Am Wesen, Wirken und der Bedeutung von Joseph Beuys scheiden sich noch heute die Geister. Auch jene in Basel.
Joseph Heinrich Beuys, den 1921 in Krefeld geborenen Quergeist einigermassen mehrheitsfähig einzuordnen oder ihn posthum der Allgemeinverträglichkeit zuzuführen, fällt heute so schwer wie zu seinen Lebzeiten. So lesen wir denn im freimütigen Eingeständnis des eigenen Unvermögens bei Wikipedia, dass besagter Beuys, der 1986 starb, ein deutscher Aktionskünstler war, daneben Bildhauer, Zeichner, Kunsttheoretiker und Professor an der Kunstakademie Düsseldorf.
Beuys, so erfahren wir weiter, «setzte sich in seinem umfangreichen Werk mit Fragen des Humanismus, der Sozialphilosophie und Anthroposophie auseinander», was «zu seiner spezifischen Definition eines erweiterten Kunstbegriffs und zur Konzeption der Sozialen Plastik als Gesamtkunstwerk führte». Als einer der bedeutendsten Aktionskünstler des 20. Jahrhunderts sei der Deutsche ein «idealtypischer Gegenspieler zu Andy Warhol» gewesen, heisst es abschliessend. Und schon ärgern wir uns wieder …
Was auch immer in Beuys hineininterpretiert wurde: Seine Selbstinszenierung und die damit verbundene Mystifizierung seines Schaffens waren meisterhaft. Das Kunstmuseum Basel war eines der ersten Museen, das seine Werke systematisch ankaufte und ausstellte, von Blättern aus allen Werkphasen über plastische Arbeiten bis hin zu Multiples und 1977 zum leidenschaftlich diskutierten Erwerb der Rauminstallation «Feuerstätte». Zu verdanken war dies in erster Linie Dieter Koepplin, dem Leiter des Kupferstichkabinetts. Nicht das Kunstmuseum war es allerdings, das Joseph Beuys im April 1971 zu dessen spektakulärstem Auftritt in Basel verhalf, sondern Theaterregisseur Erich Holliger.
Ohne zu zögern sagte Beuys zu, in Basel eine Variation der Aktionsveranstaltung «Celtic» zu präsentieren, die er im Jahr zuvor im Rahmen der Edinburgher Festspiele und gemeinsam mit dem dänischen Musiker und Komponisten Henning Christiansen zelebriert hatte. «Eine Messe für Atheisten», wie Beuys die Aktion in der staubigen Zivilschutzanlage unter der Autobahn bezeichnete.
Im Zeitraffer geschildert, bestand «Celtic+~~~» (mit Kreuz und «Aquarius»-Welle) aus einer rituellen Fusswaschung sowie dem Abkratzen von Gelatine von der Wand. Zum Schluss stieg «Gralshüter» Beuys in eine mit Wasser gefüllte Badewanne und liess sich dort eine zusätzliche Kanne H2O über den Kopf schütten. Das wars dann auch. Und 42 Jahre danach ist für uns immerhin noch dies daraus zu lernen: Kalte Duschen lassen sich offenbar viel leichter ertragen, wenn man sie als künstlerischen Akt zu deklarieren weiss.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 24.05.13