Auch mehr als zwanzig Jahre nach seinem Tod hat Jean Tinguely nichts von seiner Faszination verloren.
Das Schema, in das Jean Tinguely hätte passen können, muss erst noch erfunden werden. Deshalb lohnt es sich auch heute noch, einen Blick auf diesen aussergewöhnlichen Künstler zu werfen. Einen weiteren auf den Mann und einen neuen auf sein Werk, wie es die vom 7. November bis zum 3. Februar 2013 dauernde Ausstellung im Tinguely-Museum verheisst.
Mit der neuen Präsentation, die laut Vorankündigung erstmals seit langer Zeit wieder die gesamte Ausstellungsfläche einnehmen wird, soll eine «revidierte Sicht auf die künstlerische Arbeit» gezeigt werden, dokumentiert in einem neuen Gesamtkatalog, der «Tinguelys Œuvre für eine neue Generation greifbar» machen soll. Spannend – und im Sinne des genialen Schöpfers hoffentlich auch nicht allzu analytisch – dürfte der «neue Blick auf Jean Tinguelys Werk» auf jeden Fall werden.
Was war dieser Jeannot, wie ihn seine Freunde liebevoll nannten, doch für ein Mann! Wie gross das verspielte, staunende, lebensfrohe, ungestüme, gesellige, aufmüpfige und eigenwillige Kind, das in ihm steckte. Kaum zu bremsen zumeist. Und schon gar nicht von einem Weg abzubringen, den er sich spontan mit vielen waghalsigen Kurven, jedoch kaum mit Kehren bahnte. Ständig in Bewegung. Verwurzelt in sich selbst. Daneben auch ein bisschen in Basel, wo er aufwuchs, den Künstler in sich entdeckte und dem er bis zu seinem Tode verbunden blieb, auch wenn er nicht dauernd hier leben mochte, weil ihm das Leben in den Städten zu hektisch war. Mit Leib und Seele genoss er hier vor allem die Fasnacht, die etwas andere natürlich, jene der «Kuttlebutzer», deren künstlerischer Genius er immer wieder war.
Welch ein Spass, welche spontane Herausforderung muss es auch gewesen sein, damals im Fotoatelier von Kurt Wyss das Auftragswerk «Signatur mit Taschenlampe und Künstler» zu schaffen, zweifach belichtet vor mattschwarzem Hintergrund und mit einer rasanten Drehung vor dem finalen Blitzlicht, das den Künstler erst richtig in Pose setzte, als gelungener Abschluss eines faszinierenden Experiments.
Das Ungewöhnliche nicht als Ausnahme, sondern als Regel. Daraus könnten durchaus auch wir – in moderater Form natürlich – etwas lernen. Selbst wenn es nur darum ginge, seine eigene, unverkennbare Handschrift auch einmal auf eine andere Art zu hinterlassen als nur auf einem Stück Papier. Eine Taschenlampe und einen Fotoapparat hat schliesslich jeder.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 02.11.12