Wir protestierten für unsere Freiheit und rauchten für das Wohlergehen der Beizen. «Fümoar» stand für Revoluzzertum und Bürgerbewegung – bis sich der Verein in den eigenen Rauchschwaden verirrte. Memoiren eines Kettenrauchers.
Ich rauche leidenschaftlich. Immer mal wieder so ein genüsslicher Glimmstengel zwischen den Zeilen, das regt an, das bringt Schwung, schliesslich ist Nikotin nicht nur ein Nervengift, sondern auch für seine psychostimulierende Wirkung bekannt. Herrlich auch die Zigarette zum Kaffee, geschweige denn zum Bier! Wunderbar, dieser leise Hauch von Bohème.
So war ich leidenschaftlich pro «Fümoar», als sich die paffenden und qualmenden Altherren der Basler Beizenszene 2010 stur gegen das frisch eingeführte Rauchverbot in Restaurants wehrten. Natürlich brauchte ich sofort diesen Ausweis. Zehn Franken für ein Jahr? Schnäppchen! Und natürlich frequentierte ich lieber die Bars mit dem grossen «F» vor der Türe. Diese urige Gemütlichkeit, wenn sich Bierdunst mit Qualm vermischte, lautes Stimmengewirr in der Wolke des Raums. Ach, wir brauchten keinen Schmuck, wir rauchten unsere Ketten selbst!
So passierte, was ich nie zu erleben gedachte. Ich lernte die rauchfreie Luft zu schätzen. Das Angebot an rauchfreien Beizen begann, die Nachfrage zu bestimmen. Auch wenn ich mich nach jedem Gang des Menüs an die frische Luft verzog; immerhin stand bei jeder Rückkehr schon der nächste Teller auf dem Tisch.
«Fümoar» war zu Ende, lange bevor das Ende nun verkündet wurde. Trotz voller Vereinskasse («über 200’000 Franken»), trotz einer knappen halben Million verkaufter Jahreskarten seit 2010: Es war schon lange an der Zeit, aufzuhören. Ja, es war lustig, Teil dieser rauchenden Bewegung zu sein. Es war auch lustig, mit der Nikotinsucht eine Art Zeichen gegen die Obrigkeit setzen zu können. Aber irgendwann ist der Spass zu Ende – und man sollte merken, wann. Die «Fümoar»-Verantwortlichen haben diesen Zeitpunkt verpasst.
Trotz, der ins Leere lief
So bleibt von den knorrigen Männern, denen einst ein kampfeslustiges Bild anhaftete, nur noch das Bild schlechter Verlierer, deren Trotz ins Leere lief. So bleibt ein Verein, der noch lange nach der letzten öffentlichen Niederlage nicht einsehen konnte, dass er schon längst verloren hatte.
Mario Nanni und Thierry Julliard vom Verein «Fümoar» überreichen Regierungssprecher Marco Greiner die Initiative. Die Initiative kam nicht zustande – zu viele Unterschriften waren ungültig. (Bild: ALEXANDER PREOBRAJENSKI)
In Männern, aus denen kein Rauch steigt, brenne kein Feuer, heisst es. Leitmotiv für den Raucher, der ich bin. Irgendwann ist aber dieses Feuer aufgebraucht. Was bleibt ist kalter, muffiger Rauch, der sich als beissender Gestank in den Kleidern festgesetzt hat. Das ist in etwa so erheiternd wie der trockene Husten am Morgen danach.
Die vom Rauchstopp in ihrer Existenz bedrohten Lokale leben noch heute, auch nachdem sie sich des Raucherqualms entledigten. Das Konzept des unbedienten, abgetrennten Fumoirs erfüllt seinen Zweck. Der erste Stock im Baragraph am Kohlenberg, das Fumare in der Mitte, die Raucherstube im Kleinbasler Grenzwert: Fluchtorte der letzten Indoor-Raucher wie mir. Den letzten «Fümoar»-Ausweis hatte ich schon vor zwei Jahren entsorgt. Nicht aus Trotz oder Enttäuschung, sondern weil ich ihn nicht mehr brauchte.
Den Wandel der Zeit hat die Raucherbewegung verpasst. Es wäre «Fümoar» zu gönnen gewesen, als wehrhaftes Unikat von Bürgerprotest auf der Höhe der Zeit in die Politgeschichte einzugehen. So aber bleibt die Erkenntnis des Wutbürgers, dass es ihm jeder Franken der Rekurskosten wert gewesen war, um die Kantonsverwaltung zu nerven. Und eine Stange Geld, die an wohltätige Vereine gespendet wird.
Dabei hat «Fümoar» nun auch noch die Chance für die grösste Schlusspointe in eigener Sache verpasst: Was wäre das für ein Zug gewesen, den Rest aus der üppigen Kasse der Lungenliga zu spenden. Ein letzter unerwarteter Schlenker, der Schienbeintritt an alle Kritiker – die letzte grosse verpasste Chance.