Das Bierbusiness ist nicht immer gesellig. Unter den Kleinen herrscht zwar ein kollegiales Verhältnis. Für das Verhältnis zwischen Kleinen und Grossen ist eher eine Anekdote symptomatisch, die Andreas von der Mühll mit seinem «Em Basler sy Bier» erlebt hat.
Die Geschichte beginnt mit einem schönen Auftrag. Von der Mühll durfte 2015 die älteste Basler Vorfasnachtsveranstaltung, das Zofinger Conzärtli, beliefern. Der bisherige Bierlieferant, eine der grössten Brauereien der Schweiz, intervenierte umgehend. Das Jahr darauf gab es am Conzärtli kein «Em Basler sy Bier» mehr.
Von der Mühll hatte noch an einem zweiten Ort vorübergehend einen Grossen verdrängt: im «Roten Kater», bevor die Kontaktbar im September schloss. Und dann klopfte plötzlich das Lebensmittelinspektorat an von der Mühlls Tür. Er soll mit «Em Basler sy Bier» Etikettenschwindel betrieben haben. Denn beworben wird das Bier damit, dass das Getreide von Basler Boden stamme.
Ein böser Verdacht
Tatsächlich kommt die Mehrheit des Getreides vom Biohof Klosterfiechten, und dieser produziert auf Basler Boden fünf bis zehn Tonnen Getreide. Nun hat aber «Em Basler sy Bier» seinen Ausstoss seit der Gründung 2009 vervierfacht, nämlich auf 200 Hektoliter, und 2016 gab es eine schlechte Getreideernte. Kurz: Der Hof Klosterfiechten konnte den Bedarf nicht mehr vollumfänglich decken und von der Mühll wich auf die restliche Schweiz aus.
Das Lebensmittelinspektorat konnte deswegen von ihm verlangen, die Etiketten zu ändern. 100’000 aufs Mal. «Das hat schon wehgetan», sagt von der Mühll. Anderen Betrieben hätte so etwas locker das Genick gebrochen.
Doch wie kam das Lebensmittelinspektorat eigentlich auf diese Idee? Von der Mühll hat da einen Verdacht. Bestätigen lässt sich dieser nicht. Es komme durchaus vor, dass das Lebensmittelinspektorat Hinweise von aussen bekomme, bestätigt die Behörde ganz allgemein. Mehr dürfe es auch nicht sagen: «Schweigepflicht».
Ob von der Mühll von einem verärgerten Grossen angeschwärzt wurde oder nicht, ist somit lediglich eine unschöne Vermutung. Tatsache ist, dass die Grossen um ihre Vormachtstellung auf dem Biermarkt kämpfen.
Kampf um die Zapfhähne
Während weniger Bier getrunken wird als auch schon, hat die Zahl der Brauereien seit den 90er-Jahren massiv zugenommen. Damals fiel das Bierkartell, unter dem sich die Brauereien die Gebiete aufgeteilt hatten. Der Bierkonsum pro Kopf sank seither um 23 Prozent – und statt den 32 Brauereien von damals gab es 2016 laut Zahlen der Eidgenössischen Zollverwaltung stolze 753 Brauereien.
Den Löwenanteil in diesem Wachstum machen Klein- und Kleinstbrauereien aus. Die marktführenden Player sind aber immer noch die Feldschlösschen-/ Carlsberg-Gruppe und Heineken. Sie beherrschen laut verschiedenen Schätzungen etwa 60 Prozent des Marktes.
Die mächtigste Waffe der Grossen, um ihre Marktmacht zu halten, nennen Wirte und Kleinbrauer so: Knebelvertrag. Der Inhalt solcher Verträge stellt sicher, dass beim Wirt die Stange aus der Zapfsäule vom Grossbrauer stammt.
Dafür bietet dieser dem Beizer Rückvergütungen und Rabatte aufs Bier – gemäss Maurus Ebneter vom Wirteverband erhalten Individualbetriebe 10 bis 30 Prozent, grosse Gastronomiegruppen bis zu 30 Prozent. Oft gehen die Angebote aber noch weiter: Die Bierriesen beteiligen sich etwa am Umbau der Beiz und gewähren Darlehen. Gemäss Wirteverband geht es bei Einzelbetrieben um Beträge zwischen 20’000 und 50’000 Franken.
«Als kleine Brauerei hast du nur eine Chance, wenn ein Beizer dein Bier verkauft, obwohl er das vertraglich nicht dürfte.» – Kleinbrauer Andreas von der Mühll
Als Gegenleistung müssen Wirte unter anderem eine Exklusivklausel unterschreiben. Sie dürfen also kein Bier von anderen Händlern beziehen. Was nicht heisst, dass der Wirt auf eine gewisse Vielfalt verzichten muss. Feldschlösschen und Heineken verkaufen längst auch zahlreiche Importbiere.
Die Verträge dürfen gemäss Wettbewerbskommission (Weko) nicht länger gelten als für fünf Jahre. Oft schaffen es die Wirte jedoch nicht, das Bier oder das geliehene Geld in dieser Frist abzuzahlen. Dann sind sie faktisch gezwungen, die Verträge zu verlängern.
