

Ahmad Saïb lässt sich mir gegenüber auf den Stuhl fallen, die Mütze tief ins Gesicht gezogen. «Müde?», frage ich. «Sie haben mir noch mal drei Monate gegeben.» Der 30-Jährige schweigt. Dann: «Nichts, rein gar nichts habe ich hier zu tun. Es ist brutal langweilig. Nichts ausser Fernsehen, im Hof Rumlatschen und Rauchen.»

Ob er noch Sport mache? Manchmal. Mit Karim Hossein*, einem ziemlich Jungen, der sei ehrgeizig am Trainieren. «Wenn es regnet, hängen wir in den Gängen herum.» Der Aufenthaltsraum tauge nicht viel und sei eng. Wer dort Tischfussball spiele, stosse sich schon fast die Schulter am Bücherregal. «Und die Telefonkabine ist dann dauernd belegt.»

Die Essenszeiten strukturieren den Gefängnisalltag zwischen Aufstehen und Nachtruhe.

Saïb klopft sich mit der flachen Hand aufs Herz, nestelt an seiner Halskette. «Valentina, gibt es eigentlich Menschenrechte in diesem Land?» Wir schauen uns an. Im Hof Turnschuhquietschen, dann Gejohle. «Hat wohl ein Tor gegeben», murmelt er. «Ach. Bevor ichs vergesse.» Er drückt mir einen kleinen angerissenen Zettel mit einem Namen drauf in die Hand.

Anders als etwa im Ausschaffungsgefängnis am Zürcher Flughafen können die Inhaftierten hier nicht auf offiziellem Weg Besuch von Menschen wie mir beantragen. Die Freiwilligen müssen das tun – Namen erhalten sie von Gefangenen, mit denen bereits ein Kontakt besteht. «Karim würde Besuch auch mal gut tun. Inschallah.»

Ausschaffung in ein fremdes Land

Am Tisch neben dem Gummibaum, an einem Samstagnachmittag, die Familie über Dokumente gebeugt: Vidushan Nadarajan* fährt mit dem Finger Briefzeilen entlang und versucht, seinen Eltern das Unfassbare zu erklären. Nadarajan ist in der Schweiz geboren und aufgewachsen. «Der ist bloss ein paar Jahre älter als ich. Und am Montag ist sein Flug», sagt Hossein, der mir gegenüber sitzt und bemerkt, dass ich kurz die Situation am Nebentisch beobachtet habe.

Dunkelblaue Trainerhose, Siegelring an der einen, langgezogene Narbe an der anderen Hand. Neonfarbene Turnschuhe. Das ist Karim Hossein*. Er schlägt sich seit Jahren in Auffangzentren, Heimen und Jugendstrafanstalten durch.

Kaum haben wir uns gesetzt, gibt er mir seine Route durch: «Von Marokko über Italien nach Como und Basel, vor ein paar Jahren dann weiter nach Marseille.» Vor zwei Wochen – er hatte sich in Südfrankreich ein einigermassen stabiles Leben aufgebaut – wird er im Ausgang kontrolliert und festgenommen.

Er ist zerknirscht: «Die Polizei hatte bisher nie bemerkt, dass ich einen falschen Pass habe. Diesmal hat es mich aber erwischt.» Wegen der vor Jahren in Chiasso erfassten Fingerabdrücke schaffen ihn die französischen Behörden in die Schweiz zurück.

«Was gefällt dir an Marseille besonders gut?», frage ich und erzähle von meinem längeren Aufenthalt dort. Hosseins Gesichtszüge entspannen sich langsam. Wir reden über das Quartier Bassens mit seinen Wohnblöcken und Halal-Metzgereien.

Über das Mittelmeer, das ihm hier in der Schweiz schon jetzt fehlt, und das «Lustige Taschenbuch», das eine langjährige Bekannte ihm letzte Woche mitgebracht hat. Baseldeutsch spreche er deutlich besser als Hochdeutsch, sagt er verlegen. «Ich war ja auch lange weg.» Aber er komme vorwärts – schon drei Viertel des Comics habe er gelesen.

«Einmal pro Monat wird ein Rasierer ausgehändigt. Dann stehen alle bei dem an, der am besten Haare schneiden kann.»

