Erhöhter Energiefluss dank Maxïmo Park

Düsterer Himmel, düsterer Sound. Das Open Air Basel hat am ersten Abend mit Anna Aaron und Fink zwei Acts an den Anfang gesetzt, die nur zaghaft Festivalstimmung entfachen konnten. Für erhöhten Energiefluss sorgten schliesslich Maxïmo Park.

Sänger Paul Smith hielt mit seiner elegant ausgeflippten Bühnenperformance, seinen Tänzeleien und exaltierten Posen, das Publikum trotz neuem Regen prächtig bei Laune. (Bild: Openair Basel)

Düsterer Himmel, düsterer Sound. Das Open Air Basel hat am ersten Abend mit Anna Aaron und Fink zwei Acts an den Anfang gesetzt, die nur zaghaft Festivalstimmung entfachen konnten. Für erhöhten Energiefluss sorgten schliesslich Maxïmo Park.

Natürlich, so muss das sein in diesem Sommer. Kurz bevor Anna Aaron ihren ersten Krachakkord herunterprasseln lässt, kommt ihr der Regen zuvor: wenige Minuten vor Festivaleröffnung öffnet der Himmel seine Schleusen und lässt runter, was runter mag. Ein kurzes, aber deutliches Zeichen.

Denn was die Baslerin Anna Aaron, der einzige lokale Beitrag an diesem Open Air Basel, im Gepäck hat, ist ihr aktuelles Album «Neuro». Und das lebt auf, wo Zorn und Zweifel zu Hause sind: Aaron hat für «Neuro» ihren düsteren Pianofolk entrümpelt und ihn mit harten, elektronisch verfremdeten Beats und kantigen Gitarren ersetzt, deren Konturen so schroff sind, dass Narben bleiben, wenn man sich an ihnen reibt.

Dann rutscht dem Sound der Boden weg

Im Kasernenhof, der noch karger wirkt, wenn sich wetterbedingt erst ein paar Dutzend Besucher dorthin wagen, bleibt der auf Konserve dicht produzierte Sound zu Beginn allerdings einiges schuldig. Aaron hat die richtigen Songs in der Setliste, die eine hungrige Masse elektrisieren müssten, «Labyrinth» etwa, mit einem dieser bissigen Gitarrenriffs, für die ihre Begleitung Emilie Zoé überzeugend sorgt, oder «Totemheart», in dem sich Gitarrenlärm und Synthiegewölk, Aarons Zornesschreie und ihr betörendes Raunen flink abklatschen.

Hingegen hat Aaron an der Live-Umsetzung, zumindest für derart offene Räume, wie sie das anfangs nur zaghaft besuchte Open Air bietet, zu stark an Masse gespart. Weicht ihr Bassist an die Elektronik aus, rutscht dem Sound der Boden weg, und vertieft sich die vierköpfige Band in ihre kakophonischen Studien, hinterlässt sie mangels Wucht einen ambivalenten Eindruck. Gegen Ende stimmt Aaron, alleine an den Tasten, ihren ersten kleinen Hit «Mary Ruth» an.

Der stammt noch aus den Zeiten, als Holzgitarre und Klapperbass ihren Sound bestimmt hatten. Dazwischen kam «Dogs In Spirit», die Symbiose aus Folk und kontemplativem Düsterrock, und dieses zugänglichere Material hätte eventuell den Festivalauftakt geschmeidiger entkrampft als die Industrial-Attacken von «Neuro». Mit einer Ausnahme hat Aaron «Dogs In Spirit» auf dem Kasernenplatz jedoch komplett aus dem Programm gestrichen.

