Wer als Spitzenkoch brillieren will, muss selber ein Geniesser, doch nicht unbedingt ein Showman sein. Hans Stucki beispielsweise war ein Opernfan.
Wer als bekennender «Wagnerianer» regelmässig nach Bayreuth pilgert, um sich im dortigen Festspielhaus auf holzhartem, ungepolstertem Parkettstuhl der «Götterdämmerung» hinzugeben, dem muss zumindest neben einem überdurchschnittlich leidensfähigen Hinterteil ein fest verankertes, in sich selbst ruhendes Gemüt nebst einer schier übermenschlichen Geduld in die Wiege gelegt worden sein.
Wem besagte Qualitäten versagt blieben und wer sich – unbedarft wie er nun einmal ist – auch nicht scheut, als hoffnungsloser Banause ins musikalische Walhalla einzugehen, wird sich «seinen Wagner» nämlich nach heldenhaft durchlittenem Initiierungsritual künftig in CD-Form einverleiben, weit bequemer erstens und zweitens in homöopathischen Dosen.
Was soll denn das nun wieder, wird Mann sich jetzt wohl fragen, während Frau ihm zumindest in diesem Punkt wahrscheinlich sogar für einmal recht geben wird. Dabei ist der Zusammenhang mit dem Bild aus dem Meisterfundus von Kurt Wyss doch völlig klar: Der darauf verewigte und unvergessliche Hans Stucki, der zusammen mit seiner Frau Susi und den beiden Dackel-Damen Fricka und Senta (nomina sunt omina) dem Restaurant Bruderholz auf demselbigen zur Blüte und zum gastronomischen Weltruhm verhalf, war als Meisterkoch nicht nur ein absoluter Künstler seines Fachs, sondern verfügte als glühender Bewunderer der Wagnerschen Kompositionskraft auch über all jene oben geschilderten Tugenden, die ihn zu seinen wiederholten Reisen nach Bayreuth und oft auch nach Mailand in die Scala motivierten. Ein typischer Opernfan eben, einer jedoch, der neben seinem Lieblingskomponisten auch andere Namen gelten liess.
Hans Stucki, geboren 1929 in Ins im Berner Seeland, 69-jährig in Basel gestorben. Trotz seiner Kunst am Herd bescheiden, aber unverwechselbar geblieben. Kein Schaukoch im Rampenlicht der Medien; Stucki war und blieb Stucki. Er kochte einmalig, nicht ausgefallen. Bekannt und beliebt war er fürs Schlichte, dies jedoch in Perfektion.
«Seine wichtigste Zutat hiess Vernunft», schrieb der deutsche Gastrokritiker und Buchautor Wolfram Siebeck in seinem in der Wochenzeitung «Die Zeit» veröffentlichten Nachruf auf den über alle Grenzen hinaus bekannten Koch. Vernunft war das eine. Liebe und Begeisterung für seine Profession kamen hinzu, zusammen mit kompromisslosen Qualitätsansprüchen an sich selbst. Was mag der Laie, zumindest der Autor dieser Zeilen, daraus lernen? Wer schon beim Kochen ans leidige Abwaschen denkt, wird wohl nie ein Meister am Herd.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 17.08.12