Eine Mitgliedschaft bei der Wirtschaftkammer Baselland bringt überraschende Vorteile. Wie Recherchen der «Basler Zeitung» zeigen, sollen Mitglieder des Verbandes bei Arbeitsmarktkontrollen bevorzugt behandelt oder gar nicht erst kontrolliert worden sein: Von den 6349 von der Kammer sowie dem Sozialpartner Unia kontrollierten KMU des Ausbaugewerbes seien lediglich 58 Betriebe Mitglied des Verbands. Bei diesen seien zudem nur oberflächliche Baustellenkontrollen durchgeführt worden, die Lohnbücher blieben unberührt. Beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) ist nun eine Anzeige wegen Verdachts auf Kontrollmissbrauch eingegangen.
Höhere Lohnabgaben für laschere Kontrollen?
Ein Mitarbeiter der AMKB, der Kontrollorganisation der Unia, hat die BaZ in die hauseigene Datenbank blicken lassen. Dort ist erfasst, welcher Betrieb wie kontrolliert wurde – oder eben nicht. Diese Daten zeigen, dass keine zehn Prozent der Verbandsmitglieder auf die Einhaltung des Gesamtarbeitsvertrags für das Ausbaugewerbe kontrolliert wurden.
Die BaZ merkt weiter an, dass KMU des Ausbaugewerbes höhere Lohnabgaben in die Familienausgleichskasse der Kammer zahlen, als sie es vom Kanton aus müssten. Wird hier für laschere Kontrollen bezahlt? Das riecht nach Vetterliwirtschaft.
AMKB verneint Existenz der Daten
Die Zeitung konfrontierte Daniel Schindler, Sprecher der Wirtschaftskammer, mit den erschreckenden Erkenntnissen. Dieser droht zuerst mit gerichtlichen Schritten – und kommentiert dann doch: Ja, es gebe ein ungleiches Verhältnis. Der Grund liege bei den ausländischen Firmen. Vor allem diese würden kontrolliert, um vor Lohndumping aus dem Ausland zu schützen. Nichtsdestotrotz zeigen die Daten, das über 60 Prozent der Kontrollen bei lokalen KMU bei Nicht-Verbandsmitgliedern gemacht wurden.
Olivier Kungler, Generelsekretär der Volkswirtschaftsdirektion, erklärt, dass die Kontrollinstanz AMKB vor einigen Monaten um Stellungnahme zur Ungleichbehandlung gebeten worden sei. Die AMKB antwortete, dass auch Verbandsmitglieder kontrolliert würden, es aber keine statistischen Daten dazu gebe.
Wirtschaftskammer weist Vorwürfe zurück
Der in der BaZ erhobene Vorwurf entbehre jeder Grundlage, schreibt die Wirtschaftskammer Baselland in einer am späten Freitag Nachmittag versendeten Medienmitteilung. Die «verbreiteten Zahlen» stimmen nicht, heisst es darin. Es würden Äpfel mit Birnen verglichen. Das Seco habe «denn auch keine ‹Untersuchung gegen die Wirtschaftskammer› eröffnet, sondern lediglich die Zentrale Paritätische Kontrollstelle um Stellungnahme ersucht».
Die Wirtschaftskammer Baselland machte in den vergangenen Jahren wiederholt negative Schlagzeilen. So bei den nachlässigen Schwarzarbeits-Kontrollen, die ebenfalls das Seco auf den Plan riefen. Die Untersuchung wegen Verdachts auf Betrug wurde im Juni dieses Jahres schliesslich eingestellt, weil der Wirtschaftskammer und den Gewerkschaften keine Arglist nachgewiesen werden konnte.
«Basler Zeitung»: Verdacht auf Kontrollmissbrauch