Der Wechsel allein ist das Beständige

Herbschtmäss auf dem Petersplatz – «so wie immer».

Der Petersplatz (Bild: Kurt Wyss)

Herbschtmäss auf dem Petersplatz – «so wie immer».

Als Kaiser Friedrich III. anno 1471 der Stadt Basel das Recht verlieh, auf «ewige Zeiten» jährlich zwei Warenmessen durchzuführen, ahnte der von den einen als «der Friedfertige» verehrte, anderseits von Schandmäulern als «des Römischen Reiches Erzschlafmütze» verspottete Habsburgerfürst wohl kaum, dass er damit auch 541 Jahre danach noch immer helles Entzücken und tiefe Dankbarkeit auslösen würde. Die Herbstmesse entwickelte sich zum Dauerläufer, der heute regelmässig rund eine Million Besucher an- und denselbigen das Geld aus dem Sack locken soll.

Was Jahrhunderte überdauert, hat sich wohl nicht zuletzt an Arthur Schopenhauer orientiert, auch wenn dessen geflügeltes Wort «Der Wechsel allein ist das Beständige» erst viel später in die gängigen Zitatensammlungen einfloss. Zwar ist kaum anzunehmen, dass sich der deutsche Philosoph von unserer Herbstmesse zu dieser unwiderlegbaren Formulierung inspirieren liess, doch dürfen wir Basler auf unserer immerwährenden Suche nach Selbstwertgefühl getrost davon ausgehen, dass Schopenhauer, wäre er auf die Idee gekommen, sich bei uns in diese Problematik r(h)einzuknien, bestimmt auf die Herbstmesse als Beweis für seine epochale Erkenntnis hingewiesen hätte.

Tatsache ist, dass sich «d Herbschtmäss» immer wieder frei-, in jüngster Zeit zuweilen wohl auch etwas wider- und unfreiwillig dem Wandel unterzogen hat. Acht verschiedene Standorte mit einem voll besetzten Petersplatz gab es im Mittelalter kaum, und auch das Angebot und die Zahl der Vergnügungs-, Verpflegungs- und Verkaufsbetriebe dürfte sich vor 500 Jahren kaum mit den heutigen Gegebenheiten vergleichen lassen. Von 937 Bewerbungen um einen Standplatz wie in diesem Jahr konnte man damals ­allenfalls träumen. Und so nahe am «Mount Everest» wie auf obigem Bild von Kurt Wyss war man selbst in den kühnsten Träumen nie.

Ob der Basler Arzt Hans Jacob Wacker mit seinen zwölf Hypokras-Variationen je mit einem Verkaufsstand an der Mäss vertreten war, entzieht sich unserer Kenntnis. Wenn nicht, hat er wohl das Geschäft seines Lebens verpasst, denn in seinem 1573 veröffentlichten Büchlein gab es so manches Rezept, das perfekt auf die abergläubische Gesellschaft jener Zeit abgestimmt war. Darunter auch eines, das notorischen Säufern den Weingenuss durch in Hypokras eingelegte tote Aale verleiden sollte: «Nim drey oder vier Aal, thu sie in ein Kanten mit ­guten Wein, so lang, bis sie darin ertrincken und sterben, darnach sig den Wein durch ein leichtes Leinin Tuchlin, unnd gib ihnen den vollen Zapffen zu trincken, so erleidet ihnen der Wein, dass sie in hassen, und nicht mehr trincken mögen, oder gar wenig …»

Was ist daraus zu lernen? Von Schopenhauer bestimmt noch einiges mehr als das erwähnte Zitat, auch wenn es sich dabei nicht unbedingt um leicht verdauliche Kost handelt. Doch das kann man von einem Hypokras mit toten Aalen ja auch nicht unbedingt behaupten.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 11/11/11

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