Neulich hat Tamara Funiciello von der Juso Donald Trump als «sexistischen orangen Trottel» bezeichnet. Darauf fühlten sich zwei Herren von der Jungen SVP dazu berechtigt, sie eine «fette, kleinwüchsige Kuh» zu nennen. Ich persönlich habe diese zwei Gruselfiguren schon vor einigen Monaten präventiv zu Hurensöhnen erklärt. Und Natalie Rickli, die man hier leider nicht mehr vorstellen muss, hat jetzt alle Seiten zur Raison aufgerufen.
Als ich die Rickli-Schlagzeile las, habe ich kurz geglaubt, sie habe eingesehen, dass sich mehr respektlose ungebildete junge Männer in ihrer eigenen Partei finden als unter muslimischen Einwanderern, aber sie rügte auch Funiciello – und Nationalrätin Jacqueline Badran, die Studentin, die für No-Billag ist, «dumm wie Brot» genannt hatte.
Ob Trottel, Kühe, Brote: die geläufigste Beschimpfung bleibt das Arschloch. Viele Leute sind der Meinung, dass man allgemein niemanden ein Arschloch nennen sollte. Ich finde: Doch! Man sollte beim Austeilen einfach diese drei Grundregeln beachten:
- Das Arschloch sollte dir überlegen sein. Immer gegen oben treten, nie gegen unten.
- Das Arschloch sollte sich durch Missetaten auszeichnen. Nicht durch subjektiv empfundene, sondern durch echte. Einfach deiner Meinung widersprechen gilt nicht. Wiederholt kleine Kätzchen ertränken schon eher.
- Jemand macht sich zum Arschloch durch das, was er tut. Nicht durch das, was er ist. Mannsein reicht nicht unbedingt aus zur Arschloch-Qualifikation. Übergriffigkeit schon.
Tamara Funiciello darf Trump als Arschloch bezeichnen. Ich würde sogar sagen: Sie muss.
Mit diesen Regeln im Kopf wird einem bald einiges klar. Wenn Trump zum Beispiel eine mexikanische Hilfsarbeiterin als faule Schlampe bezeichnen würde, würde er damit alle drei Grundregeln des A-Reglements missachten. Er ist ihr machtmässig weit überlegen, die Frau zeichnet sich wohl eher durch harte Arbeit als durch fiese Missetaten aus. Wer sie als faul bezeichnet, weil sie Mexikanerin ist, missachtet Regel drei und ist ein Arschloch.
Auch die Funiciello-Situation lässt sich so auflösen. Tamara ist Trump machtmässig weit unterlegen. Sogar seine Wähler geben zu, dass er ganz klare Missetaten beging und begeht (sie findens einfach irgendwie noch geil). Dass Trump aus einer reichen weissen Familie stammt, ist nicht sein Fehler. Dass er Frauen abschätzig und übergriffig behandelt und ganze Länder als «shitholes» bezeichnet, hingegen schon. Funiciello darf Trump folglich als Arschloch bezeichnen. Ich würde sogar sagen: Sie muss.
Dürfen denn nun die Lümmel von der Jungen SVP Funiciello im Gegenzug als «fette, kleinwüchsige Kuh» bezeichnen? Nein, dürfen sie nicht im Geringsten.
Leider haben die Herren von der Jungen SVP bei den Arschregeln etwa gleich gut aufgepasst wie in Geschichte.
Natürlich, sie empfinden ihre Äusserungen als «Gleiches mit Gleichem vergelten». Aber leider haben die Herren bei den Arschregeln etwa gleich gut aufgepasst wie in Geschichte. Denn: Als Gruppe von mehrheitlich weissen Männern, die erst noch der mächtigsten Partei des Landes angehören, stehen die Absender der Beleidigung im Machtgefälle weit über Funiciello.
Funiciello setzt sich für gerechtere Löhne ein, für die Rechte der Arbeiter und der Frauen. Sie zeichnet sich eher durch gute als durch Missetaten aus. Natürlich ist sie frech und exponiert sich, aber das alleine reicht nicht, und ihre Trump-Schmähung war, wie wir schon gesehen haben, im Rahmen des A-Reglements legitim.
Damit wären schon zwei Regeln missachtet, und auch in der dritten fallen die Jungs der SVP durch. Jemanden aufgrund seines Äusseren zu beleidigen, verstösst nämlich gegen Regel drei und wird meist eh nur von Arschlöchern praktiziert.
Wer Tamara Funiciello dermassen beleidigt, ist ein Arschloch. Vor allem als weisser Mann.
Natürlich wird diese Regelung von Menschen, die sich nicht objektiv mit Machtgefälle, Unterdrückung, Randgruppen und struktureller Gewalt auseinandergesetzt haben, nicht akzeptiert. Und so wird in den Kommentarspalten denn auch zünftig über Tamara Funiciello hergezogen.
Und natürlich: Funiciello exponiert sich, sie eckt an und sie ist Präsidentin einer Partei. Sie ist bestimmt eine starke Frau, aber eben im Kontext des Machtgefälles immer noch ein Underdog und hat sehr wohl das Recht, gegen oben zu knurren.
Gerade an ihrem Beispiel kann man das gut beleuchten. Vor etwa 40 Jahren kämpften nämlich Frauen hierzulande noch für ihr Stimmrecht, während sich die italienischen Gastarbeiter mit der rassistischen «Schwarzenbach-Initiative» konfrontiert sahen. Funiciellos Eltern werden ein Lied davon singen können. Und sie selbst eines davon, wie sie gerade aktuell wieder permanent sexistisch beleidigt wird. Wer diese Frau dermassen beleidigt, ist also ein Arschloch, vor allem im Kollektiv. Vor allem als weisser Mann.
Die schlecht verdienende dunkelhäutige Frau darf alles und jeden ein Arschloch nennen. Tut es aber selten.
Der weisse Mann ist immer in einer Machtposition, auch wenn er sich noch so gerne als Opfer sieht. Als dunkelhäutiger Mensch hast du in grossen Teilen der westlichen Welt ein entscheidendes Handicap. Als Frau immer und überall. Die schlecht verdienende dunkelhäutige Frau darf alles und jeden ein Arschloch nennen. Tut es aber selten.
Hier eine kleine Rangliste, wer wie sehr ein Arschloch genannt werden darf:
- Trump
- Junge SVP
- Natalie Rickli und Knackeboul
- Jacqueline Badran
- Tamara Funiciello
(Lesebeispiel: Trump darf niemanden, Knackeboul nur Trump und JSVP als Arschloch bezeichnen.)
Wer also andere beschimpfen möchte, sollte das A-Reglement beachten. Und um dieses zu verstehen, lohnt sich das Studieren der Geschichte mit Fokus auf Macht und Unterdrückung. Danach wünsche ich viel Spass beim Auf-, Ein- und Austeilen. Und das Einstecken gehört dann auch dazu.
Ihr Knackeboul, ein kleines Arschloch.