Finks missratener Auftakt

Einen deutlichen Kontrast zu Aarons expressiven Böllereien setzt danach der Brite Finian Paul Greenall. Sein Schleppfolk, den er unter dem Namen Fink schreibt, ist vor wenigen Wochen zu seinem sechsten Album «Hard Believer» herangereift. Mit dem Stück gleichen Namens eröffnet er sein Konzert auf dem Kasernenplatz, der langsam zu einer ansprechenden Fülle gefunden hat, und wie zuvor bei Anna Aaron passt der Sound des Songs nicht zum Moment. «Hard Believer», dem eifernden Titel zum Trotz, ist ein Schlurfblues, dessen Akkorde im Schlafwagentempo umherschleichen, und Greenalls Stimme, üblicherweise befähigt zu pastoraler Tiefe, hinkt müde dem Lied hinterher.

Ein missratener Auftakt, und hernach benötigt er mit seinen vier Begleitmusikern mehrere Anläufe, um Spannung aufzubauen. Finks Folk verzichtet auf treffsichere Melodien und elaborierte Arrangements, sondern setzt auf minimalistische Akkordfolgen und monochrome Aufbauten, deren Reiz weniger in harmonischen Bögen denn in einem bedächtig angerührten atmosphärischen Sog liegt. Sowas braucht Zeit und Hingabe, und als Fink «Warm Shadow» hinterher schickt, kriegt man eine Ahnung davon.

Viele Schritte braucht das Lied, um aus sich aus seinem festgezurrten Kleid, den bestimmenden zwei Akkorden, den dominierenden Achtelschlägen am Bass und der bedächtigen Monotonie im Gesang herauszuschälen und schliesslich eine Klimax zu erreichen. «Looking Too Closely», weiter hinten im Set und ebenfalls vom neuen Album, funktioniert nach demselben Muster, aber da haben sich Fink bereits etwas warmgerockt, zelebrieren ihre eruptiven Ausschweifungen weniger durch meditative Versenkungen, was an Festivals trotz Regenstarre kaum funktioniert, dafür mit mehr Druck, mehr Risiko, mehr Drang zur Überwältigung. Es dauert lange, bis das Konzert in die Gänge gekommen ist, und fast wünscht man sich, die Festivalmacher hätten Fink und Anna Aaron die Plätze im Programm tauschen lassen. Es wäre dem Stimmungsbarometer zuträglicher gewesen.

Und dann kommen Maxïmo Park

Doch dafür sorgen am Ende des Abends Maxïmo Park. Die fünf Briten aus Newcastle waren vor zehn Jahren auf der Schaumkrone der zweiten britischen Retro-Welle dabei, und wie ihre Bootsgenossen Kaiser Chiefs oder Bloc Party mühen sie sich seither damit, die damalige Euphorie so gut wie möglich zu konservieren. Maxïmo Park tun das mit regelmässigen Plattenveröffentlichungen (mittlerweile 5), die stilsicher in ihrer Nische aus Wave und Garage-Rock verharren, und verlassen sich ansonsten auf ihren Sänger Paul Smith.

Der hält, mit grauen Anzug und schnittigem Hut, mit seiner elegant ausgeflippten Bühnenperformance, seinen Tänzeleien und exaltierten Posen, das Publikum trotz neuem Regen prächtig bei Laune. Kommt hinzu, dass Maxïmo Park sich keine Illusionen zur Tiefenwirkung ihrer Songs machen: formvollendete Hits landen sie nur selten, daher bevorzugen sie es kurz und knackig: steckt in einem Song keine zündende Idee, folgt zum guten Glück zwei Minuten später schon der nächste, was das Energielevel hochhält. Das Quintett, mag man vermuten, hat das selbst längst erkannt, horcht man «Apply Some Pressure», einer ihrer wenigen Hits, hinterher. «What happens when you lose everything?», fragt Smith dort in der Kernzeile, und gibt sich die Antwort gleich selbst: «You just start again.» Immer wieder aufs Neue versuchen, und dazwischen möglichst nicht langweilen. Maxïmo Park haben das begriffen.

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Heute Abend folgt am Open Air Basel ab 18.45 Uhr der zweite Teil des Festivals: Nick Waterhouse, Bonobo, Mount Kimbie.

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