Ist die Basler Fasnacht weiblich?

Am Rheinknie werden die «drey scheenschte Dääg» auch als «Frau Fasnacht» bezeichnet. Doch dahinter stecken bis heute weitgehend männliche Zuschreibungen.

(Bild: ALEXANDER PREOBRAJENSKI)

Am Rheinknie werden die «drey scheenschte Dääg» auch als «Frau Fasnacht» bezeichnet. Doch dahinter stecken bis heute weitgehend männliche Zuschreibungen.

In Basel wird ein grosses Jubiläum begangen: Vor 50 Jahren, 1966, wurde hier das Frauenstimmrecht eingeführt. Erste Veranstaltungen und Medienbeiträge haben bereits darauf aufmerksam gemacht. An der diesjährigen Fasnacht fand das Thema aber nicht statt. Auch die üblen Erfahrungen an Silvester in Köln sind kein Sujet geworden. Das heisst aber nicht, dass die Gender-Frage die Fasnacht unberührt gelassen hätte.

Am Rande tauchte «Köln» mit der Frage auf, was eigentlich abgeht, wenn sehr «männliche» Waggis sich eine junge Frau auf den Wagen fischen und mit Konfetti und Spreu stopfen, um sie dann mit einem Mimosensträusslein wieder freizugeben. Und was ist vom Spruch zu halten, ein Waggisnarr in «Weiss» / mache alle Frauen «heiss»? Und wenn als horizontale Ladys mit üppigem Busen verkleidete Männer versprechen: «Uff unserem Waage kennt sichs lohne / Das isch die ächti Begeegnygszoone!» Gröbere Sexanspielungen und nacktes Fleisch sind in Basel jedoch verpönt.

Mit grosser Selbstverständlichkeit geht man davon aus, dass die ursprünglich weitgehend von Männern betriebene Fasnacht weiblich ist. «Frau Fasnacht», heisst es, erwacht am Morgenstreich aus ihrem Schlaf, «Frau Fasnacht» wird am Endstreich wieder verabschiedet. Nur die in diesem Jahr ebenfalls beobachtete Thematisierung der Homoehe machte aus der Frau einen «Herrn Fasnacht».

Die Fasnacht ist weiblich, weil die Fasnachtsaktiven ursprünglich grösstenteils männlich waren.

Über die Gründe der traditionellen Geschlechterzuordnung kann man nur spekulieren. Eine bloss grammatikalische Erklärung («die») würde jedenfalls zu kurz greifen. Mit gutem Grund kann man in der Figur der «Frau Fasnacht» ein männliches Imaginationskonstrukt sehen, analog zu den vielen anderen Fantasiefiguren wie den Tugendallegorien, etwa die Justitia, oder den konkreteren Stadtgöttinnen, etwa die Basilea.

Die Fasnacht ist weiblich, weil die Fasnachtsaktiven ursprünglich grösstenteils männlich waren. Und männlich waren diese, weil die Fasnacht einen ihrer Ursprünge in den zünftischen Wehrübungen hat. In der Fasnacht könnte, aus der Sicht beider Geschlechter, aber auch eine Urmutter gesehen werden. In anderen Regionen der Schweiz, zum Beispiel im Tessin, ist die Personifikation der Fasnacht jedoch männlich: ein Prinz oder Regent, der vorübergehend mit Krone, Kette und Schlüssel die Herrschaft übernehmen darf.

Obwohl eigentlich eine Gegenveranstaltung zu den herrschenden Verhältnissen, bildet die Fasnacht die gesellschaftlichen Verhältnisse im Umgang mit der Geschlechterfrage recht gut ab. Die Zahl der aktiven Fasnachtsformationen, die reine Männervereine sind, hat stark abgenommen. Die Weiterexistenz solcher Reservate (etwa die Alti Richtig, mehr dazu im Interview) ist insofern aber kein Problem, als es zahlreiche gemischte Gruppen gibt und obendrein auch reine Frauengruppen (zum Beispiel die Junte) – alles in allem also eine Struktur, die unserer pluralistischen Gesellschaft entspricht. Dazu gehören auch Cliquen mit ausgesprochenen Familienstrukturen.

Abgewandelte Stereotypen

Kenner weisen im Weiteren darauf hin, dass zum Beispiel bei der Rätz-Clique seit dem Gründungsjahr 1923 die aktive Mitwirkung von Frauen selbstverständlich war. Zu Beginn werden diese Frauen aber kaum getrommelt haben. Bis heute trennen sich Trommler und Pfeiferinnen ein Stück weit entlang der Geschlechtergrenze. Allerdings nimmt die Zahl der Tambourinnen stark zu, während die Zahl der Männer-Pfeifer eher rückläufig ist, wie letzte Woche unter dem Titel «Buben ans Piccolo!» in der TagesWoche zu lesen war.

