Das Glaibasler Charivari glänzt mit musikalischen Leckerbissen. Zu den Highlights gehören der Auftritt der Nachtfalter Schränzer und jazzige Piccolo-Nummern. Die «Raamestiggli» fallen dieses Jahr aber durchzogen aus. Ein paar Eindrücke von der Premiere am Samstag.
Im Narrengewand schmökert das Schauspiel-Ensemble in einem gewaltigen Wälzer. Als Bühnenbild und roter Faden führt 2017 ein Buch durch den Abend, das nach jedem Programmpunkt umgeblättert wird.
Im Prolog überspringen die Narren schon mal erste Seiten des Buchs, womit der abtretende Regierungspräsident gleich schon sein Fett abbekommt: «Do kunnt nur e Vorwort dri, wo erscht no könnt vom Morin sy.»
Das Charivari 2017 war im Nu ausverkauft und ist mit über 200 Mitwirkenden die grösste Veranstaltung seiner Geschichte. Hinzu kommt, dass die Regisseurin Colette Studer mit ihren erfolgreichen Ausgaben der Vorfasnachtsveranstaltung der letzten paar Jahre punkten konnte. Daher sind die Erwartungen dieses Jahr mehr als hoch.
Fasnächtliche Hommage an «Dinner for One»
Eins vorweg: Das Publikum wird auch diesmal nicht enttäuscht. Das Programm überzeugt mit hervorragenden musikalischen Darbietungen. Bei den Raamestiggli gibt es hingegen Höhen und Tiefen.
Originell ist etwa die Basler Version des Silvester-Klassikers «Dinner for One». Der Butler von Madame Sarasin muss hier nicht nur für die «Verstorbenen» tief ins Glas schauen, sondern gleich auch die ganze Fasnacht im Wohnzimmer nachspielen – und dabei natürlich über das Tigerfell stolpern.
Andere Nummern fallen hingegen seicht aus. Bei der Fussballübertragung Schweiz gegen «Wikingen» setzt das Charivari auf harmlose Schenkelklopfer.
Etwas wirr ist zudem das Stück mit dem Bauchredner Klybeck-Kliby, in dem in den Sprachen des Kleinbasels herumgeblödelt wird. «Ausländerdeutsch-Witze» waren vielleicht in den 1990er-Jahren noch lustig, mittlerweile sind sie aber ausgelutscht. Schade.
Super an diesem «Raamestiggli» ist jedoch, wie der Basler Kliby in wenigen Sätzen mit sämtlichen Namen der Regierungsratskandidaten ein Wortspiel strickt – von «Nägelin mit Köpf» bis «Herzog nonemool». Nicht immer pointenreich ist hingegen der Bücherwurm, der mit Push-Meldungen durch den Abend führt.
Lieder «zu Ehren» von Donald Trump und Guy Morin
Eine etwas andere Richtung schlägt die Solo-Nummer von Colette Studer ein: Als Kabarett-Sängerin bedauert sie mit Klavierbegleitung von Mike Low den amerikanischen Albtraum: Das «Trumpeltier» wird zum «Schmalspur-Playboy».
Knallige Pointen zum dankbaren Thema Donald Trump fehlen zwar, doch die Sicht der Schauspielerin auf den Machismo des US-Präsidenten gibt dem Programm eine nachdenkliche Note.
In einem der besseren «Raamestiggli» des Abends macht sich ein Prinz auf, um ein richtiger Fasnächtler zu werden. Schöne Projektionen auf der Leinwand schmücken dieses «Märchen» aus – mit einem Seitenhieb auf das umstrittene letztjährige Drummeli.
In einem weiteren Stück wird ein Abgesang auf Guy Morin zu einem Musicalauftritt: Frank Sinatras «My way» wird etwa zu «Du bisch dr Guy gsi».
Das Medley mit Abschiedsliedern kommt mit einem Augenzwinkern daher – wobei an der Premiere ein schmunzelnder Morin gleich selbst auf die Bühne geholt wird, um sich das «Ständeli» hautnah anzuhören.
Ein sicherer Wert ist der Monolog von Mathias Brenneis, der dieses Jahr in die Haut einer weiteren fasnächtlichen Randfigur schlüpft – die eines Trommelkönigs.
