Andrea Schenker-Wicki war sichtlich aufgeregt. «Heute ist ein Freudentag», sagte die Uni-Rektorin. Was sie hier präsentiere sei «Public Private Partnership (PPP) wie aus den Lehrbüchern der Ökonomie».
PPP ist einer der beliebtesten Ausdrücke der (bürgerlichen) Politiker. Sie bedeutet eine gemeinsame Finanzierung eines Projekts durch Staat und Unternehmen. In diesem Fall: Ein Forschungsinstitut für Augenmedizin, fachgenau: Institut für molekulare und klinische Ophthalmologie (IOB). Die Vision: Grundlagen- und klinische Forschung so zu vereinen, dass «Blinde wieder sehen können», wie Schenker-Wicki sagte.
Zusammen mit Vertretern der Novartis, der Forschung und des Kantons stellte sie das neue Projekt am Freitag der Öffentlichkeit vor. Aber nicht etwa auf Unigelände, sondern im Novartis-Restaurant Lokami am Elsässerrheinweg.
Sparen, aber nicht in den Life Sciences
Die Ortswahl war bezeichnend. Denn eigentlich kommt die Nachricht, dass die Uni ausbaut, ein wenig überraschend. Schliesslich muss sie bis Ende 2021 43 Millionen Franken einsparen. Erst am 5.Dezember wurde bekannt, dass die Universität deshalb die Professur für Mittelhochdeutsch streicht.
Die Unidirektorin gab zwei Gründe an, weshalb man trotz knapper Ressourcen investiere und bestätigte auch gleich, in welche Richtung es mit der Uni gehen soll: in Richtung Life Science. Begründung eins: «Dieses Projekt leistet einen Beitrag an den Wohlstand der Region und bedeutet eine sinnvolle Weiterentwicklung in einem strategisch wichtigen medizinischen Bereich.» Begründung zwei: «Aus eigener Kraft kann sich die Universität nicht weiterentwickeln, aber mit einem Partner ist es möglich, zusätzliche Professuren einzuführen.» 135 neue Stellen sollen am IOB geschaffen werden.
Hier liegt der Knackpunkt des neuen Instituts: Die Novartis übernimmt einen grossen Teil der Finanzierung, maximal die Hälfte. Sie gehört zusammen mit dem Universitätsspital und der Universität zu den Gründerinnen, sie haben sich verpflichtet, das Institut für zehn Jahre zu finanzieren. Die Investitionen belaufen sich langfristig auf etwa 20 Millionen pro Jahr. Die Bevölkerung soll ebenfalls einen Beitrag zahlen, die Regierung wird beim Grossen Rat 12,51 Millionen Franken für die Jahre 2018-2021 beantragen. Danach könnte sich der Finanzierungsschlüssel verändern und die Beiträge des Kantons steigen.
Der Finanzierungsschlüssel ab dem Jahr 2020 sieht so aus:
- die Novartis (10 Millionen/ Jahr)
- Kanton Basel-Stadt (5 Millionen/ Jahr)
- das Universitätsspital Basel (3 Millionen/ Jahr)
- die Universität Basel (2 Millionen/ Jahr)
Unabhängigkeit ist eine Frage der Interpretation
Stellt sich die Frage: Was hat die Novartis von einer solchen Investition in die Forschung?
Verwaltungspräsident Jörg Reinhardt sagt: «Für Novartis ist die Augenheilkunde eine strategische Forschungspriorität.» Man erhoffe sich innovative Lösungen für Sehkrankheiten wie etwa den Grauen Star. Matthias Geering, Pressesprecher der Uni Basel, beschreibt das Ziel des neuen Instituts so: «Grundlagenforschung und klinische Forschung sollen zusammen mit der industriellen Forschung gemeinsam neue Medikamente und Therapien entwickeln.»
Dabei hat die Novartis ein Vorkaufsrecht auf konkrete Forschungsergebnisse: Bei einer Auslizenzierung kann sie die Lizenz zu einem «fairen Marktpreis» erwerben, wie Matthias Geering sagte.
Wo bleibt da die Unabhängigkeit der Forschung?
Schenker-Wicki versichert: «Das Institut ist völlig unabhängig». Die Novartis rede den Forschern nicht drein. Sie bestimme nicht, was erforscht und publiziert werde. «Zum Beweis» brachte sie die Gründungsverträge an die Pressekonfrenz mit. Die Journalisten durften einen Blick darauf werfen, sie mitzunehmen war dann aber doch nicht erlaubt.
Novartis-Mann als Stiftungsratspräsident
Auf Nachfrage zeigte sich: Die Novartis kann sehr wohl Einfluss nehmen. Das IOB erhält die Form einer gemeinnützigen Stiftung und ist so nicht direkt Teil der Universität, sondern assoziiert, wie das Tropeninstitut Basel. Und Stiftungsratspräsident ist: Novartis-Verwaltungsratspräsident Jörg Reinhardt.
Matthias Geering, Pressechef der Uni Basel, sagte denn auch: «Selbstverständlich diskutieren die Partner – die Universität, das Universitätsspital und die Novartis – die Themen, die erforscht werden. Die Wissenschaftler sind dabei aber absolut frei in Lehre und Forschung.»
Allerdings kommt einer der beiden Forscher, die das IOB leiten sollen, selber aus dem Einflussbereich der Novartis. Es handelt sich um Botond Roska, der zur Zeit am Friedrich Miescher Institut für biomedizinische Forschung in Basel forscht. Dieses Institut wird von der Novartis finanziert.
Bei seinem Co-Leiter handelt es sich um Hendrik Scholl, Chefarzt und Leiter der Augenklinik des Universitätsspitals Basel. Durch die Zusammenarbeit zwischen dem Grundlagenforscher mit dem klinischen Forscher Hendrik Stoll erhoffen sich die Gründungspartner Durchbrüche in der Augenheilkunde.
Bislang ein Verlustgeschäft
Die Novartis setzt schon seit einigen Jahren auf die Augenheilkunde. 2010 kaufte sie für rund 50 Milliarden Dollar ein Unternehmen für Augenheilkunde, Alcon. Das entpuppte sich jedoch als Verlustgeschäft, weswegen der Pharmariese angetönt hat, sich von Alcon zu trennen. Allerdings gilt das nur für den chirurgischen Bereich der Augenheilkunde und Kontaktlinsen. Den Bereich Medikamente will die Novartis bei sich behalten. Und jetzt, eben, mit der Investition in das neue Institut stärken.
Die Regierung hat offenbar ebenso wenig Vorbehalte wie die Universitätsdirektorin. Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger fand: «Das ist ein guter Tag für den Life Science Cluster und ein Beispiel für die gleichberechtigte Zusammenarbeit der globalen Pharma und öffentlicher Forschung.» Ausserdem passe das neue Institut in die gemeinsame Spitalplanung Basel-Stadt und Baselland. Die Augenheilkliniken der beiden Kantone haben bereits im Januar eine neue Zusammenarbeit angekündigt.
Geld will Baselland keines ans neue IOB geben. Die Beteiligung der Novartis dürfte der Baselbieter Bildungsdirektorin Monica Gschwind aber gefallen. Sie fordert mehr Drittmittel und weniger staatliche Gelder für die Universität.
Im Ausland stösst das IOB offenbar bereits auf Interesse. Laut Schenker-Wicki haben bereits die renommierten Universitäten Harvard, Standford und das Massachusetts Institute of Technology Interesse an einer Zusammenarbeit angemeldet. Momentan sucht die Universität Basel nach einem provisorischen Standort, langfristig wird ein Standort nahe des Biozentrums anvisiert.