Bier-Platzhirsch lässt sich nicht verdrängen

Feldschlösschen ist für Wirte auch eine Bank – und bleibt trotz wachsender Konkurrenz die Nummer eins.

1962 gehörten Feldschlösschen-Sechsspänner wie hier auf der Mittleren Brücke noch zum Stadtbild – aber nicht mehr für lange Zeit. (Bild: Staatsarchiv Basel-Stadt, Hans Bertolf)

Feldschlösschen ist für Wirte auch eine Bank – und bleibt trotz wachsender Konkurrenz die Nummer eins.

Päuli-Säuli nannten sie ihn. Päuli Burkhalter war der einzige der Primarschulklasse, der auf einem Bauernhof aufwuchs – mitten in der Stadt im Gundeldingen-Quartier. Mit Schweinen, Hasen, Enten und «Rössern». Hundertmal erklärte er seinen Mitschülern: «Das sind keine Rösser, das sind Ross – auch wenn es mehrere sind.» Als die Kinder sahen, wovon Päuli sprach, war der Päuli-Säuli plötzlich ein kleiner Star in der Klasse. Und nicht mehr das «Bauerntschotscheli».

Da waren Pferde von berühmten Springreitern auf dem Hof eingestellt, auf dem die Burkhalters in einer Wohnung lebten. Die Kinder durften die Hengste streicheln, bevor sie auf dem Schänzli ihr Können zeigten.

Und auch während der Schulferien, wenn die Mitschüler verreist waren, drehte sich bei Päuli alles um Pferde: Er durfte mit seinem Vater und sechs Belgier-«Ross» im Gespann auf der Kutsche mitfahren. Mitten in Basel, mit viel Bier im Gepäck. Fässerweise Bier lieferten sie an Beizen: Päulis Vater war der letzte Feldschlösschen-Kutscher in Basel. 

Beizer müssen nicht betteln

Die gut 300 Brauereien in der Schweiz brauchen keine Pferde mehr. Das Geschäft ist auch ohne Kutschen attraktiv: Es gibt so viele Brauereien wie seit über hundert Jahren nicht mehr – und es werden mehr. Trotzdem bleibt Feldschlösschen Platzhirsch oder, um es in der Firmensprache zu sagen: Marktführer. Die Firma kann sich Ausgaben leisten, die für Kleine nicht drinliegen.

So müssen Beizer mit Feldschlösschen-Produkten im Sortiment nicht bei einer Bank um Geld betteln, wenn sie ihr Lokal renovieren oder mit neuen Tischen ausstatten wollen: Feldschlösschen bietet Restaurants Darlehen an – und verlangt dafür eine mehrjährige Zusammenarbeit.

Über Summen will Markus Werner von Feldschlösschen nicht sprechen. Er sagt nur: «Banken tun sich schwer, Restaurants Darlehen zu geben. Dann springen wir ein.»

Darlehen und Werbung

Als Paul Burkhalter (62) mit seinem Vater Bierfässer auslieferte, galt noch das Bierkartell. Manche Restaurants schenkten Warteck aus, andere Feldschlösschen, die Brauereien teilten die Lokale unter sich auf.

Vor zwanzig Jahren wurde das Kartell aufgehoben, Grosskonzerne wie Heineken und Carlsberg schluckten Schweizer Brauereien – als Reaktion entstanden lokale Brauereien. Werbeslogans wie «Bier von hier statt Bier von dort» überzeugten etliche Biertrinker, vom Globalen zum Lokalen zu wechseln. Kleine Brauereien etablierten sich.

In manchen Restaurants ist inzwischen nur noch Unser Bier, Appenzeller oder Ueli Bier zu haben. Wirte entscheiden selber, was sie ausschenken wollen. Die Auswahl ist gross. Doch Feldschlösschen bleibt Nummer eins. Die Darlehen sind ein Grund für den anhaltenden Erfolg, das grosse Werbebudget ein anderer.

