Basels einziger Tagesvater liebt seinen Job (trotz dummen Sprüchen)

Wickeln, Brei kochen und stundenlang auf dem Spielplatz sitzen: Kinderbetreuung ist noch immer meist Frauensache. Manuel Kekeis ist die grosse Ausnahme.

Zwischen 6.30 und 18.30 Uhr betreut Manuel Kekeis seine eigenen und fremde Kinder – jeden Tag.

Manuel Kekeis öffnet die Tür zu seiner Wohnung, im rechten Arm hält er Lisa, die sich verschlafen die Augen reibt. Lisa ist 18 Monate alt und kommt seit einem Jahr zu Kekeis, ihrem Tagesvater. Jeden Morgen um 6.30 Uhr nimmt er sie in Empfang, spielt mit ihr, füttert sie, legt sie zum Schlafen hin.

«Lisa ist ein super Kind», schwärmt Kekeis: «Sie weint selten und ist auch sonst pflegeleicht.» Das kleine blonde Mädchen staunt die fremden Besucher mit grossen Augen an.

Seit knapp zwei Jahren ist der 40-Jährige offiziell Tagesvater, der einzige in ganz Basel, der bei der Geschäftsstelle Tagesfamilien Basel-Stadt angestellt ist. Neben seinen beiden eigenen betreut er mehrere Tageskinder, zu Spitzenzeiten sitzen fünf Kinder an seinem Mittagstisch. In ein paar Wochen ist es sogar noch eins mehr, dann kommt Kekeis‘ drittes Kind zur Welt.

«Als ich das Inserat der Tagesfamilien sah, dachte ich: Das ist perfekt.»

Grosse Veränderungen wird es für den Familien- und Tagesvater dann allerdings nicht geben. «Meine Frau wird während des Mutterschaftsurlaubs zu Hause sein, ich werde weiter die Tageskinder betreuen», so Kekeis. Alles beim Alten. Alles so, wie er sich das wünscht.

Bevor er Tagesvater wurde, arbeitete Kekeis in einem Heim mit geistig behinderten Menschen. «Irgendwann wollte ich nicht mehr als Nachtwache arbeiten, wegen meiner Kinder und auch weil mir die Arbeit keinen Spass mehr machte.» Also entschied sich Kekeis zu kündigen. Eine Zeitlang blieb er zu Hause, kümmerte sich um die beiden Kinder, suchte nach einer neuen Stelle.

«Als ich das Inserat der Tagesfamilien sah, dachte ich: Das ist perfekt. Ich kann etwas machen, das mir Freude bereitet, ich verdiene Geld und ich kann meine Kinder selbst betreuen», erzählt Kekeis. Denn gerade Letzteres war ihm sehr wichtig: «Vorher waren die Kinder in der Kita oder bei den Omas. Das wollte ich nicht mehr.» Ihm war es wichtig, seine Kinder selbst grosszuziehen.

Bei alleinerziehenden Müttern besonders gefragt

Mit der Lösung als Tagesvater stand dem Wunsch nichts mehr im Wege. Und auch für seine Kinder war es keine grosse Umgewöhnung. «Meine Frau hat schon immer mehr verdient und deshalb auch mehr gearbeitet als ich», erzählt Kekeis. Und so waren sie es bereits gewohnt, dass Papa ab und an kocht, mit ihnen Hausaufgaben macht und mit ihnen Ausflüge unternimmt.

Dass ein Mann die Kinderbetreuung übernimmt, ist für die Eltern von Kekeis‘ Tageskindern kein Problem. Das versteht sich nicht von selbst: «Es gibt bei den Eltern klare Haltungen», sagt Martina Wenzinger von Tagesfamilien Basel-Stadt. «Entweder sie begegnen dem Tagesvater mit einer grossen Selbstverständlichkeit, oder sie können sich nicht vorstellen, ihre Kinder von einem Mann betreuen zu lassen.» Beliebt sei das Modell gerade bei alleinerziehenden Müttern, so Wenzinger.

