Die Vereinigten Arabischen Emirate wollen mit der Aufschüttung eines Bergs künstliche Wolken erzeugen und so die Niederschlagsproduktion ankurbeln.
Die Vereinigten Arabischen Emirate gehören zu einem der trockensten Flecken der Erde. In dem ariden Klima fallen nur wenige Millimeter Niederschlag im Jahr. Ohne künstliche Bewässerung ist Landwirtschaft nicht möglich. Die Scheichs wollen daher ein wenig nachhelfen: Künstliche Berge, die Windströmungen so umleiten, dass sie aufeinanderprallen, aufsteigen und in höheren Schichten der Atmosphäre abregnen, sollen die Niederschlagsproduktion steigern.
Wie die Nachrichtenseite «Arabian Business» aus Dubai berichtet, arbeitet das National Center for Atmospheric Research (NCAR) in Kooperation mit University Corporation for Atmospheric Research (UCAR) in den USA an einer «detaillierten Modellstudie».
Der Traum vom massgeschneiderten Wetter
Das Institut erhielt vom Emirat einen mit 400’000 Dollar dotierten Forschungsauftrag. In einer Machbarkeitkeitsstudie soll geprüft werden, ob durch den Bau eines künstlichen Bergs die Regenproduktion gesteigert werden kann. «Wonach wir schauen, ist die Effekte auf das Wetter durch den Berg zu evaluieren, wie hoch er sein soll und wie das Gefälle sein soll», wird Forschungsleiter Roelof Bruintjes in dem Bericht zitiert.
Die Idee, mit Geoengineering Einfluss auf das Wettergeschehen zu nehmen, ist nicht neu:
- Hagelflieger «impfen» mit Silberjodidlösungen Gewitterwolken, um zu verhindern, dass die bis zu Tennisball grosse Hagelkörner auf Weinanbaugebiete prasseln.
- Chinesische Wetterspezialisten schossen zur Eröffnung der Olympischen Spiele 2008 in Peking über 1000 Raketen mit Silberjodid in die Regenwolken, um Niederschlag zu verhindern und eine perfekte Inszenierung bei Sonnenschein zu gewährleisten.
- Dubai will auf seinem Immobilienprojekt The World, einer nach der Welt modellierten Insellandschaft, das alpine Wunderland «The Heart of Europe» durch künstliche Beschneiung auf ein schwitzbefreites Spaziergänger-Niveau herunterkühlen.
Dass ein Berg zur künstlichen Regenproduktion aufgeschüttet wird, gab es bislang allerdings noch nicht.
Es braucht einen ordentlichen Berg
Es mutet nach einem babylonischen Projekt an: Mitten in der topfebenen Wüstenlandschaft soll ein Berg aufgeschüttet werden, an dem sich die Luftmassen anstauen und durch das Hindernis zum Aufsteigen gezwungen werden. Dabei kühlt die feuchtigkeitsgeladene Luft ab, es bilden sich Wolken, die die staubtrockene Wüste mit Sinkregen bewässern. Wissenschaftler sprechen auch von «orografischen Niederschlägen» (von altgriechisch oros für Berg). Doch ist das realistisch?
Alan Robock, Professor für Klimatologie an der Rutgers State University of New Jersey, sagt im Gespräch mit der TagesWoche: «Es ist natürlich möglich, einen Berg aufzuschütten, obwohl das Erdmaterial andernorts ein Loch hinterlässt. Die Frage ist aber, ob die Winde stetig genug sind, um orografische Niederschläge zu produzieren.»
Das Wetter und Klima ist ein hochkomplexes System, kleinste Eingriffe des Menschen können ein systemisches Chaos verursachen.
Die Emirate liegen an einem warmen Meer, dem Persischen Golf, über dem jede Menge Wasserdampf und feuchtigkeitsgesättigter Luft ist. Die Frage, so Robock, sei, ob man genügend Luftmassen hätte, die den Berg hinaufsteigen. Experten zufolge müsste der Berg mehrere hundert Meter Höhe erreichen, um ausreichend Winde zu erzeugen.
Mit Grossrechnern werden Atmosphärenmodelle und Luftströmungen simuliert. Und mithilfe von «Cloud Seeding» versucht Abu Dhabi bereits Wolken mit geeigneten Keimen zu impfen, um die Tröpfchenbildung zu beeinflussen und Regen zu verstärken. Das Verfahren scheint erste Früchte zu tragen – Dubai verzeichnete im März Rekordniederschläge. An einem Tag fiel so viel Niederschlag wie sonst im ganzen Jahr nicht. Wegen starker Regenfälle kam es in Dubai zu 253 Verkehrsunfällen innerhalb von sieben Stunden, auf dem Internationalen Flughafen von Abu Dhabi mussten mehrere Flüge gestrichen werden, ganze Strassen waren überflutet. Schlägt die Natur nun zurück?
Umstrittene Methode
Die Wettermanipulation ist unter Wissenschaftlern umstritten, weil sie das empfindliche Ökosystem aus der Balance bringen könnte. «Die Wettermodifikation durch Cloud Seeding funktioniert offensichtlich nicht», konstatiert Klimaforscher Robock. «Es kann sogar gefährlich sein, wenn die Chemikalien, die dabei zum Einsatz kommen, in schädlichen Konzentrationen in der Atmosphäre verbleiben.»
Das Wetter und Klima ist ein hochkomplexes System, kleinste Eingriffe des Menschen können ein systemisches Chaos verursachen. Vielleicht ist es die Hybris der Menschheit, dass sie alles kontrollieren will – vom eigenen Körper bis hin zum Klima in Wüstenregionen.