Rainer Brambach: Er war Flachmaler, Deserteur, Möbelpacker, Werbetexter, Gärtner – und dabei ein begnadeter Sprachkünstler.
Als gelernter Klavierstimmer, der auch privat den absoluten Ton angab, war sein Vater 1908 aus Deutschland nach Basel gezogen. Hier, im profanen Santihans-Quartier, kam 1917 Sohn Reinhardt zur Welt, der spätere Rainer, was ihn wohl weniger «hardt» dünkte. Dass er dereinst als Dichter in der noblen St. Alban-Vorstadt landen würde, war ihm nicht in die Wiege gelegt. Eine gute Fee muss trotzdem in der Nähe gestanden haben.
Sie, die Fee, war mit Sicherheit nicht mehr dabei, als es galt, eine Lehrstelle zu finden. Flachmaler sollte er werden, hatte der Klavierstimmer beschlossen. Musikgehör für des Sohnes Proteste fand er nicht. Dreimal büxte der junge Brambach aus, dreimal drückte man ihm, dem späteren Federvirtuosen, den Pinsel wieder in die Hand.
Nach ausgedehnten Wanderjahren verschlug es ihn 1939 nach Stuttgart – und zurück an die Farbkübel, in denen zu jener Zeit wie überall in Deutschland die Brauntöne dominierten. Bei Kriegsausbruch wurde er in die Wehrmacht eingezogen, aus der er bei Gelegenheit desertierte. Nach der Flucht in die Schweiz wurde er in Witzwil interniert. Ab 1950 war er als Gärtner wieder in Basel ansässig, wo ihm die gute Fee noch einmal hilfreich zur Seite stand und ihm zum literarischen Durchbruch verhalf.
Zwischen Selbstzweifel und literarischem Talent
An der St. Alban-Vorstadt fand Brambach sein Traumlogis, eine Mansarde im Estrich nur, auf die der stets bescheidene Sprachkünstler und Gärtner aber ungemein stolz war. Die Wohnung passte perfekt zu einem Menschen, in dem sich Selbstzweifel und literarisches Talent um die Vorherrschaft balgten. Typisch dafür folgende, in einem Interview abgegebene Selbsteinschätzung: «Ich würde sagen, ich bin ein Autor. Ich könnte auch sagen Poet, aber man kann sich doch nicht selber so bezeichnen. Ich würde auch nicht sagen: Ich bin ein Dichter, sondern lieber: Ich schreibe Gedichte …»
In seinem Prosastück «St. Alban-Vorstadt» zählt er sich dann aber doch vollwertig zur Gilde der Dichter und Denker wenn er schreibt, hier hätten Jacob Burckhardt, Hermann Hesse, Friedrich Dürrenmatt, Jürg Federspiel und Siegfried Lang gewohnt. Brambachs Aufzählung schliesst mit dem Satz: «Sechs Dichter hat keine andere Strasse in Basel aufzuweisen. Das spricht für sie.»
Was ist aus obigem Abschnitt zu lernen? Zumindest mathematisch könnten wir es mit Rainer Brambach, der 1983 starb, auch posthum noch aufnehmen. Denn wenn von sechs Dichtern, die an einer Strasse wohnten, nur deren fünf aufgezählt werden, wo bleibt dann der sechste, wenn er nicht schnöde vergessen wurde? Richtig: Der Autor zählt sich dazu. Was nicht nur für die Einmaligkeit der Strasse, sondern auch für Rainer Brambach spricht. Und das zu Recht.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 17.02.12