Die Methode ist nicht neu. Der Wirteverband kämpft seit Jahren gegen diese Art von Verträgen, wie die TagesWoche schon 2012 ausführlich berichtete. Denn solche Verträge binden gemäss Maurus Ebneter vom Wirteverband nicht nur die Wirte, sie behindern auch andere Getränkelieferanten und Kleinbrauereien auf dem Markt.
Das sieht auch Andreas von der Mühll von «Em Basler sy Bier» so: «Als kleine Brauerei hast du nur eine Chance, wenn ein Beizer bereit ist, seine Exklusivklausel zu ignorieren und dein Bier zu verkaufen, obwohl er nicht dürfte.»
Kleine Erfolge
Allerdings scheinen sich die Machtverhältnisse aufzuweichen, wenn auch nur ganz leicht. Viele Beizer sind offenbar nicht mehr bereit, auf lokale Biere zu verzichten. Und das mit gutem Grund: Spezialbiere erleben seit Jahren einen Boom, die Kundschaft gibt sich je länger, je weniger mit einem Lager zufrieden.
Das erlebt Tim Kröpfli vom «Werk 8» im Gundeli so. Das Lokal bekam von Grossbrauereien zwar sehr grosszügige Angebote und hat nun einen Liefervertrag mit Heineken als Hauptlieferanten. Doch ohne Exklusivklausel. Kröpfli wollte sich nicht auf einen einzigen Bierlieferanten festlegen: Er verkauft auch Flaschenbiere von Kleinbrauereien aus Basel. «Unsere Kundinnen und Kunden möchten heute auch spezielle Biere von hier und sind bereit, mehr dafür zu zahlen», sagt er.
«Beizer haben mehr Verhandlungsspielraum als vor 10 Jahren», sagt Tim Kröpfli vom «Werk 8».
Heineken akzeptierte. Vielleicht auch deshalb, weil das «Werk 8» ein attraktiver Kunde für einen Bierriesen ist. Das Lokal ist gross und etabliert, hier geht viel Bier über den Tresen. Ausserdem hatten Kröpfli und sein Team Investoren im eigenen Bekanntenkreis gesucht.
Das ist zwar nicht einfach, doch die Beizer konnten welche finden. Kröpfli und seine Kollegen führten bereits das Restaurant 5 Signori an der Güterstrasse und waren deshalb als vertrauenswürdige und zuverlässige Unternehmer bekannt. «So hat man als Beizer natürlich mehr Spielraum, einen Vertrag mit dem Bierlieferanten auszuhandeln», sagt Kröpfli. Alles in allem sieht er die Lage auf dem Biermarkt entspannter als noch vor zehn Jahren: «Die Beizer haben mehr Verhandlungsspielraum.»
Eine echte Konkurrenz?
Das bestätigt auch Lukas Holm von der «Braubude Basel»: «Wir haben kein Problem, unser Bier loszuwerden – im Gegenteil.» Seine Abnehmer haben vielfach zwar auch Lieferverträge mit einem Grosshändler. Aber sie haben sich ausbedungen, zusätzlich ein paar lokale Biere verkaufen dürfen.
Allerdings stellt die Kleinstbrauerei für einen Riesen wie Feldschlösschen auch keine Konkurrenz dar. «Ich kann einer Beiz vielleicht zehn Harrassen pro Monat liefern, mehr nicht», sagt Holm. Die Braubude braut etwa 150 Hektoliter pro Jahr.
«Über Bier wird wieder geredet. Das macht das Produkt attraktiv – und davon profitieren alle.» – Gaby Gerber, Sprecherin Feldschlösschen
Anders «Kitchen Brew» in Allschwil: Die Kleinbrauerei von Fabien Ehinger hat sich von einer Hobbybrauerei in der Küche zu einer Profibrauerei entwickelt. Sie produziert jährlich 2000 Hektoliter Bier. Längst genug, um die «Bar All One» und den «Schützengarten» in Allschwil als Hauptlieferant zu versorgen. Und soeben konnte er einen völlig neuen Beizer an Land ziehen, wie Ehinger sagt.
Gaby Gerber, Mediensprecherin von Feldschlösschen, schreibt, der Boom der Klein- und Kleinstbrauereien habe der ganzen Branche geholfen. «Über Bier wird wieder geredet, verschiedene Hopfensorten oder das Handwerk des Bierbrauens sind wieder Thema. Das macht das Produkt Bier attraktiv. Davon profitieren alle.»
Feldschlösschen stimme seine Verträge immer individuell auf die Bedürfnisse der Kunden ab und pflege ein partnerschaftliches Verhältnis mit der Gastronomie in Basel.
Und unter dem Strich ist der Markt für Spezialbiere immer noch klein, bei acht von zehn bestellten Bieren handelte es sich im Jahr 2015 um Lagerbier. Und wenn es ums Eingemachte geht, können kleinere Brauereien nicht gegen Feldschlösschen oder Heineken konkurrieren.
Das merkt auch Fabien Ehinger von «Kitchen Brew»: Die Grossen schnappen ihm immer wieder Kunden weg. «Wir können den Beizern nicht ihr Restaurant umbauen oder Geld leihen.» Er könne nur mit Qualität überzeugen: «Ein Beizer muss Freude haben an einer speziellen Rezeptur von hier.» Und er muss es sich leisten können.