Ein eigenes Interesse verdient der Umgang mit der Gender-Frage in der Pflege der Fasnachtssujets. Welche Rollenbilder werden in der Fasnacht transportiert und wie werden die Geschlechterbeziehungen dargestellt? Es erstaunt nicht, dass alte Stereotypen spielerisch aufgegriffen und zum Teil abgewandelt werden und dass Extremfiguren wie die «alte Tante» oder der «Vamp» besonders beliebt sind und es analoge Männerfiguren, wenn man vom «Waggis» absieht, nicht gibt.

Dass Männerprojektionen weiterhin am Werk sind, zeigt – was überhaupt nicht skandalisiert zu werden braucht – ein Bericht über eine 1967 entstandene Wagengruppe: Diese Männer machten sich bei ihrem ersten Fasnachtsauftritt über ihr eigenes Treppenhausgerede lustig, aber mit dem weiblich gedrehten Sujet «Wybergrätsch». Liegt dem die Männersehnsucht zugrunde, endlich mal eine Frau zu sein, um gewisse Dinge machen zu dürfen?

Dem Karneval wohnen gegenläufige Kräfte inne: hier Revolutionspotenzial, dort Ventilwirkung, die die bestehenden Verhältnisse stabilisiert.

Was leistet die Fasnacht in der Auseinandersetzung mit der Geschlechterfrage und mit Fragen anderer Art? Der ehemalige Comité-Obmann schreibt der Fasnacht die ernsthafte Aufgabe des Hofnarren zu. Mit feiner Persiflage – vor allem in den Schnitzelbängg – greift sie durchaus bekannte und anerkannte Gesellschaftsfragen auf und betont mit relativierendem Esprit zugleich ihre Wichtigkeit.

Diese Art der «Verarbeitung» hat freilich auch ihre fragwürdige Seite. Dann nämlich, wenn ernste Konflikte einzig unter dem Aspekt betrachtet werden, ob sie ein gutes Fasnachtssujet abgeben. Der mögliche Witz erledigt dann gleich das Problem insgesamt. Dem Karneval wohnen seit jeher gegenläufige Kräfte inne: einerseits das früher sehr gefürchtete Revolutionspotenzial, andererseits die Ventilwirkung, die sich auf die bestehenden Verhältnisse stabilisierend auswirkt.



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Frauen im Laufgitter an der Basler Fasnacht 1959. (Bild: Sozialarchiv)

Das Frauenstimmrecht war an der Basler Fasnacht von 1959 eines der wichtigeren Themen. Nachdem die Basler Juristin Iris Meyer, besser bekannt unter dem Namen ihres Mannes als Iris von Roten, im Sommer 1958 ein teilweise rabiates Buch mit dem Titel «Frauen im Laufgitter» gegen die Bevormundung der Schweizer Frauen veröffentlichte, war dies an der darauffolgenden Fasnacht ein willkommenes Fressen. Iris von Roten wird als «rot-iris-ierte Laufgitter-Katze» persifliert, man spottet über ihre «abverheiti» Laufgitter-Offensive. Eine erstprämierte Einzelmaske präsentierte sich als «Iris, dr Männerschregg». Und aus dem Frauenstimmrecht wurde ein «Frauenzwängrächt» gemacht.

Das Fasnachtssujet als Ehrenmeldung

Dies war zwei Wochen nach der ersten gesamtschweizerischen Abstimmung zum Frauenstimmrecht vom 1. Februar 1959, als 66 Prozent der Männer ein Nein in die Urne legten. Das Frauenstimmrecht war auch ein Thema der bekanntlich jeweils etwas früher stattfindenden Luzerner Fasnacht.

Dazu gibt es ein Bild im «Volksrecht» vom 14. Februar 1959, ein übermächtiges Monsterweib, das mit der einen Hand den Stimmzettel in die Urne legt und an der anderen Hand ein vernachlässigtes Kind oder ein gegängeltes Männlein mit sich schleppt. Das war nicht von der Fasnacht erfunden, sondern aus Abstimmungsdebatten und -plakaten übernommen – oder unabhängig davon aus den tieferen Seelenschichten der Männergesellschaft hervorgeholt.

Die engagierten Befürworterinnen und Befürworter des Frauenstimmrechts hätten sich über diese Art der Abhandlung ihres ernsten Anliegens ärgern können, sie hätten sich aber auch – wie das in anderen Varianten ebenfalls geschieht – darüber freuen und es als Erfolg und Ehrenmeldung nehmen können, von der Fasnacht überhaupt aufgegriffen zu werden. Der eigentliche Kampf um Nichtdiskriminierung fand und findet ausserhalb der Fasnacht statt.

An der Fasnacht von 1959 dürfte die Sujetwahl lange vor der Abstimmung getroffen worden sein, und so hatten die «schönsten Tage» schon aus chronologischen Gründen keinerlei Auswirkung auf den Urnengang. Bezüglich des grossen Kampfes um die politische Gleichstellung von Mann und Frau war die Fasnacht irrelevant, einfach nur Fasnacht.

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