In der Steinenvorstadt stehen sich bald zwei Gastroketten mit ähnlichem Konzept auf den Füssen: Gegenüber vom «El Mexicano» macht das «Desperado» auf. Das Konzept: Eine Küche, die sich mexikanischer gibt, als sie ist.
Basels Ausgangsmeile wird bunter: Die Jungfrau von Guadalupe, Künstlerin Frida Kahlo, Revolutionär Emiliano Zapata und zahlreiche Totenköpfe zieren die zwei Stockwerke an der Steinenvorstadt 67. Das Inventar ist im Hacienda-Stil gehalten, garniert mit einem Schuss Mexiko-Klischees (man denke etwa an den Kaktus mit Sombrero) und etwas Kitsch.
Wo sich früher das Kino Eldorado und der Kleiderladen Metro befanden, zieht nun ein «Desperado» ein. Dabei handelt es sich um ein Franchising-Unternehmen mit neun Filialen in der Schweiz.
Pikant dabei: Gleich gegenüber wurde mit «El Mexicano» bereits im Dezember 2015 ein Lokal mit einem ähnlichen Konzept aus der Taufe gehoben – eines von mehreren Lokalen des Gastrounternehmens «Swiss Bar Group», zu dem auch in Bern und Biel mehrere Restaurants gehören.
Das Team wird am 8. September im grossen Restaurant mit 300 Sitzplätzen die Arbeit aufnehmen. Mutige können an der Bar etwa einen Mezcal mit einem Skorpion in der Flasche bestellen. (Bild: Michel Schultheiss)
Oft eher Tex als Mex
Auch wenn sich beide Lokale das Label «mexikanische Küche» auf die Fahne geschrieben haben, ist wohl Tex-Mex treffender. Das wird auch mit einem Blick auf die Karte beim «Desperado» klar: «Red Hot Chili Poppers», «Hacienda Fries», Fajitas, Burger (hier halt «Hamburguesas») weisen eher in die nördliche Seite des Río Bravo. Auch der Pfadilager-Klassiker «Chili con Carne», der oft fälschlicherweise für eine mexikanische Spezialität gehalten wird, ist dort – immerhin ehrlicherweise mit dem Zusatz Tex-Mex – zu finden.
Nicht nur hier, sondern generell fällt bei diesen Restaurants auf, dass so manche Gerichte als mexikanisch verkauft werden, indem einfach irgendetwas Pikantes oder Bohnen und Avocado drübergehauen wird. Was «gringotauglich» daherkommt, wird daher selten der Bezeichnung mexikanische Küche (die in sich selbst wiederum sehr vielfältig ist) gerecht.
Grosse Auswahl an Tequila und Mezcal
Doch kein Grund, nun über Etiketten zu streiten oder den puristischen Gastro-Miesepeter rauszuhängen: Nichts gegen währschafte Tex-Mex-Küche! Zudem stehen auch beim «Desperado» durchaus mexikanische Speisen wie Tamales, Quesadillas (wenn auch mit Weizen- statt Maistortillas), Molletes, Enchiladas und Hähnchen mit Mole Poblano auf der Speisekarte. «Bei uns sind die Übergänge von Kalifornien nach Mexiko fliessend», erklärt Antonio Annecchiarico, Lizenznehmer der neuen Basler «Desperado»-Filiale.
Was man dem «Desperado» ebenfalls lassen muss, ist die Palette an Getränken: «Wir bieten die grösste Tequila- und Mezcal-Auswahl der Schweiz», sagt Annecchiarico. Ob Don Julio, Herradura oder 1800: In der Tat stehen auf der Karte über 60 Namen.
Die Billigvariante «Sierra» mit dem roten Plastik-Sombrero, der in vielen Schweizer Bars über die Theke geht und leider keine gute Werbung für die Agavenspirituose abgibt, ist unter den vielen Flaschen aber nicht zu sehen. «Den haben wir auch, aber gut versteckt – nur für den Fall, dass das jemand wünscht», sagt Annecchiarico mit einem Augenzwinkern. Für die Cocktails werde die günstigere Marke José Cuervo verwendet, für den puren Genuss die edleren Tequilas.
Keine Angst vor der Konkurrenz
Die Pläne des «Desperado» sind ehrgeizig: Das Restaurant soll innen und aussen rund 300 Sitzplätze bieten. «Das wird sich schon füllen», sagt Annecchiarico zuversichtlich. Das ist kein Grund zur Sorge für den «Mexicano» gleich gegenüber. Dort sieht man der neuen Konkurrenz gelassen entgegen: «Wir decken nicht das gleiche Publikum ab», sagt die Geschäftsführerin Melanie Hettesheimer.
Zwar ähnle sich die Speisekarte mit dem Tex-Mex-Angebot, doch «Desperado» tendiere vom Ambiente eher in Richtung «Papa Joe’s» und spreche ein jüngeres Publikum an. «Daher denke ich, dass wir gut aneinander vorbeikommen», sagt Hettesheimer. Zudem war das «Desperado» keineswegs eine Überraschung: Bereits vor der Eröffnung des «Mexicano» seien ihr die Pläne der anderen Gastrokette bekannt gewesen.
Allgegenwärtige Totenkopfmännchen: Eine «Calaca» begrüsst die Kunden nun in der Steinenvorstadt. (Bild: Michel Schultheiss)
Überangebot oder Chance für die «Steine»?
Auch Maurus Ebneter, Vorstandsdelegierter beim Basler Wirteverband, sieht in dieser Situation wenig Probleme. Im Gegenteil: Er findet es erfreulich, dass wieder in die «Steine» investiert wird. Die Ausgangsmeile hätte in den letzten Jahren – etwa wegen der hohen Mieten und der Abwanderung zum Rheinufer – einen Durchhänger gehabt.
Eine «Cluster-Bildung» sei zu begrüssen: «Die Magnetkraft einer ganzen Strasse ist grösser als die eines einzelnen Betriebs», sagt Ebneter. In letzter Zeit sind mit «Spiga», «Molino» und «Burger King» auch andere Gastroketten und Franchising-Unternehmen dazugekommen. Diesen Trend sieht Ebneter auch nicht unbedingt als etwas Schlechtes: «Es sind oft erprobte Konzepte, welche die Kinderkrankheiten bereits überwunden haben.» Letztlich stehe und falle aber alles mit dem Betreiber und den Mitarbeitern vor Ort.
Die Tex-Mex-Lokale verortet Ebneter im Bereich «Casual Dining» mit Erlebnischarakter. Diese seien oft amerikanisch angehaucht und für eine jüngere Kundschaft gedacht. Dabei stehe nicht in erster Linie die Küche, sondern die Atmosphäre im Vordergrund. Dies spreche auch Expats an, die oft eine unkomplizierte Gastronomie suchten.
Davon gibts nun mit den beiden genannten Lokalen wie auch mit der «Tacoteca» und dem Dauerbrenner «Papa Joe’s» gleich mehrere rund um die «Steine». «Es könnte schon sein, dass es nun ein Überangebot gibt», sagt Ebneter. Vor etwa zwanzig Jahren sei das Konzept noch trendy gewesen, heute gehöre es zum Mainstream.
«Mittlerweile hat es sogar in vielen Dörfern eine Tex-Mex-Beiz», erklärt Ebneter. Dies zeige aber auch, dass das Konzept funktioniert: «Steigen die Frequenzen in der Steinenvorstadt, so kann am Schluss die Rechnung für alle aufgehen.»
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«Desperado», Steinenvorstadt 67, Eröffnung am 8. September um 19 Uhr. Bereits offen gleich vis-à-vis: «El Mexicano», Steinenvorstadt 58.