Kinder zwischen 18 Monaten und elf Jahren spielen zu Spitzenzeiten in Kekeis’ Wohnzimmer.

Auch beim Tagesvater gibt es manchmal Diskussionen. «Am Anfang läuft es immer gut, nach ein bis zwei Monaten drehen die Kinder auf», erzählt Kekeis. Dann brauche es einen guten Austausch mit den Eltern. «Ich habe wohl einen anderen Erziehungsstil, als die meisten gewohnt sind», meint er achselzuckend. Bei Diskussionen, wem was gehört, wer mit wem spielen soll und wer seine Hausaufgaben nicht machen will, bleibt er streng.

Männer-Gugge als Ausgleich

Derzeit ist Kekeis ausgebucht, von Montag bis Freitag betreut er zwischen 6.30 und 18.30 Uhr seine Tageskinder und – wenn sie aus der Schule  kommen – auch seine eigenen Kinder. Daneben bleibt wenig Zeit für ihn selbst. «Dienstags gehe ich immer in meine reine Männer-Guggemusik. Das tut gut, dort gibt es für einmal andere Themen als Pokémon und volle Windeln.»

Das sei ihm auch deshalb wichtig, weil er in seinem Alltag kaum Kontakt zu Erwachsenen habe. An solchen Abenden bekommt Kekeis aber auch dumme Sprüche zu hören: «Gerade die älteren Männer können sich nicht vorstellen, meinen Job zu machen.» Mehr Verständnis käme da von Gleichaltrigen und jüngeren Guggekollegen. «Man merkt, wie sich mit den Generationen die Ansichten verändern.»

«Wenn zwei Kinder Durchfall haben und ich eigentlich kochen sollte: Dann wünsche ich mir den Wald zurück.»

Kekeis liebt seinen Job. Das merkt man, wenn er davon erzählt, wenn er zwischendurch Lisa anstrahlt und ihr einen Reiskeks in die Hand drückt. «Ich kann meinen Tagesablauf selbst gestalten, das ist enorm viel wert», sagt er. Aber er verschweigt auch nicht, dass es harte Tage gibt. «Wenn zwei Tageskinder Durchfall haben, du eigentlich kochen solltest, aber die Kinder in die Badewanne stecken musst, weil sie so verschmiert sind: Dann wünsche ich mir Wald und Säge zurück.»

Manchmal braucht Manuel Kekeis auch eine Auszeit. Dafür hat er die Guggemusik oder Rollenspiele.

Ursprünglich hatte Kekeis nämlich eine Lehre zum Forstwart absolviert. Auch sein Vater verstand anfangs nicht, weshalb sein Sohn plötzlich Tagesvater sein wollte. «Dabei hat er es mir selbst vorgelebt, am Wochenende war er meist mit uns Kindern unterwegs.» Manche Veränderungen brauchen eben Zeit.

Auch mal laut werden

Zeit, die braucht auch Kekeis, und zwar für sich. An den Wochenenden klinkt er sich manchmal aus und reist an Mittelalterfeste, wo die Besucher das Leben im Jahr 1476 möglichst realistisch nachstellen. Dort ist er als Küchenmeister für das Essen seiner Kompanie verantwortlich und muss zwischen 15 und 20 Mäuler stopfen. Immerhin hat er Erfahrung darin, eine hungrige Gruppe zu verköstigen.

Und noch ein zweites Hobby hat Kekeis ganz für sich allein: «Jedes Jahr mache ich eineinhalb Wochen Ferien ohne die Familie.» Zusammen mit Freunden geht es in die Nähe von Berlin, wo er gemeinsam mit rund 700 anderen in einem postapokalyptischen Rollenspiel mitwirkt. Kekeis ist dabei der Wachtmeister, der das letzte funktionierende Krankenhaus bewacht.

«Hier kann ich ein ganz anderer Mensch sein, auch mal laut werden – und weit und breit sind keine Kinder», sagt er mit einem Lachen. «Hier kann ich Energie tanken.»

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