Moment mal, ist das ein Randdasein?
Nun, es handelt sich um einen, der vor zwanzig Jahren zum besten Tambour gekürt wurde – und das ging nicht mit rechten Dingen zu. Somit erhielt der Migros-Kassierer unter seltsamen Umständen seine «15 Minutes of Fame» in der Fasnachtswelt.
Jazzige Klänge
Wie gesagt, serviert das Charivari einige musikalische Köstlichkeiten. Angefangen bei den Seibi. Erst gibt die Stammclique den gleichnamigen Marsch zum Besten, einen rasanten «Seibi»; später den bei Bühnenauftritten beliebten «Hofnaar».
Mit der «Wältmaischter Drummelgrubbe» kommen gleich mehrere Tambouren zusammen, die irgendwann schon mal beim «Offizielle» in der Gruppenkonkurrenz zuoberst auf dem Podest standen. Die aus verschiedenen Cliquen zusammengewürfelte Königstruppe trommelt «D Römer».
Baselbieter Gugge schmeisst die Party
Die Schotte Clique feiert gleich ihr 70-jähriges Jubiläum auf der Bühne. In der ersten Reihe steht ihr Aushängeschild, die Dudelsack-Sektion, die ein «Island Glory» anstimmt.
Mit Gugge geht’s dann später weiter. Im Vorfeld hat bereits für Aufsehen gesorgt, dass das diesjährige Charivari mal über die Kantonsgrenze hinausschaut.
Diese Entscheidung hat sich gelohnt: Zu einem Höhepunkt zählt der Auftritt Nachtfalter-Schränzer aus Pratteln. Nicht nur die ungewöhnliche Besetzung für eine Gugge – etwa mit Waldhörnern und Bariton-Sax – zeichnet die Gäste aus der Agglo aus.
Mit ihrem Können erobern sie als Stimmungskanonen das Volkshaus: Bei Mani Matters «Hemmige» – hier deutlich an Stephan Eichers Gypsy-Swing angelehnt – geht so richtig die Post ab.
Einzelne Nachtfalter brillieren mit jazzigen Soloeinlagen, auch mit Tänzerinnen und satten Grooves schmeissen die Baselbieter die Party im Saal.
Den Gästen aus Möhlin ist ebenfalls viel Applaus auf sicher: Die Jungtambouren der Fasnachtzunft Ryburg vollführen eine Indianer-Zeremonie.
Die Gruppe unter der Leitung des Trommel-Doyen Ivan Kym hat sich dabei etwas Spezielles einfallen lassen: Es kommt zu einer Begegnung der Basler Trommel mit Djembes und anderem Schlagwerk. Das Resultat ist eine feurige Perkussionsnummer.
Badehosen-Politiker in den Bängg
Last but not least ist die Auswahl an Schnitzelbängg zu nennen: «D Gwäägi» haben schon in den letzten zwei Jahren bewiesen, dass sie in der oberen Liga spielen. Zwar fehlt dieses Jahr die grosse Überflieger-Pointe, doch sämtliche Verse haben in sich schon einiges zu bieten: Rechtspopulismus, Stücki-Center und Burkaträgerin Nora Illi werden zerpflückt.
Ihr Marathonvers dreht sich diesmal um die Badehosen-Aktion der bürgerlichen Regierungsratskandidaten. Auch der zweite Bangg «D Schlyffstai» zeigt wie immer gesangliche Leistungen und intelligente Verse: Bei ihnen kommen Fake-News, Erdogan und Putin an die Reihe. Sie greifen ernste Themen wie den Syrienkrieg oder die Repression in der Türkei auf.
Somit bewegt sich das Glaibasler Charivari weiterhin auf einem hohen Niveau. Die schauspielerische Leistung des Ensembles wie auch ansprechende Bühnenbilder und Kostüme überzeugen einmal mehr. Etwas mehr Biss hätte jedoch gewissen «Raamestiggli» nicht geschadet. Das wird aber mit den Beiträgen der Bängg, Gugge, Tambouren und Pfeifer locker wettgemacht.