Ahmad Saïb

Dann sind wir einen Moment lang still, es ist ruhig geworden im Besuchsraum, bald ist 16 Uhr. Nur wir und Vidushan Nadarajan mit seinen Eltern sind noch hier. Seine Mutter versucht noch immer – den Blick auf den Unterlagen – zu verstehen, was passieren wird, der Vater hingegen starrt am jungen Mann vorbei.

Tränen glänzen in seinen Augen. Vidushan werde sich sicher weigern, ins Flugzeug einzusteigen, nicht aufgeben und wenn es sein müsse, noch mal ins Bässlergut zurückkommen, sagt Karim Hossein mit gedämpfter Stimme. Oder über Dubai, Ankara und den Balkan zurück in die Schweiz kommen und sich sonst wie durchschlagen.

«Weisst du, Vidu ist ein guter Typ, auch wenn er hier ein bisschen Scheiss gebaut hat. Aber der ist in der Schweiz zu Hause, hat nie in Sri Lanka gelebt. Und jetzt wollen sie ihn dahin zurückschicken?»

So karg die Ausstattung ist, so langweilig die Tage.

Neben dem Spionspiegel, diesmal an einem Freitagmorgen, ich mitten im Raum. Ahmad Saïb, der bei den vorherigen Besuchen immer eine Schirmmütze getragen hat, betritt den Raum, kahlrasiert. «Mais, c’est bien comme ça, ouais?», besser als vorher, oder?, fragt Ahmad und streicht sich über den Kopf.

«An einem Samstag pro Monat wird ein Rasierer ausgehändigt und dann bildet sich prompt eine lange Schlange zur Zelle von jenem, der am besten Haare schneiden kann», beschreibt Saïb die Aufregung vom letzten Samstag und lacht. Wie die Stimmung auf der Station sonst so sei, frage ich. «Beschissen. Karim und ich hatten eine kleine Auseinandersetzung.» Eine Schlägerei? «So in etwa. Wir waren beide im ‹Bunker›, Karim ist immer noch drin.»

Deshalb darf ich Karim Hossein also diese Woche nicht treffen. Am Empfang wurde mir diese Information «aus Datenschutzgründen» vorenthalten. Ob er noch da sei, wollte ich wissen. Auch dazu keine Auskunft. Wenn ich wolle, könne ich das Migrationsamt anrufen und dort nachfragen.

Harscher Umgang

Weiss gestrichenes Mobiliar, an einem Tag von zu vielen, ein junger Mann in Isolation: Hossein hämmert an die Tür, schreit und ruft. Die zehn gesetzlich erlaubten Tage lang. Der junge Mann protestiert gegen die Isolationshaft. «Kaum zurück auf der Station, hat er einen Fernseher zertrümmert», berichtet Saïb bei meinem nächsten Besuch. Hossein lebt wochenlang abwechselnd im «Bunker» und unter «verschärften Haftbedingungen» in einer Einzelzelle. Besuche sind durchgehend verboten.

Saïb sucht das Gespräch mit ihm, als er für kurze Zeit zurück auf der Station ist. Aber «der ist gerade ganz woanders», bemerkt er. Mehr als einen Monat lang tobt Karim. Dann zieht er sich zurück, «wie ein Zombie oder eine Larve» verhalte er sich, wurde er vielleicht mit Medikamenten «ruhig gestellt»?

Die Mitinhaftierten zeigen sich besorgt. Wir kontaktieren Hosseins Anwältin und appellieren an die gesundheitlichen Dienste des Gefängnisses. Nach einem kurzen Aufenthalt in den Universitären Psychiatrischen Kliniken (UPK) – er simuliere und sei nicht kooperativ, so die Einschätzung – ist seine Situation im Bässlergut unverändert.

Anders als im Justizvollzug fehlen in der Administrativhaft soziale Angebote gänzlich.

Laut anderen Inhaftierten ist Hosseins Fall nicht der einzige, in dem die Zusammenarbeit von Gefängnis Bässlergut und medizinischer oder psychiatrischer Versorgung umständlich ist und der Umgang mit den Betroffenen harsch. Wegen sprachlicher oder bürokratischer Barrieren, wegen der Hausregeln oder wegen des Datenschutzes. Besonders für ältere Inhaftierte, die manchmal verschiedene Beschwerden haben, ist das anstrengend, ja demütigend.