Zum Abfüllen nach Südbaden

Vor einem Jahr hat Feldschlösschen ein Bier in Bügelflaschen lanciert. «Wir möchten ein Zeichen für die Schweizer Bierkultur setzen», heisst es von der Firma dazu. Dass die Flaschen in Südbaden abgefüllt werden und die «Schweizer Bierkultur» so beschnitten wird, steht nirgends. Und wenn die Brauerei mit Berglern in Trachten und urchigen Masken wirbt, suggeriert sie: Das ist Schweizer Bier! «So verschieden wir Schweizer sind, Feldschlösschen verbindet», lautet der Slogan.

Dass die Firma als Carlsberg-Tochter in dänischen Händen ist, scheint keine Rolle zu spielen. Schliesslich wird das Bier in Rheinfelden gebraut, und mehr aus Marketinggründen als aus Notwendigkeit werden auch noch Pferde gehalten.

Brauereien in Stein gemeisselt

Dennoch gibt es Wirte, die auf vollkommen Schweizerisches oder regionales Bier setzen. Robert Schröder vom «Schmalen Wurf» etwa hat die Verträge mit Kronenbourg auslaufen lassen – und zu Appenzeller gewechselt. Zu dem Zeitpunkt, als auch das elsässische Kronenbourg von Carlsberg geschluckt wurde.

Der «Schmale Wurf» läuft gut, braucht keine neuen Tische und Stühle. Andere Beizen sind abhängiger – und froh um ein Darlehen. Ob nicht auch sie eine kleine Brauerei berücksichtigen würden, ist eine andere Frage. «Einige Beizer würden gern zu uns wechseln, sind vertraglich aber gebunden», sagt Luzius Bosshard, Chef von Unser Bier.

Päuli Burkhalters Vater kannte jeden Beizer persönlich. «Meistens tranken wir einen Kaffee, bevor wir weiterfuhren», erinnert sich Burkhalter. «Es war eine gemütliche Zeit.» Viele Lokale gehörten damals noch den Brauereien – und diese investierten in ihre Liegenschaften, wie es die meisten Hausbesitzer tun. Liessen Buffets herstellen, bestellten Maler, wenn die Wände wieder einmal gelb vom Rauch waren. Der Brauerei-Name war in Stein gemeisselt. An der Fassade des «Braunen Mutz» steht heute noch «Feldschlösschen», obwohl seit Längerem vor allem Heineken-Produkte ausgeschenkt werden.

Letzter Kutscher schreibt Geschichte

Markus Werner von Feldschlösschen betont, die heutige Darlehens-Praxis habe nichts mit den vergangenen Zeiten zu tun. «Wir richten keine Lokale mehr ein, seit das Liegenschaftsgeschäft ausgegliedert wurde.» Es geht um Darlehen wie bei Banken auch. Eingerichtet wird nur die Infrastruktur, die mit Getränken zu tun hat. Zapfhahnen, Durchlaufkühler, Gläser. Das gehört zum Service – auch Unser Bier wird in beschrifteten Gläsern ausgeschenkt.

Sobald der Wirt aber Geld für eine neue Bar braucht, muss die kleine Brauerei passen. «Wir können uns das nicht leisten. Aber unsere Kunden wissen dafür, woher das Bier kommt», sagt Luzius Bosshard. Es kommt aus der Brauerei im Gundeli, unweit des einstigen Feldschlösschen-Depots, wo Paul Burkhalters Vater täglich um vier Uhr die Pferde im Stall fütterte – auch an Feiertagen.
Von Feldschlösschen ist im Gun­deli bis auf Schilder an Beizen wenig ­übrig geblieben, dafür ist die Kon­kurrenz omnipräsent. Markus Werner sagt, Feld­schlösschen spüre die Konkurrenz der Kleinen, aber: «Bil­lige Importbiere tun uns mehr weh als lo­kale Brauereien.»

Mit anderen Worten: Auch der Globalisierte spürt die Globalisierung. Das ging auch Paul Burkhalters Vater nicht anders, als er seine Pferde in den Sechzigern gegen ein Auto tauschen musste. Und als letzter Kutscher in die Geschichte einging.

Quellen

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 13/01/12

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