Zurzeit herrscht nachts im Tropenhaus des Botanischen Gartens in Basel ohrenbetäubendes Pfeifen. Dann geht die Biologiestudentin Michelle Gisler mit der Taschenlampe auf Pirsch. Ihr Zielobjekt: Frösche. Was gar nicht so einfach ist, denn die kleinen Kerle pfeifen zwar laut, aber sie sind klein wie eine Fingerkuppe.
Der Antillen-Pfeiffrosch ist so winzig und lebt so versteckt, dass die Besucher des Tropenhauses ihn normalerweise nicht bemerken. Es sei denn, es herrscht Paarungszeit, wie jetzt gerade. Dann locken die Männchen, kaum setzt die Dämmerung ein, mit «Du-iiii» in erstaunlicher Lautstärke.
Ganz freiwillig hält der Botanische Garten die Frösche nicht – sie wurden unabsichtlich mit zugekauften Pflanzen eingeschleppt. Heute sind es an die 200, und das Gepfeife ist so durchdringend, dass Gartenbesucher nachzufragen begannen, was das sei. So entstand die Idee, Führungen anzubieten. Michelle Gisler ist eine von vier Studentinnen, die jeweils freitags und samstags im Tropenhaus statt im Ausgang sind, um mit Besuchern auf Froschpirsch zu gehen.
Zuerst aber erzählt sie ihnen ausführlich über die Frösche und ihre Fortpflanzung. Etwa darüber, dass auch bei Fröschen Kontrolle vor Vertrauen geht: «Das Männchen bewacht das Gelege. Das Weibchen kommt aber für alle Fälle eine Stunde nach der Paarung und kontrolliert, ob er wirklich brav auf dem Gelege sitzt.» Falls nicht, setzt es sich selber drauf. Kommt das Männchen doch zurück, vertreibt es das Weibchen mit einem herzhaften Biss ins Bein.
Ausgerüstet mit Taschenlämpchen gehen die Besucher anschliessend im Miniaturtropenwald auf die Suche. «Falls jemand keinen findet, wissen wir natürlich ein paar Lieblingsplätze», verrät Gisler. Besonders schön findet sie, dass die Besucher bei der Jagd richtig aufgehen. «Da liegen plötzlich Leute flach auf dem Boden, von denen man das nie erwartet hätte.» Kinder seien gewöhnlich besonders erfolgreich, sagt die Biologin. «Wenn ein Erwachsener zehn Stück findet, ist das schon gut. Bei Kindern sind es oft 20 oder 30 Frösche – sie stacheln sich gegenseitig an.»
Die Froschpopulation reguliert sich übrigens auf natürliche Weise. «Wir füttern sie nicht. Dafür sind sie aber manchmal Futter für unsere tropischen Vögel und den Basilisken.» Ab und zu hilft der Mensch dennoch unfreiwillig nach, dass es nicht zu viele werden. Einmal auch Gisler auf ihrer nächtlichen Kontrollrunde vor dem Abschliessen: «Da hat es plötzlich unter mir geknirscht. Ich hatte ein Fröschlein zertreten. Das war schlimm.»
Weitere Infos zu den Führungen im botanischen Garten
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 15.06.12
9.07.2012: Fehlendes Bild hinzugefügt.