Wir kommunizieren unsere Beobachtungen auch an Alberto Achermann von der Nationalen Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF), da in ihrem Besuchsbericht von letztem Herbst keine Kritik an der Handhabung der Disziplinarhaft geäussert wird. Die NKVF beanstandet allerdings – wie bereits im Bericht von 2012 – den «klaren Gefängnischarakter» der Abteilung für Ausschaffungshaft.

Das deckt sich mit den Erzählungen der Inhaftierten. Anders als im Justizvollzug fehlen soziale Angebote gänzlich, im Bericht sind etwa die mangelhafte Ausstattung der Aufenthaltsräume und die fehlenden Kochgelegenheiten erwähnt.

Gefängnisleiter Fabian Henz und der Regierungsrat Basel-Stadt verweisen wie bereits 2012 auf den Erweiterungsbau, der im kommenden Jahr fertiggestellt werden soll. Der alte, im Jahr 2000 in Betrieb genommene Trakt wird dann wieder ausschliesslich für die Administrativhaft genutzt, die Zahl der Haftplätze verdoppelt.

Die NKVF empfiehlt, den restlichen freigewordenen Raum zur Weiterentwicklung des Beschäftigungs- und Freizeitangebots zu nutzen. Bis es so weit ist, dauert es sicher noch Monate. Und die sind lang für die Männer, die jetzt inhaftiert sind.

Am Ausgang, an einem Freitagmorgen, die Männer hinter mir hinter Gittern: Es ist Hochsommer und ich gehe hinaus aus dem Gefängnis, in meinen Tag. Ich trete ins Sonnenlicht, das gleissend von den hoch aufragenden Fensterfronten des Neubaus auf mich zurückgeworfen wird.

Von Unmenschlichem wird mir bei den Besuchen erzählt, viel Menschliches erlebe ich im Gespräch. Ich will nicht mehr verstehen, welches Problem unser Staat mit «ausländerrechtlichen Zwangsmassnahmen» zu lösen hofft; Repression wird Fluchtgründe nicht tilgen. Was bleibt, ist die Ohnmacht.

Neuer Bartschnitt, neue Hoffnung

Benjamin Ngozi meldete sich nach seiner Rückführung mehrere Male aus einer florentinischen Telefonkabine, euphorisch. Ja, endlich befreit und wieder bei seinen Freunden untergekommen. Dann per Textnachricht von einer österreichischen Nummer aus, um zu fragen, wie es mir gehe. Was bleibt, ist ein Foto seines neuen Bartschnitts.

Karim Hossein ging es nach wochenlanger Isolation so schlecht, dass er aufgab und eine Geburtsurkunde beim Migrationsamt einreichte. Marokko wollte seine Dokumente aber nicht anerkennen – das sei nicht er. Da er nun staatenlos ist und somit nicht zurückgeführt werden kann, kam er frei. Was bleibt, sind zwölf Franken Nothilfe pro Tag.

Ahmad Saïb ist noch immer im Bässlergut, hat mir heute wieder von den nahezu senilen Anwandlungen seiner Mitgefangenen erzählt – «Ich höre immer nur ‹Flugzeug, Flugzeug, Flugzeug›, die können an nichts anderes mehr denken» — und wartet darauf, dass auch er im September rausgelassen wird. Was bleibt, sind wenige Stunden pro Woche, in denen wir vermeintlich unbekümmert plaudern.

* Die Namen der Inhaftierten sind der Autorin bekannt, wurden zum Schutz der Personen aber geändert.

Zur Autorin: Valentina Kobi studiert am Institut HyperWerk der Basler Hochschule für Gestaltung und Kunst. Im Zusammenhang mit Silvan Rechsteiners Projekt «Fluchtbesuche» war sie zum ersten Mal im Bässlergut auf Besuch. Seither besucht sie regelmässig Menschen in Ausschaffungshaft. Besonders engagiert ist dort seit Jahren das Solinetz Basel, dessen Freiwillige die Inhaftierten rechtlich und finanziell unterstützen sowie politische Arbeit zur Erhaltung der Menschenwürde von Sans-Papiers leisten.

Dossier Hinter Gittern

Kaum ein Kanton verhängt so viele Haftstrafen wie Basel-Stadt. Und nicht nur Verbrecher sitzen im Gefängnis.

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